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Weltwirtschaftsforum in Davos
Keine Akkreditierung für kritische Wochenzeitung

Am Weltwirtschaftsforum in Davos nehmen nicht nur Entscheiderinnen und Entscheider, sondern auch Medienleute teil. Die Schweizer Zeitung "WOZ" hat auf ihre Bitte um Akkreditierung allerdings eine Absage bekommen - und wirft den Veranstaltern vor, einzelne Medien zu bevorzugen.

Von Thomas Wagner | 20.11.2019
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht beim Weltwirtschaftsforum in Davos am 23. Januar 2019
Angela Merkel beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2019 (imago stock&people)
Angela Merkel war schon da. Donald Trump war ebenfalls da. Und er war auch schon mal da: Yves Wegelin, stellvertretender Chefredakteur der Schweizerischen Wochenzeitung "WOZ". Sein Eindruck als Berichterstatter beim Weltwirtschaftsforum in Davos:
"Interessant ist natürlich, dass man dort ein bisschen einen Puls fühlen kann, den Puls einer Welt, zu der normalerweise man nicht immer den direkten Zugang hat. Man merkt ein bisschen, was die Diskussionen sind und kommt natürlich an Leute heran, mit denen man sicher spannende Interviews machen kann. Es ist eine Welt, die man kritisch begleiten muss – aber auch eine interessante Welt."
Absage wegen verpasstem Anmeldeschluss
Möglicherweise hat Yves Wegelin die Welt, die er beim Weltwirtschaftsforum in Davos erlebt hat, ein wenig zu kritisch begleitet. Die Linie der "WOZ" lässt sich eher links von der Mitte einordnen, die Beiträge fallen gerne auch mal wirtschaftskritisch aus. Dennoch oder gerade trotzdem: Auch beim im Januar 2020 geplanten nächsten WEF, so die geläufige Abkürzung des "World Economic Forums" in Davos, wollte die "WOZ" wieder dabei sein.
"Es ist so, dass wir uns am 30. Oktober, am Morgen, gemeldet haben, beim WEF per Mail mit der Bitte um eine Akkreditierung und wir dann zwei Wochen nichts mehr gehört haben. Am 12. November kam eine E-Mail, dass wir leider den Anmeldeschluss verpasst haben und keine Akkreditierung erhalten."
Veranstalter verweisen auf "Zusammenarbeit" mit Medien
Ende Oktober zu spät dran gewesen für eine Veranstaltung, die am 22. Januar 2020, also über ein Vierteljahr später, beginnt? Die Stichhaltigkeit dieser Begründung sei einmal dahingestellt. Denn zumindest auf der Website findet sich keine festgelegte Akkreditierungsfrist. Yves Wegelin ist vor allem aber der zweite Teil der Begründung bitter aufgestoßen:
"Ein weitere Begründung, und die ist vielleicht noch brisanter, war, dass das WEF Medien bevorzuge, mit denen sie auch das Jahr über zusammen arbeiten, was ich eine eigenartige Vorstellung von Journalismus finde, weil man im Journalismus nicht unbedingt mit Großkonzernen zusammenarbeiten muss, sondern sie vielmehr kritisch befragen."
Journalistenvertreter: "Höchst beunruhigend"
Das sehen auch andere Medienschaffende so. "Ich habe mir gedacht: Das kann doch nicht wahr sein", kommentiert Michael Burkard, Generalsekretär des Schweizerischen Journalisten-Berufsverbandes "Impressum", den ganzen Vorgang.
Bereits 2012 hatte die in Zürich erscheinende "Wochenzeitung" keine Akkreditierung für das Weltwirtschaftsforum bekommen. Die "WOZ" darf nicht zum "WEF" – darin sieht Michael Burkard zwar einerseits noch nicht gleich das Ende der Pressefreiheit eingeläutet.
"Auf der anderen Seite ist der Vorgang natürlich höchst beunruhigend. Wenn das WEF mit dieser Strategie ungeschoren davon kommt, besteht nämlich die Gefahr, dass andere Unternehmungen, die in exponierten Bereichen tätig sind, diese Strategie kopieren und missliebigen Journalistinnen und Journalisten den Zugang beispielsweise zur Generalversammlung oder anderen Informationsanlässen verwehren."
Vorwurf der privaten Willkür
Für Michael Burkard lautet daher die Devise: Wehret den Anfängen – nur: Wie?
"Rechtliche Schritte sind zwar denkbar. Aber weil das WEF formell eine Stiftung nach privatem Recht ist, wären solche langwierig, kostspielig und risikobehaftet. Daher ist es umso entscheidender, dass nicht nur Journalistinnen und Journalisten, sondern auch zivilgesellschaftliche Kräfte und die Politik national wie kantonal diesem privaten Willkürakt entschieden entgegen treten."
Erste Ansätze dazu gibt es bereits, weiß Yves Wegelin, stellvertretender Chefredakteur der "Wochenzeitung": "Es gibt jetzt schon die Ankündigung von gewissen Parlamentariern, die einen Vorstoß lancieren möchten, um dem WEF die öffentliche Finanzierung für die ganzen Sicherheitskosten et cetera zu streichen."
Veranstalter äußern sich nicht
Die Organisatoren des "World Economic Forums" hüllen sich in Schweigen. Eine Anfrage des Deutschlandfunks über das Kontaktformular der WEF-Website blieb ebenso unbeantwortet wie eine E-Mail an den Pressesprecher. Yves Wegelin greift derweil in die Tasten – für einen Artikel über die Medienarbeit des WEF. Man könnte auch sagen: über die "Medien-Steuerungsarbeit".
"Das geht dann soweit, dass gewisse Medien als so genannte Media Leader akkreditiert sind mit speziellem Zugang zu VIP’s. Andere Medien bekommen eine ganz normale Akkreditierung. Und gewisse Medien, wie wir jetzt in diesem Jahr beziehungsweise im nächsten Jahr, erhalten keine Akkreditierung."
Immerhin erhielt das Team der "Wochenzeitung" nach der ersten Welle der Aufregung nach eigenen Angaben ein Schreiben von WEF-Gründer Klaus Schwab. Er stellte für 2022, also für das übernächste Jahr, eine solche Media-Leader-Akkreditierung in Aussicht. Ob man die annehme, sei, so Yves Wegelin, aber noch offen, "weil wir eigentlich der Meinung sind, dass Medien alle denselben Zugang haben sollten bei einer solchen Veranstaltung und wir ein solches Kastensystem bei der Akkreditierungspolitik ablehnen".