Freitag, 03. Mai 2024

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Weltgemeinschaft streitet immer noch über Zuständigkeiten

Es war eine einmalige Entscheidung, die USA nannten es sogar ein historisches Ereignis, als im August die Immunität des Ex-Diktators Pinochet vom Obersten Gerichtshof Chiles aufgehoben wurde. Seine Immunität und die Amnestie durch das Militär schützten ihn bis dahin davor, für die Menschenrechtsverbrechen während seines Terrorregimes angeklagt zu werden. Um solche Straffreiheit unter dem Deckmantel nationaler Souveränität zukünftig zu verhindern, wurde im Juli 1998 auf einer Staatenkonferenz in Rom das Statut eines ständigen Weltstrafgerichtshofs beschlossen. Er wird die Aufgabe haben, schwerste internationale Verbrechen - Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen - zu ahnden, wie nach dem 2. Weltkrieg bei den Nürnberger und Tokioter Kriegsverbrecherprozessen oder bei den Adhoc-Tribunalen für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda. Nach Ansicht von Kai Ambos, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, schließt das neue Tribunal eine bedeutsame Lücke im Völkerstrafrecht.

Rebecca Hillauer | 31.10.2000
    Kai Ambos: Das Besondere an diesem Gericht ist, dass es die Möglichkeit bietet, Menschen vor Gericht zu stellen genauso wie es nationale Strafgerichte tun. Das hatten wir bis dato noch nicht. Wir haben eben nur völkerrechtliche Gerichte für Staaten. Staatengerichte: Menschenrechtsgerichtshof Straßburg oder Internationaler Gerichtshof in Den Haag. Aber diese Verbrechen, die wir weltweit erleben, werden ja begangen von Menschen. Und deswegen ist es für die Abschreckung solcher Verbrechen, einfach wichtig, dass konkrete Menschen vor Gericht gestellt werden.

    In der Individualisierung von Verantwortlichkeit - im Gegensatz zur abstrakten Verantwortlichkeit des Staates - sieht Kai Ambos die zentrale Bedeutung des einmal in Den Haag ansässigen Internationalen Strafgerichtshofs. Ambos, der bei einem Gutachten zur Strafverfolgung Pinochets mitarbeitete, hält genau diesen Fall für beispielhaft, weil

    Kai Ambos: ... der ja in England verhaftet wurde und dann letztendlich verfolgt wurde wegen eines Haftbefehls von Spanien. Wegen Verbrechen wie Verschwindenlassen, Folter usw. Also wenn jetzt dieser Gerichtshof schon existiert hätte, zum Zeitpunkt der Verhaftung von Pinochet, dann hätte natürlich Pinochet auch vor diesen Gerichtshof gestellt werden können. Das ist genau das, was einmal für die Opfer die Befriedigung verschafft, und zum anderen eben auch eine enorme Symbolkraft entfaltet für zukünftige Täter, potentielle Täter, die dann natürlich sehen, wenn dem das passiert ist, kann es auch uns passieren.

    Nicht nur Diktatoren wie Pinochet, Saddam Hussein und Milosevic fallen unter die Zuständigkeit des Weltstrafgerichthofs, sondern auch die vielen Soldaten, die im Rahmen internationaler Missionen rund um den Erdball stationiert sind. Immer wieder gibt es Berichte über sexuelle Übergriffe durch sogenannte Friedenssoldaten auf Frauen und Kinder in den Einsatzländern. Im August wurde vom Militärgericht in Würzburg ein amerikanischer Kfor-Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er im Kosovo ein 11-jähriges albanischstämmiges Mädchen vergewaltigt und getötet hatte. Gabriela Mischkowski, Mitbegründerin der Frauenhilfsorganisation Medica Mondiale, kennt ähnliche Fälle aus anderen Ländern wie Kambodscha, Somalia, Mosambik und dem ehemaligen Jugoslawien:

    Gabriela Mischkowski: Nehmen wir mal das Beispiel Bosnien. In diesem Fall handelt es sich nicht um einen US-Bürger, sondern um einen kanadischen General, McKenzy. Das war 1993. Es gab mehrere Zeugen dafür. Es gab ein berüchtigtes Hotel Sonia bei Sarajewo, wo klar war, da wurden sehr junge bosnische Mädchen fest gehalten und vergewaltigt. Und Herr McKenzy war da, er ist mit vier jungen Frauen raus gegangen, die danach nie mehr gesehen waren. Und er konnte keine Auskunft darüber geben, was mit ihnen geschehen ist. Aber es gab nie eine Anklage gegen ihn. Was wir in Bosnien beobachtet haben, all da wo Internationale waren, wo UN-Soldaten waren, stieg die Prostitution enorm hoch. Und es gibt so was wie Hungerprostitution. Auch das ist Ausnutzung einer Zwangslage. Auch so etwas gehört für mich vor ein Gericht.

    Die USA wollen jedoch gerade für ihre Soldaten Ausnahmeregelungen erreichen, um sie vor der internationalen Gerichtsbarkeit zu schützen. Schon 1998 in Rom stimmten die USA, mit nur sechs weiteren Staaten, gegen das Statut. In den darauf folgenden Runden der Vorbereitungskommission, bei denen die Details des Vertrages ausgehandelt wurden, wollten sie ihre Forderung weiterhin durchsetzen. Sie versuchten es auch durch die Hintertür in den Hauptstädten der Welt. Da ihre Bemühungen aber erfolglos blieben, weigerten sie sich das Statut zu ratifizieren. Der amerikanische Völkerrechtler Richard H. Kreindler, Partner in der internationalen Anwaltssozietät Jones, Day, Reavis and Pogue in Frankfurt, sieht den Hauptgrund dafür in dem realpolitischen Selbstverständnis der USA, die, wie er meint, aufgrund ihrer faktischen Monopolstellung als Weltpolizist einen Ausnahmestatus reklamieren. Der von den Republikanern dominierte US-Senat ist überdies die verfassungsmäßig einzig bevollmächtigte Instanz, um solche internationalen Abkommen zu genehmigen.

    Richard H. Kreindler: Mit anderen Worten: Ohne den US-Senat wird kein internationales Abkommen und auch nicht dieses Abkommen über den ICC, International Criminal Court, ratifiziert. Ohne diesen Ausschuss des Senats, Senate Foreign Relations Committee, der für außenpolitische Fragen zuständig ist. Und schließlich ohne das Engagement und das Interesse des Obmannes von diesem Ausschuss, Senator Jesse Helms, wird die Genehmigung des Beitritts entweder als Thema jahrelang hinausgezogen oder auch definitiv verweigert.

    Der republikanische Senator Jesse Helms drohte zudem bereits, denjenigen Staaten die Militärhilfe zu verweigern, die das Römische Statut ratifizieren. Er brachte einen Gesetzesentwurf in den Senat ein, wonach jegliche offizielle Kooperation mit dem zukünftigen Weltstrafgerichtshof unterbunden werden soll, solange die amerika-nische Regierung das Statut nicht ratifiziert hat. Die Chancen dafür stehen denkbar schlecht in der gegenwärtigen Wahlperiode.

    Richard H. Kreindler: Das führt zu einer gewissen Blockade seitens Präsident Clinton, auch seitens der Republikaner. Die Haltung des Senators Helms wird eigentlich dadurch nur starker. Es zeichnet sich auch nicht unbedingt ab, dass ein zukünftiger Präsident Bush gegen den Senator Helms stimmen würde.

    Die US-Regierung geht bislang davon aus, dass ihre Staatsbürger nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof belangt werden könnten, solange die USA dem Statut nicht beigetreten sind. Für eine Anklage reicht es jedoch aus, wenn ein Verbrechen auf dem Territorium eines Unterzeichnerstaates begangen wurde. Die USA drängten daher darauf, eine Auslieferung von der Zustimmung des Weltsicherheitsrates abhängig zu machen. Nach Ansicht Richard H. Kreindlers ist weder die Position von Jesse Helms noch die der amerikanischen Regierung völkerrechtlich haltbar. Er vermutet dahinter andere Erwägungen:

    Richard H. Kreindler: Es geht zum Großteil um Machtpolitik. Es geht auch darum, dass die Amerikaner ja als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates wohl gewöhnt sind, ihr Vetorecht ausüben zu können als ständiges Mitglied. Der internationale ständige Schiedsgerichtshof ist bekanntermaßen ganz bewusst ein unabhängiges Organ. Diese Unabhängigkeit stört wohl das amerikanische Selbstverständnis, weil man sagt: Es kann doch nicht sein, dass die Maßstäbe für uns die selben sind wie für die anderen Staaten. Genau diese Aussage stört aber alle, oder fast alle anderen Staaten, inklusive von den Alliierten.

    Die USA waren nicht die einzigen, die in den Verhandlungsrunden ihr Gewicht in die Waagschale warfen, um die Zuständigkeit des Weltstrafgerichtshofs zu ihren Gunsten zu schwächen. Im Visier der Kritiker standen vor allem die Reglements gegen sexualisierte Gewalttaten. Eine Phalanx aus elf arabischen Staaten wollte Verbrechen straffrei sehen, die sich im Familienkreis ereignen oder kulturell oder religiös sanktioniert sind. Sogenannte Ehrenmorde zum Beispiel oder Vergewaltigung in der Ehe. Der Vatikan verlangte, den Straftatbestand der erzwungenen Schwangerschaft zu streichen, um zu verhindern, dass Frauen eine Abtreibung einklagen. Gabriela Mischkowski, die die Verhandlungen in New York beobachtete, wertet die erzielten Formelkompromisse als eine Vorlage, um Verbrechen für die Menschlichkeit insgesamt enger zu fassen als ursprünglich vorgesehen. Sie sind jetzt strafrechtlich nur verfolgbar, wenn ein Staat oder eine Organisation sie nachweislich aktiv fördert.

    Gabriela Mischkowski: Nehmen wir Todesschwadrone in Südamerika, ein typisches Beispiel dafür, wo der Staat sozusagen anderen Organisationen, anderen Gruppen, die überall nicht fassbar sind, die Drecksarbeit machen lässt. Das berühmte Verschwindenlassen zum Beispiel. Dann gilt das nicht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und können entsprechend keine Anklagen erhoben werden. Dass dieser Kompromiss so jetzt zustande gekommen ist, hängt damit zusammen, dass nicht nur die arabischen Länder, sondern auch viele andere Länder, unter anderem die USA ein Interesse daran hatten, die Schwelle, was ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, so hoch wie möglich zu setzen.

    Als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelten Straftaten, die - Zitat - als Teil eines Planes oder einer Politik oder in großem Umfang begangen wurden. Dazu zählen, erstmalig im internationalen Völkerstrafrecht, ausdrücklich auch Vergewaltigung, Zwangsprostitution und - wie es weiter heißt - jede andere Form sexueller Gewalt vergleichbarer Schwere. Bei der letzten Vorbereitungsrunde im Juni stand das Thema noch einmal auf der Agenda.

    Gabriela Mischkowski: Jetzt gibt es eine Fußnote, die besagt, dass nachgewiesen werden muss, dass der Staat oder eine Organisation das bewusst macht oder aber dass er diese Politik schweigend bewusst unterstützt. Dieses intentionale Moment ist für eine Anklagebehörde natürlich unendlich viel schwieriger als es aus anderen Umständen heraus zu belegen, zu beweisen.

    Damit würde, was Kai Ambos als zentrale Bedeutung des Internationalen Strafgerichtshofs wertet, wieder aufgegeben. Statt Individualisierung ist die Fußnote ein Riesenschritt zurück in Richtung Re-Kollektivierung der Verantwortlichkeit. Der Deutsche Juristinnenbund brandmarkt überdies die Übergangsbestimmung des Artikels 124: Sie ermöglicht es Vertragsstaaten, für einen Zeitraum von sieben Jahren die Zuständigkeit des Weltstrafgerichts für eigene Kriegsverbrechen auszuschließen. Als positiv hebt der Juristinnenbund die Verankerung von Opferrechten und eines Wiedergutmachungsfonds hervor. Bereits im September hat Russland als 112. Staat das Rom-Statut unterzeichnet. Unterzeichnet heißt aber noch nicht ratifiziert. Lothar Rieth von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, wertet dies trotzdem als ein wichtiges Signal.

    Lothar Rieth: Die Exekutive, sprich die Regierung, äußert damit ihren Willen, entsprechende Schritte zu ergreifen, damit auch das Parlament die entsprechenden Gesetze ändert und auch die Ratifikationsurkunden hinterlegt werden. Und dass eigentlich in Zukunft es von dem Verhandlungsgeschick in der Duma und von der Macht von Putin abhängen wird, ob auch die Ratifikation in Kürze vollzogen wird. Aber als Sicherheitsratsmitglied ist es sehr wichtig, dass - da bisher nur Frankreich ratifiziert hat, Großbritannien unterzeichnet und in Zukunft auch ratifizieren wird - dass auch Russland als drittes Sicherheitsratsmitglied ein deutliches Zeichen abgegeben hat, dass es hinter diesem Statut steht.

    Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte führt in Osteuropa eine Informationskampagne zur Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofs durch, die von der EU-Kommission gefördert wird. Zu den fünf Seminaren, die im Laufe des Sommers in Russland, Weißrussland, der Ukraine und Usbekistan statt fanden, waren sowohl offizielle Vertreter eingeladen als auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und von internationalen Organisationen wie der UN oder OECD. Bei dem Seminar in Russland nahmen auch Vertreter des KGB-Nachfolgers FSB und der Militärstaatsanwaltschaft teil. Lothar Rieth beurteilt die Erfahrungen als durchwegs positiv, obwohl man auch immer wieder auf alte Ressentiments stieß.

    Lothar Rieth: Man hat immer noch die Angst, dass es sich bei diesem Gericht um eine westliche Institution handelt. Um ein westliches Gericht, was wiederum nur von Staaten Europas und Nordamerikas gegründet wurde, um ihren Einfluss zu festigen. Das war zum einen eine recht große Sorge, zum anderen wurde mit Erstaunen fest gestellt, welche Rechte gerade die Verteidigung auch hat.

    Oft sind es auch ganz banale Dinge, die dem Interesse am Thema Weltstrafgerichtshof Schranken setzen.

    Lothar Rieth: Dass zum Teil überhaupt die Materialien nicht vor Ort sind. Das Statut, obwohl es in russischer Sprache von der UN-Homepage abrufbar ist, liegt einfach nicht vor. Die Menschen vor Ort, seien es Richter, seien es ganz normale interessierte Studenten, können es sich nicht leisten, dieses Statut zu kopieren beziehungsweise zu besorgen.

    Die russische Regierung hat mit ihrer Unterschrift unter das Römische Statut auch einen strategischen Schritt getan. Denn nur bis zum 31. Dezember ist es möglich, das Statut zu unterzeichnen, ohne gleichzeitig zu ratifizieren. Sie kann nun abwarten, ob eine Ratifikation in der Duma möglich ist. Man könnte einen solchen Schritt auch von den USA erwarten. Außenminister Joschka Fischer appellierte deshalb anlässlich des Millenium-Gipfels der Vereinten Nationen in New York nochmals an alle Staaten, die Integrität des Internationalen Gerichthofs zu wahren und das Statut zu ratifizieren. Eine Ausnahmeregelung dürfe es nicht geben, betonte er - ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung der USA, die weiterhin auf einen Schutz für ihre Bürger pochen.

    Lothar Rieth: Im November findet jetzt noch eine Verhandlungsrunde statt, an der alle Staaten, die auch an der Romverhandlung teilgenommen haben und bisher am Prozess beteiligt haben, weiterhin teilnehmen können. Aber ab dem 31. Dezember können an Folgeverhandlungen nur noch die Staaten teilnehmen, die mindestens unterzeichnet haben.

    Der Vertrag tritt schließlich in Kraft, wenn 60 Staaten ratifiziert haben. Derzeit (26.10.00) sind es 22 Ratifikationen. Die Mitgliedsländer müssen darüber hinaus ihr nationales Recht an das Römische Statut anpassen. In Deutschland soll dafür ein eigenes Völkerstrafgesetz geschaffen werden. Im Auftrag des Justizministeriums erarbeitet zur Zeit eine Expertenkommission einen Entwurf. Kai Ambos vom Max-Planck-Institut gehört dieser Arbeitsgruppe an. Sie prüft, inwieweit die Straftatbestände des Statuts im deutschen Recht bereits kodifiziert sind.

    Kai Ambos: Zum Beispiel das Verschwindenlassen von Personen, was als Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Statut von Rom steht, gibt es das als nationales Verbrechen? Das gibt es in Europa zum Beispiel nicht. Weil wir das nicht kennen, jedenfalls nicht so, wie es in Südamerika bekannt ist, wo es schon solche Tatbestände auch gibt.

    Der Internationale Strafgerichtshof wird erst tätig werden, wenn Staaten nicht willens oder nicht in der Lage sind selbst zu ermitteln. Er wird die nationale Gerichtsbarkeit nicht ersetzen, sondern ergänzen. Daher liegt es im Interesse der Staaten, entsprechende nationale Gesetze zu schaffen, weil sie damit ihre Staatsbürger und auch ihre Soldaten im eigenen Land zur Verantwortung ziehen können statt sie an den Internationalen Gerichtshof überstellen zu müssen.

    Kai Ambos: Zum andern eben auch, wie es hier auch vom Verteidigungsministerium gesagt wird, weil man damit natürlich den Soldaten selbst das humanitäre Völkerrecht beibringen kann, indem man so ein Gesetz hat. dann dient das ja auch den Streitkräften ja auch als Unterrichtsmaterial. Es gibt ja schon rechtliche Normen also im Kriegsvölkerrecht, im humanitären Völkerrecht, in den Genfer Konventionen. Und die sollen eigentlich auch den Soldaten unterrichtet werden. Theoretisch ist das Teil der Ausbildung der Soldaten, weltweit. Es ist aber noch einmal ein Unterschied, ob ich bestimmte Verbote habe "Du sollst das und das nicht tun". Oder ob ich eine Vorschrift habe, die sagt, "Sexuelle Nötigung wird mit soundso viel Jahren Freiheitsstrafe bestraft." Und ob ich ein Gericht habe, das das durchsetzt.

    Deutsche Staatsbürger werden also in der Regel auch künftig vor einem nationalen Gericht stehen. Trotzdem entbrannte über der Frage einer möglichen Auslieferung deutscher Straftäter an den Internationalen Strafgerichtshof ein heftiger Streit im Rechtsausschuss des Bundestages. Stein des Anstoßes war Artikel 16, Absatz 2 des Grundgesetzes, der bislang eine Auslieferung Deutscher an das Ausland verbietet. Obwohl Bundestag und Bundesrat in einer ersten Lesung im Februar für eine Änderung votiert hatten, forderten die Oppositionsvertreter im Rechtsausschuss plötzlich eine Schutzklausel für deutsche Straftäter. Der Zwist verhinderte, dass das Römische Statut wie geplant noch vor der parlamentarischen Sommerpause ratifiziert werden konnte. Jan Harder, Leiter des Deutschen Komitees für einen Internationalen Strafgerichtshof, einer Koalition von zehn Nichtregierungsorganisationen, sieht dadurch die Vorreiterrolle der Bundesrepublik in Gefahr.

    Jan Harder: In Europa sind es jetzt sehr viele Staaten, die ratifiziert haben. Darunter sind Luxemburg, Frankreich, Belgien, Italien. Deutschland hatte angekündigt unter den ersten zehn zu sein und hat das nicht erreicht. Das ist natürlich schon ein Rückschlag und außenpolitisch auch jetzt schon von Schaden. Denn gerade international wird die deutsche Ratifikation sehr beäugt. Viele Staaten werden sich daran orientieren und werden das als Modell nehmen.

    Bundeskanzler Schröder musste jedenfalls entgegen seiner ursprünglichen Absicht ohne die Ratifikationsurkunde zum Millenium-Gipfel nach New York reisen. Nach wochenlangen Verhandlungen verständigte der Rechtsausschuss sich dann doch noch auf eine Grundgesetzänderung, mit der Klausel, dass eine Auslieferung Deutscher nur möglich ist, wenn 'rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind'. Gleichzeitig einigte man sich auf eine Änderung des Artikels 12 a, der zukünftig festschreiben wird, dass Frauen nicht zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet werden können. Und man billigte den Gesetzesentwurf zur Ratifikation des Römischen Statuts. Zwei Tage später stimmte auch der Bundestag zu.

    Jan Harder: Es ist halt wichtig, dass Deutschland damit auch innenpolitisch zeigt, sie wollen auch nicht die eigenen Staatsangehörigen genauso schützen wie die USA. Sondern sie sagen, wir wollen Kriegsverbrecher verfolgen und zwar effektiv und weltweit.