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Weltgebetstreffen
"Wir leben in einer Welt im Krieg"

Neun Religionen, ein Anliegen: Frieden. An diesem Sonntag beginnt in Assisi das Weltgebetstreffen. Vor 30 Jahren - in der Endphase des Kalten Krieges - rief der damalige Papst Johannes Paul II. dieses Forum ins Leben. Heute werden Kriege zwar religiös begründet, die Appelle der Religionsführer aber finden kaum Resonanz - weder bei Politikern noch bei Gläubigen.

Von Corinna Mühlstedt |
    Ein Schwarm von Brieftauben startet am Weltfriedenstag am 1.9.2013 in den Himmel.
    Brieftauben starten am Weltfriedenstag am 1.9.2013. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Die Menschheit steht aus der Sicht des Papstes am Beginn des Dritten Weltkriegs. Seit 2014 versucht Franziskus auf Pressekonferenzen die Journalisten aufzurütteln und mahnt: "Wir leben in einer Welt im Krieg, in der die Grausamkeit ein erschreckendes Ausmaß erreicht hat." Niemand, so der Papst, dürfe sich damit abfinden.
    Rund 30 Jahren sind vergangen, seit das atomare Wettrüsten des Kalten Kriegs die Welt in Atem hielt und Papst Johannes Paul II ein spektakuläres Zeichen setzte: Im Oktober 1986 lud er führende Vertreter aller Weltreligionen zu einem interreligiösen Friedensgebet nach Assisi ein und resümierte:
    "Zum ersten Mal in der Geschichte sind wir aus allen Religionen und allen Teilen der Welt vereint, um zu bekunden, dass der Frieden seine Wurzeln jenseits der sichtbaren Welt hat, und dass das Problem des Friedens angesichts unserer religiösen Überzeugungen etwas ist, was uns verbindet."
    In den kommenden Jahren inspirierte das Gebet von Assisi Religionsgemeinschaften rund um den Globus zu ähnlichen Initiativen. Heute ist unbestritten, dass Johannes Paul II mit seinen unkonventionellen Methoden das friedliche Ende des damaligen Ost-West-Konfliktes förderte: 1989 fiel der Eiserne Vorhang, die Welt atmete auf.
    Die Entspannung währte aber nicht lange. Am 11. September 2001 entfachten die Anschläge auf das Word Trade Center in New York weltweit Angst vor dem islamistischen Terror und einem Religionskrieg. Doch in diesem kritischen Moment bewährten sich die Kontakte des Vatikans zu islamischen Religionsvertretern rund um den Globus: Der damalige Präsident des Päpstlichen Dialogrates, Erzbischof Michael Fitzgerald, erinnert sich:
    "Schon einen Tag nach den Anschlägen, am 12. September, konnten wir zusammen mit unseren muslimischen Partnern bei der UNO eine Verlautbarung einreichen. In ihr haben wir als Christen und Muslime den Terror gemeinsam verurteilt."
    Die Öffentlichkeit nahm dies allerdings kaum zur Kenntnis. Um die Gefahr eines Religionskriegs weiter zu bannen, veranstaltete Johannes Paul II erneut ein Weltfriedensgebet in Assisi und beendete den Tag mit einem eindringlichen Appell:
    "Nie mehr Gewalt! Nie mehr Krieg! Nie mehr Terrorismus! Möge im Namen Gottes jede Religion der Welt Gerechtigkeit und Frieden bringen, Vergebung, Leben und Liebe!"
    Doch die Gewaltspirale, die mit den Attentaten von New York begonnen hatten, ließ sich nicht dauerhaft bremsen. 2003 setzte Johannes Paul II alles daran, den Angriff der USA auf den Irak zu verhindern. Vergeblich. Der Kriegseinsatz provozierte neuen Terror, der Jahre später auf dem umkämpften Gebiet sogar zum Entstehen des IS führte.
    Papst Franziskus ist überzeugt, dass der Islam nicht mit dem brutalen Terror gleichzusetzen ist. Schon 2013 betonte er bei einem interreligiösen Friedenstreffen in Rom:
    "Wir müssen alle wachsam sein, damit die Welt nicht zur Beute einer Gewalt wird, die sich religiös begründet, aber in Wahrheit eine Folge der Abwendung von Gott ist. Der Frieden ist tief in allen religiösen Traditionen verankert. Wir religiös Verantwortlichen sind dazu berufen, Frieden aufzubauen, durch den Dialog und das Gebet. "
    Zum Abschluss der Begegnung, unterzeichneten Buddhisten, Christen, Juden und Muslime auf dem römischen Kapitol feierlich ein gemeinsame Verpflichtung. Darin heißt es:
    "Niemand, der Gewalt anwendet, darf sein Handeln mit der Religion rechtfertigen… Wir verurteilen den religiösen Terrorismus nachdrücklich. Wer den Namen Gottes benutzt, um zu töten, lästert Gott… Den Krieg überwindet man nur mit Frieden… Wir Männer und Frauen aus den verschiedenen Religionen wollen uns dafür einsetzen, dass eine weltweite Bewegung für den Frieden wächst! "
    Zum Bedauern des Papstes finden die Friedensinitiativen des Vatikans allerdings in der Öffentlichkeit so wenig Gehör wie die zahllosen muslimischen Stimmen, die den IS als anti-islamisch verurteilen. Vielmehr werde oft versucht, über die Medien Feindbilder zu schüren und das Kriegsgeschehen voranzutreiben, mahnte Franziskus im Sommer 2016 auf einer Pressekonferenz:
    "'Die Welt ist im Krieg!… 1914, 1939 bis 45, und nun wieder… Wir dürfen keine Angst haben, das auszusprechen' Ich rede nicht von einem Religionskrieg, sondern von einem ernsthaften Krieg. Es geht um Geld, wirtschaftliche Interessen, Bodenschätze und um die Herrschaft über Völker. Es ist kein Religionskrieg! Nein. Die Religionen wollen Frieden, wir alle! Den Krieg wollen andere."
    Diese "Anderen", von denen sich allerdings nicht selten auch Religionsvertreter irritieren lassen, hat Franziskus schon mehrfach benannt, so etwa als er fragte:
    "Was bleibt von einem Krieg, wie wir ihn heute erleben? Ruinen, Tausende von Waisen, viele unschuldige Tote… und viel Geld in den Taschen der Waffenhändler. Der Krieg bedeute für diese Leute nichts als Reichtum. Die Bibel segnet die Friedensstifter.
    Die Kriegstreiber hingegen seien Verbrecher. In seiner Wirtschaftsenzyklika hat Franziskus erklärt, dass das heutige kapitalistische System oft tödlich sei. In diesem Zusammenhang ist aus seiner Sicht auch der Waffenhandel zu sehen. Es sei zynisch zu behaupten, die Wirtschaft brauche die Milliardengewinne durch Waffen, an denen das Blut von Millionen unschuldigen Opfern klebt.
    Unermüdlich setzt sich der Vatikan daher auch bei der UNO für Abrüstungsverhandlungen ein und kämpft besonders für eine Ächtung von Atom-Waffen. Nach seinem Besuch bei den Vereinten Nationen in New York ging der Papst 2015 demonstrativ zum Ground Zero, um dort gemeinsam mit den Vertretern aller Religionen der Stadt zu beten. Er betrachte ein solches Gebet als machtvolles Zeichen um der Eskalation der Gewalt die Kraft der Versöhnung, des Friedens und der Gerechtigkeit entgegen zu setzen.