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Weltwasserwoche
Eine schäumende Kloake quer durch Kenia

Der Athi ist der zweitlängste Fluss Kenias. Einst war er ein beliebtes Ausflugsziel, aber mittlerweile ist er durch Chemikalien und Abwässer stark verschmutzt. Dennoch leben viele Anrainer mit dem Wasser - das könnte der Grund für viele Erkrankungen sein.

Von Antje Diekhans | 30.08.2019
Die Wasserfälle im Nationalpark Fourteen Falls, Athi-Fluss, etwa 60 Kilometer vor Nairobi, der Hauptstadt von Kenia (Foto vom Oktober 2006).
Die Wasserfälle im Nationalpark Fourteen Falls, Athi-Fluss: früher Ausflugsziel, heute Giftbrühe (dpa / Andreas Gebert)
14 Wasserfälle stürzen sich eine breite Schlucht hinab. Der River Athi, der zweitlängste Fluss Kenias, schlängelt sich hier auf seinem Weg Richtung Küste durch eine zerklüftete Landschaft. Die Wasserfälle, etwa anderthalb Fahrstunden von der Hauptstadt Nairobi entfernt, waren mal ein beliebtes Ausflugsziel.
"Früher war das Wasser sauber", sagt Wanderführer Nicholas Bahati. "Es gab viele Fische und es kamen ständig Besucher. Wir konnten das Wasser trinken, darin baden und unsere Kleidung waschen. Unsere Haut war gesund."
Jetzt türmen sich Schaumberge am Fuß der Wasserfälle. Wie eine riesige, stinkende Badewanne. Der Geruch ist eine Mischung aus Chemikalien und Abwasser.
"Ungefähr seit dem Jahr 2000 ist das Wasser so verseucht. Die Fische sind gestorben und trieben oben auf dem Wasser. Der Fluss begann zu stinken. Sogar Tiere wie Nilpferde und Krokodile sind geflüchtet. Und wir bekamen Ausschlag."
Sogar die Nilpferde sind geflüchtet
Nilpferde gibt es hier jetzt nicht mehr. Sie sind nur noch weiter oben am Fluss zu finden – bevor Industrieanlagen und Hotels ihre Abwässer hinein leiten. Professor James Mbaria von der Universität Nairobi hat Proben von der schäumenden Brühe analysiert.
"Wir haben eine große Verunreinigung mit Bakterien festgestellt. Bakterien, die aus menschlichen Fäkalien stammen. Dann haben wir Chemikalien gefunden. Metalle wie Quecksilber, Blei, Arsen und andere."
Der Toxikologe hat zusammen mit Kollegen das Flusswasser auf der ganzen Strecke Richtung Küste untersucht. Gleichzeitig wurden die Anrainer interviewt. Tausende Menschen in Kenia nutzen das Wasser, viele immer noch als Trinkwasser. Die Ergebnisse der Studie sind alarmierend.
"Das Wasser kann wahrscheinlich mit dem Anstieg von Krankheiten in Kenia in Verbindung gebracht werden. Wie zum Beispiel Krebserkrankungen, neurologische Auffälligkeiten, schlechte Abwehrkräfte und andere Krankheiten, die durch Vergiftungen entstehen."
Um zu beweisen, dass der dreckige Fluss die Ursache für die Erkrankungen ist, sind weitere Studien nötig. Der Professor fordert die Regierung aber auf, jetzt schon zu reagieren.
"Es muss überprüft werden, ob die bestehenden Gesetze ausreichen. Eine andere Frage ist, ob diese Gesetze überhaupt angewandt werden. Vieles steht nur auf dem Papier, aber jetzt muss etwas unternommen werden. Denn das hier ist eine nationale Katastrophe."
Viele Anwohner nutzen das Wasser dennoch
An einem Nebenarm waschen junge Frauen im Fluss ihre Kleidung. Sie haben Kinder mitgebracht, die im Wasser spielen. Einige schrubben sich die Arme sauber und waschen sich das Gesicht. Trinken dürfen sie das Wasser an dieser Stelle aber nicht.
Weiter oben am Fluss, wo die Ananas besprüht werden, gelangen Chemikalien ins Wasser, sagt eine der Frauen. Die fließen dann bis hierher. In der Umgebung sind viele große Plantagen, zum Beispiel von Delmonte. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region. Aber die Ananas werden mit Insektiziden und Herbiziden behandelt. Die Gifte verseuchen den Fluss.
"Leute, die noch die Fische essen, werden krank. Einige sind sogar gestorben."
Diese Gefahren sind aber längst nicht allen bewusst. Nahe der Wasserfälle sind Jungen ins Wasser gesprungen. Sie tauchen und suchen nach Fischen, erklärt Wanderführer Nicholas Bahati.
"Sie fangen den Fisch im Schlamm mit ihren Händen. Aber es ist schwierig, ihn unter den Steinen hervorzubekommen."
Der Mittvierziger ist in der Region aufgewachsen. Er weiß, wie verseucht das Wasser ist. Aber der Fisch steht trotzdem noch – genau wie früher – auf seinem Speisezettel.
"Er schmeckt sehr gut, darum essen wir ihn. Wir kochen das Wasser und wir braten den Fisch."
Der Wanderführer glaubt nicht wirklich, dass Gifte und Bakterien dadurch unschädlich werden. Doch was soll er sonst essen? Der Fisch ist billig und jetzt, wo keine Ausflügler mehr kommen, verdient er kaum Geld. Gott werde seiner Familie schon helfen, meint er.