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"Weltweit einer der wichtigsten Termine"

Am kommenden Sonntag wird die Hannover-Messe eröffnet. Diesjähriges Partnerland der Industrie- und Technologieschau ist Italien. Claudio Scajola, italienischer Minister für wirtschaftliche Entwicklung, sagt, Italien sei überzeugt, dass von der Messe der Beginn eines stärkeren Aufschwungs in Europa ausgehen werde.

Claudio Scajola im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Claudio Scajola wird am kommenden Sonntag einen Termin in Hannover wahrnehmen. Zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle wird der italienische Minister für wirtschaftliche Entwicklung die Hannover-Messe eröffnen. Die Chefin und der Chef der beiden wollten eigentlich diese Aufgabe übernehmen, aber Angela Merkel und Silvio Berlusconi werden in Warschau zu den Trauerfeierlichkeiten für die Opfer des Flugabsturzes von Smolensk erwartet. Die Hannover-Messe findet in finanz- und wirtschaftspolitisch schwierigen Zeiten statt, durch die, zumindest was die Arbeitslosigkeit betrifft, Italien und Deutschland bisher vergleichsweise erträglich hindurchgekommen sind. Italien ist in diesem Jahr Partnerland der Hannover-Messe und ist seit langem einer der wichtigsten Aussteller dieser Industrie- und Technologieschau. Vor der Messe haben wir mit Claudio Scajola gesprochen. Ich habe den Minister für wirtschaftliche Entwicklung gefragt, was der Status Gastland für die italienische Wirtschaft in Zeiten der Krise bedeutet.

    Claudio Scajola: Die Hannover-Messe ist weltweit einer der wichtigsten Termine. Italien ist in diesem Jahr Gastland und wir halten diese Anerkennung für sehr wichtig, denn es handelt sich weltweit um die wichtigste Messe für Industrietechnologie. Wir freuen uns, dass dies gerade in diesem Jahr der Fall ist, in dem der wirtschaftliche Aufschwung beginnt spürbar zu werden. Beide Länder sind starke Exportnationen. Wir verfügen über ähnliche und einander ergänzende Strukturen in unser jeweiligen Wirtschaft. Es sind die beiden wichtigsten produzierenden Wirtschaften Europas. Wir freuen uns und sind überzeugt, dass von der Hannover-Messe der Beginn eines stärkeren Aufschwungs in Europa ausgehen wird.

    Heinemann: Für 110 Milliarden Euro haben Italien und Deutschland im Jahr 2008 Waren ausgetauscht. Es gibt aber auch Enttäuschungen, etwa die gescheiterte Zusammenarbeit zwischen Fiat und Opel. Sind zu viele Vorurteile im Spiel in den Beziehungen zwischen Italien und Deutschland?

    Scajola: Die Sache mit Opel hat für Unverständnis zwischen uns und Deutschland gesorgt. Wir hatten das Gefühl, dass der Staat stark eingegriffen hat, ohne dass die industriellen Vorschläge objektiv beurteilt worden wären. In gewisser Hinsicht hatten wir den Eindruck, dass dem freien Markt und der freien Initiative durch Bedingungen wenig Raum zugestanden wurde. Aber ich glaube, dass es jetzt gut läuft, nachdem Fiat mit Chrysler ein Abkommen geschlossen hat - vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten, denen die gesamte Automobilindustrie gegenübersteht.

    Heinemann: Herr Scajola, der Internationale Währungsfonds unterstützt die Politik der italienischen Regierung zur Bewältigung der Wirtschaftskrise. Er spricht aber auch von einem bescheidenen und zerbrechlichen Aufschwung in Italien und fordert strukturelle Reformen, um das Wachstumspotenzial zu erhöhen. Welche Reformen könnten das sein?

    Scajola: Alle europäischen Institute haben festgestellt, dass Italien schlechter als die anderen in die Krise hineingeraten ist, dass das Land aber auf dem Weg ist, besser als andere europäische Länder herauszukommen. Wir haben die Schwierigkeiten in Griechenland, Portugal, Spanien, sogar in Großbritannien gesehen. Italien hat sich gut gehalten. Die Schätzungen des Wachstums für das erste Trimester 2010 liegen bei 1,2 Prozent. Das ist mehr als der europäische Durchschnitt, der ein Wachstum von 0,9 Prozent ausweist. Wir versuchen, mit allen Mitteln Innovationen zu fördern, um jene Unternehmen zu unterstützen, die ihre Produkte weiterentwickeln. Das machen wir mit Engagement und glauben, dass wir von den Märkten eine positive Antwort erhalten werden.

    Heinemann: Sie haben von der starken Exportorientierung Italiens und Deutschlands gesprochen. Nun hat die französische Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde vorgeschlagen, Deutschland solle mehr konsumieren und seine Ausfuhren drosseln. Halten Sie es für eine gute Idee, dass sich Deutschland zurückhalten soll, weil andere weniger stark sind?

    Scajola: Ich bin ein Verfechter des freien Marktes. Die Regierung Berlusconi ist eine Regierung des freien Wettbewerbs. In der ganzen Welt gilt: jede Art der nationalistischen Aufwallung taugt nicht als Strategie für Entwicklung. Wir können miteinander konkurrieren, wenn wir unsere Eigenschaften in einem freien Markt hervorheben und diesen Ausdruck verleihen können.

    Heinemann: Also ein klares Nein aus Rom auf den Vorschlag von Frau Lagarde?

    Scajola: Ich sage für gewöhnlich nicht Nein an die Adresse anderer, sondern ich pflege das zu sagen, was ich denke.

    Heinemann: Aber Sie befürworten diesen Vorschlag nicht?

    Scajola: Immer wenn ich auf europäischer Ebene zu industriepolitischen Themen Stellung genommen habe, habe ich die Position unserer Regierung verfochten: Nein zum Protektionismus, Ja zu Wachstum und Entwicklung, Nein zu staatlichen Eingriffen, Ja zum freien Wettbewerb.

    Heinemann: "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Ein Gespräch mit Claudio Scajola, dem italienischen Minister für wirtschaftliche Entwicklung. Ratingagenturen haben die Bonität verschiedener Staaten, etwa Griechenlands oder Portugals, wegen hoher Defizite herabgestuft. Besteht ein solches Risiko gegenwärtig auch für Italien?

    Scajola: Die Bewertung Italiens durch den Internationalen Währungsfonds, die OECD und die Europäische Kommission schmeichelt uns: Italien wird Tugendhaftigkeit bescheinigt, auch mit Blick auf die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die wir getroffen haben.

    Heinemann: Sehen Sie denn die Gefahr, dass sich die Spekulation auf weitere Staaten mit Haushaltsproblemen ausweitet, wie Spanien, Irland oder vielleicht auch Italien?

    Scajola: Italien würde ich da ausnehmen, denn, wie ich bereits gesagt habe, handelt es sich um ein starkes und nicht um ein schwaches Land. Ich bin davon überzeugt, dass weiterhin gegen schwächere Staaten spekuliert werden könnte. Deshalb halte ich den europäischen Zusammenhalt, den wir bei der Hilfe für Griechenland gezeigt haben, für fundamental.

    Heinemann: Herr Scajola, befürworten Sie einen Ausschluss von Staaten aus der Euro-Zone, die ihre Haushalte nicht unter Kontrolle haben, wie dies Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeschlagen hat?

    Scajola: Ich bin für eine stärkere Kohäsion der europäischen Wirtschaftspolitiken, um den Zustand der jeweiligen Wirtschaft kontrollieren zu können und um zu verhindern, dass sich weitere Fälle wie Griechenland ereignen können.

    Heinemann: Aber Sie sagen Nein zu einem Ausschluss?

    Scajola: Europa ist ein politischer Faktor und einer der Stabilität im weltweiten Szenarium, nicht nur ein Währungssystem.