Dienstag, 14. Mai 2024

Archiv


Wenig Chancen auf den Frieden

Binnen weniger Tage ist der Konflikt zwischen der radikal-islamischen Hamas und israelischen Armeekräften eskaliert, hunderte Menschen sind bei gegenseitigen Angriffen der Konfliktparteien in und außerhalb des Gaza-Streifens ums Leben gekommen. Zwischen Solidarität palästinensischer Kämpfergruppen untereinander und Wahlkampfüberlegungen im politischen Israel ist eine Ende der Gewaltspirale nicht in Sicht.

Von Peter Philipp | 29.12.2008
    "Israel erlebt jetzt schon seit Jahren Angriffe aus Gaza gegen seine Zivilbevölkerung. Wir haben nichts unversucht gelassen, um in dieser Gegend Ruhe zu bekommen: Israel beschloss, den Gazastreifen zu verlassen, aber wir wurden stattdessen Opfer von Terrorangriffen, und die Lage in Israel verschlimmerte sich. Erst in der letzten Woche wurde Israel aus Gaza angegriffen: An einem Tag wurden rund 80 Mörser und Raketen gegen israelische Zivilisten abgefeuert. Genug ist Genug."

    Die israelische Außenministerin Tzipi Livni beim Versuch zu erläutern, warum Israel seit Samstag mit massiver militärischer Macht Angriffe im Gazastreifen durchführt, wie sie dieser Landstrich am Südostende des Mittelmeeres noch nie erlebt hat: Fast 200 Tote innerhalb einer halben Stunde, mehr als 300 in drei Tagen und etwa 1400 Verletzte wurden von den Palästinensern im Gazastreifen gezählt. In den Krankenhäusern sind die Vorräte zur medizinischen Versorgung der Verwundeten längst zur Neige gegangen, Hilfsgüter werden zwar – selbst von Israel – nach Gaza hineingelassen, sie reichen aber nicht und sollen eher das Image Israels aufpolieren: Dass es nämlich versuche, die Opfer und Leiden unter der Zivilbevölkerung so gering wie möglich zu halten. Im Gegenzug erhofft man sich in Jerusalem weltweites Verständnis für die Militäroperation:

    "Israel erwartet Unterstützung und Verständnis vonseiten der internationalen Gemeinschaft. Die internationale Gemeinschaft weiß, dass Hamas eine extrem-islamistische Organisation ist, die ihren Hass in der gesamten Region verbreitet hat. Sie wird vom Iran unterstützt, und die internationale Gemeinschaft muss verstehen, dass Israel sein Recht auf Selbstverteidigung ausübt, dass keinerlei Alternative besteht und dass wir tun, was zum Schutz unserer Bürger notwendig ist". "

    Die internationale Gemeinschaft aber tut sich schwer, zu verstehen und zu billigen, was derzeit im Gazastreifen geschieht. Abgesehen vom scheidenden US-Präsidenten George W. Bush: Dieser ließ wissen, schuld an der Eskalation sei Hamas. Nicht nur in der Arabischen Welt, auch weltweit kommt es indes zu Protesten gegen das israelische Vorgehen. Der UN-Sicherheitsrat rief beide Seiten zur Einstellung der Gewalt auf, die Arabische Liga will sich mit Gaza beschäftigen, Syrien hat die indirekten Friedensgespräche mit Israel abgebrochen und im Libanon steigt die Spannung: Die islamistische "Hisbollah" solidarisiert sich offen mit Hamas – bisher in öffentlichen Reden, vielleicht aber schon bald mit der Eröffnung einer "zweiten Front".

    Hisbollah und die Libanesen wissen besser als andere, wie es den Menschen im Gazastreifen und Hamas jetzt ergeht: Im Sommer 2006 hatte Israel nach einem ernsten Grenz-Zwischenfall den Befehl zum Angriff gegeben: 1.200 Libanesen, unter ihnen überwiegend Zivilisten, verloren dabei ihr Leben.
    Doch Israel versuchte 34 Tage lang vergeblich, Hisbollah zu zerschlagen, heute sitzt diese als Koalitionspartner in der Beiruter Regierung, ihre Waffenarsenale sind längst wieder aufgefüllt und ihr Prestige in der Arabischen Welt hat deutlich zugenommen.

    Ministerpräsident Ehud Olmert konnte seinen Hals knapp retten. Er ist inzwischen zwar auch Premierminister auf Abruf – wegen einer Korruptionsaffäre – aber bis zu den Neuwahlen im Februar führt er die Amtsgeschäfte weiter – zusammen mit Verteidigungsminister Ehud Barak, dem Führer der sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Ein Freund von starken Worten, der schon bald nach den ersten Luftangriffen am Samstag zugibt, dass dies keine spontane Reaktion auf Raketen aus Gaza ist, sondern der von langer Hand vorbereitete Versuch, Hamas völlig zu entmachten:

    ""Seit einigen Monaten beschäftigen sich die Armee und die Sicherheitsdienste - auf meinen Befehl hin - mit den Vorbereitungen dessen, was heute begann: Der Hamas einen schweren Schlag zu versetzen und die Verhältnisse Zustand von Grund auf zu verändern. Und darauf hinzuarbeiten, dass es aus dem Gazastreifen keine Schüsse oder andere Aktionen gegen die Bürger und Soldaten Israels mehr gibt. Die Operation wird nach Bedarf intensiviert und ausgeweitet."

    Außenministerin Livni spricht von jahrelangem Beschuss aus Gaza, Barak von monatelangen israelischen Angriffsvorbereitungen. Tatsache aber ist, dass bis zum 19. Dezember eine nach mühseliger ägyptischer Vermittlung zustande gekommene sechsmonatige Waffenruhe in Kraft war, während der es keine täglichen Raketenangriffe aus Gaza gab. Wenn es doch vereinzelt dazu kam, dann beschwichtigte man selbst in Jerusalem: Hier handle es sich nicht um die Verletzung der Waffenruhe durch Hamas, sondern um die Tat von Einzelnen oder von kleinen Gruppierungen.

    So wäre es vermutlich auch weiter gegangen, wenn Hamas sich nicht geweigert hätte, die Waffenruhe über die vereinbarten sechs Monate hinaus zu verlängern. Hamas ihrerseits begründete ihre Entscheidung damit, dass sich die humanitäre Situation im Gazastreifen nicht verbessert, nein, im Gegenteil - aufgrund der Blockadepolitik Israels – krass verschlechtert habe. Kurz nach Ablauf der Waffenruhe kam es dann zu einem massiven Raketenbeschuss aus Gaza.
    Das aber führte zu einer Konstellation, die der Explosivität nicht entbehrte: Die potentielle Gefährdung der israelischen Zivilbevölkerung im Süden, die im Wahlkampf wieder aufkommende Kontroverse über den einseitigen Rückzug aus Gaza im Sommer 2005, nicht aufgearbeitete Überbleibsel des Libanonkrieges und der weitgehend gescheiterte Friedensprozess schienen es der Regierung in Jerusalem notwendig zu machen, in Gaza ein "Exempel zu statuieren".

    Mit Hamas hatte man ein "dankbares Objekt" gefunden: "Hamas" (Abkürzung für "Harakat Al-Muqaawama Al-Islamiya" oder "Islamische Widerstandsbewegung") ist heute der entschiedendste Gegner Israels in den besetzten oder autonomen palästinensischen Gebieten. Eine Einstellung, die die Organisation auch nicht leugnet, sondern zu der sie sich in ihrer Charta offen bekennt. Da heißt es etwa zu Beginn:

    "Israel wird bestehen, bis der Islam es beseitigen wird, so wie er es mit seinen Feinden zuvor getan hat."

    Ein Zitat von Hassan el Banna, dem ägyptischen Gründer der Moslem-Bruderschaft, in der die Wurzeln von Hamas zu finden sind. Besonders im Gazastreifen, der von 1948 bis 1967 (mit kurzer Unterbrechung während des Sinaikrieges 1956) unter ägyptischer Verwaltung stand. Der ägyptische Einfluss war hier besonders stark, Ideen wie die der "Muslimbrüder" fielen auf fruchtbaren Boden und vermengten sich mit militanten Widerstandsideologien gegen den Staat Israel, die ihre Wurzeln meist auch im Gazastreifen hatten.

    Israel erkannte dies als Besatzungsmacht nicht und meinte, es könne mit den Islamisten ein Gegengewicht gegen die damals noch militant antiisraelische PLO schaffen. Den Fehler sah man zu spät ein: Bei Ausbruch der ersten "Intifada" – des ersten Palästinenseraufstandes – trat Ende 1987 plötzlich in Gaza und wenig später auch in der Westbank eine neue Gruppe auf, "Hamas", die der PLO das Terrain streitig machte.

    Als Israel und die PLO Jahre später das Oslo-Abkommen aushandelten, da gehörte "Hamas" zu den entschiedendsten Gegnern auf palästinensischer Seite. Dass dies so kommen würde, ja kommen musste, hätte man im Artikel 13 der Charta nachlesen können:

    "Die Islamische Widerstandsbewegung kennt die Parteien auf solchen Konferenzen, kennt ihre Positionen gegenüber den Problemen der Muslime in der Vergangenheit wie in der Gegenwart und glaubt nicht, dass diese Konferenzen geeignet sind, die Rechte der Unterdrückten wiederherzustellen oder ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Diese Konferenzen sind nichts anderes als ein Mittel, die Ungläubigen als Schiedsrichter in der Welt des Islam einzusetzen. Seit wann aber sind die Ungläubigen gerecht gegenüber den Gläubigen?"

    Hamas begann bald, mit einem "politischen" und einem "militärischen" Flügel zu operieren. Der politische Flügel sollte den politischen Einfluss in der palästinensischen Gesellschaft verstärken. Dort war in der Folge von Oslo eine Autonomieverwaltung eingerichtet worden unter Führung der PLO und 1996 kam es zum ersten Mal auch zu Wahlen. Hamas war noch nicht bereit, bei diesen Wahlen anzutreten, weil das in ihren Augen einer Anerkennung von Oslo – und damit auch Israels - gleichgekommen wäre.

    Zur Teilnahme an Wahlen fand sich Hamas erst im Januar 2006 bereit – zwei Jahre nach Arafats Tod. Inzwischen war viel geschehen: Der militärische Zweig von Hamas hatte Terroranschläge gegen überwiegend zivile israelische Ziele intensiviert und war zu einem gefährlichen Gegner während der "Al-Aqsa Intifada" geworden, dem zweiten Palästinenser-Aufstand. Und auch Israel hatte Hamas immer stärker ins Visier genommen und begonnen, die Organisation durch die gezielte Ermordung ihrer Führer zu schwächen:

    So hatte die israelische Armee nicht nur den Hamas-Gründer, Sheikh Yassin, in Gaza beim Verlassen einer Moschee ermordet , sondern auch einen Monat später seinen Nachfolger Abdel Aziz a-Rantisi, ebenso eine ganze Reihe anderer prominenter Vertreter der Organisation. Die Führung von "Hamas" wurde immer mehr von Khaled Mashal von Damaskus aus übernommen, Mitbegründer der Organisation und seit 1996 Leiter ihres Politbüros. Auch er steht auf der israelischen "Hitliste": Schon 1997 versuchten israelische Agenten Mashal in der jordanischen Hauptstadt Amman auf offener Straße zu ermorden.

    Mashal ist längst der prominenteste Sprecher von Hamas und er meldet sich aus dem für ihn relativ sicheren Damaskus immer wieder zu Wort. Wie auch jetzt nach den ersten israelischen Angriffen:

    "Wir haben nicht eure militärische Stärke. Das Kräfteverhältnis fällt zu euren Gunsten aus. Wir machen uns da nichts vor, die Realität ist uns hinreichend bekannt. Aber am Ende werdet Ihr mit dem Ergebnis nicht zurechtkommen. Das ist das erste. Zweitens: Auf den Straßen Palästinas und der Arabischen Welt wissen die Menschen, dass wir uns vor den Wahlen in Israel in einer Zeit der Radikalisierung befinden. Jeder israelische Führer aber, der glauben sollte, dass das Blut, das in Gaza vergossen wird, die Möglichkeit offenbart, im zionistischen Gebilde an die Macht zu kommen, der leidet an einem Trugschluss. Gaza ist für die zionistischen Führer der Weg, der zum Selbstmord führt."

    Die Wahlen in Gaza vom Januar 2006 wurden für Hamas überraschend zum vollen Erfolg: Begünstigt durch ein regionales Wahlsystem, mehr aber noch durch die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Korruption und Vetternwirtschaft der PLO-Führung, gewann Hamas 74 der 132 Parlamentssitze und löste damit die bislang führende "Fatah" ab, die bis zuletzt siegessicher gewesen war.

    Der Schock war groß: in den Reihen der PLO-Anhänger, in Israel und im Ausland. Besonders da: Obwohl das Ausland immer demokratische Wahlen gefordert hatte und diese Wahlen tatsächlich frei und demokratisch gewesen waren, war man nun aber nicht bereit, das Ergebnis zu akzeptieren. Es sei denn, Hamas verabschiede sich von ihrer radikalen Ablehnung Israels und erkenne die Oslo-Verträge als Grundlage eines Friedensprozesses an.

    Die Hamas-Regierung unter Ismail Haniyeh, einem ehemaligen Berater von "Hamas"-Gründer Yassin, war dazu nicht bereit: Die Charta der Bewegung blieb unverändert, man sprach allerdings von der Bereitschaft zu einer längeren – vielleicht sogar mehrjährigen - Waffenruhe mit Israel und war auch bereit, eine Waffenpause aus dem Jahr 2005 über die Wahlen hinaus aufrechtzuerhalten. Kurz nach Amtsantritt erklärte Haniyeh in einem Interview mit der "Washington Post", für eine Anerkennung der Rechte der Palästinenser durch Israel sei Hamas bereit, mit Israel zu verhandeln. Haniyeh machte aber auch klar, wo er und seine Organisation grundsätzlich stehen. Etwa am 6. Oktober 2006:

    "Wir werden Israel nie anerkennen, wir werden es nie anerkennen, wir werden es nie anerkennen ... "

    Israel seinerseits hatte den Gazastreifen im Sommer 2005 verlassen, und es war besonders beunruhigt, dass gerade dort nun eine Hochburg der Hamas entstand. Die grundsätzlich unverändert radikale Haltung von Hamas und Raketenangriffe auf Israel aus Gaza zunächst durch andere Gruppen führten zu einem Ende der Waffenruhe und immer schärferen Blockade-Maßnahmen vonseiten Israels. Vor allem aber: Zu massiven Militäraktionen Israels im Gazastreifen. Ihr Ziel war, Raketenangriffe zu stoppen und den Nachschub an Waffen und Munition für Hamas und andere Gruppen zu unterbinden. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Die Lage für die Menschen in Gaza verschlechterte sich indes zunehmends.

    Im Frühsommer 2007 mündete all dies auch noch in einen offenen Bruderkampf zwischen "Hamas" und der "Fatah" von Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas. Nach kurzen, heftigen Kämpfen übernahm "Hamas" im Juni 2007 den Gazastreifen. In der Westbank herrscht seitdem Abbas mit einer eigenen Regierung, in Gaza ist die Macht von Hamas bisher ungebrochen. Der Westen stellt sich hinter Abbas, weil dieser für den Friedensprozess eintritt. Dies nützt ihm freilich nicht viel, denn Israel unterstützt ihn nicht, sondern untergräbt seine Stellung mit dem verstärkten Bau von Siedlungen in der Westbank, der Aufrechterhaltung der massiven Sperranlage und endlosen Schikanen und Behinderungen im Alltag. Weitere Probleme bleiben ungelöst – wie die Zukunft Jerusalems oder die Frage der Flüchtlinge. Versuche des Auslands, sogar Washingtons, den Friedensprozess wiederzubeleben, scheitern sämtlich. Zuletzt die Vereinbarung von Annapolis vom November 2007, bis Ende 2008 eine Regelung zwischen Israel und den Palästinensern herbeizuführen.

    Die Voraussetzungen für eine solche Regelung wären aber auch denkbar schlecht gewesen: Die USA befinden sich in einem Interregnum, in Israel stehen Neuwahlen an und bei den Palästinensern ist die Machtfrage weiterhin offen.

    Die Eskalation zwischen Israel und Gaza erschwert eine Regelung erst recht. Mahmoud Abbas, auf Besuch in Saudi-Arabien, hat zwar Hamas die Verantwortung für die Entwicklung gegeben, weil sie die Waffenruhe nicht verlängert und mit Raketenangriffen auf Israel begonnen habe, solche Erklärungen sind heute aber nicht populär in der Arabischen Welt. Auch nicht in der Westbank. Dort demonstrieren Jugendliche gegen die israelischen Angriffe. Mehr aber noch verdeutlichen die Worte eines Mannes die Stimmung, der zu den Unterhändlern von Oslo gehörte. Ahmed Qurei oder "Abu Ala":

    "Ohne jeden Zweifel ist das ein Verbrechen, das palästinensische Zivilisten und palästinensische Unschuldige zum Ziel hat. Und das ist typisch für die Hässlichkeit der israelischen Verbrechen."

    Aber auch zwischen Israel und die wenigen Araber, die Frieden mit ihm geschlossen haben, könnte nun ein Keil getrieben werden. In vorderster Front steht dabei Ägypten. Kairo hatte sich – mehr noch als Saudi-Arabien und Qatar - vermittelnd im Streit zwischen Hamas und Fatah eingeschaltet, vor allem aber hatte es die Waffenruhe der letzten sechs Monate zwischen Hamas und Israel herbeigeführt. Von Beirut bis Damaskus, von Teheran bis Amman fordern nun Demonstranten und Vertreter radikaler Gruppen, Ägypten für seine vermeintliche Kooperation mit Israel gegen die Palästinenser zu bestrafen. Selbst in den Straßen Kairos sind solche Forderungen zu hören, Außenminister Abu al-Gheit, sieht hingegen in Hamas den Schuldigen für die jüngste Entwicklung:

    "Tatsache ist, dass es Vorzeichen und Hinweise gab, dass es eine militärische Antwort geben würde. Immer wieder hat Ägypten über lange Zeit hinweg gewarnt, und wer zu dumm war, diese Warnung zu verstehen, der muss nun auch die Verantwortung dafür tragen."

    Für die politische Haltung Kairos können drei Gründe angeführt werden: Erstens fühlt man sich an den Friedensvertrag mit Israel gebunden. Zweitens ist man längst schon frustriert darüber, dass Hamas sich bei allen Vermittlungsversuchen quergestellt hat und drittens gibt es in offiziellen Kreisen am Nil keinerlei Sympathie für die Ideologie, für die Hamas eintritt: Hamas wird ebenso abgelehnt wie die Moslembrüder in Ägypten – aus deren Reihen Hamas ja hervorgegangen ist.

    Hamas lässt sich durch Kairos ablehnende Haltung nicht beeindrucken. So stellt Ismail Haniyeh in Gaza fest, dass er auch von Ägypten aktive Hilfe erwartet. Sogar eine Beendigung der Zusammenarbeit zwischen Kairo und Jerusalem:

    "Ich sage unseren arabischen und ägyptischen Brüdern: Das mindeste, was Ihr jetzt nach diesem hässlichen Blutbad tun solltet, ist die Blockade zu beenden und den Grenzübergang zu öffnen. Die Zeit ist gekommen, das Sicherheitsbündnis mit den Besatzern aufzulösen und das politische Bündnis mit der Besatzung. Die Zeit ist gekommen, die Partnerschaft mit denen zu stärken, die standhaft sind und Widerstand leisten."

    Solche Worte werden in Kairo kaum die erhoffte Wirkung erzielen. Aber sie verdeutlichen, dass die Führung von Hamas herzlich wenig vom politischen Geschäft versteht. So wie sie sich selbst und die Einwohner von Gaza mit ihrer harten Linie schon wiederholt ins Unheil getrieben hat

    Israels Ministerpräsident Ehud Olmert nutzt die Gelegenheit, sich doch noch als entschlossener und tatkräftiger politischer Führer zu zeigen. Ihm persönlich wird das nichts mehr nützen, weil er bei den Wahlen nicht mehr antritt, Oppositionsführer Benjamin Netanjahu aber sieht in der Entwicklung in Gaza eine Chance. Er war gegen den Rückzug aus Gaza, er kritisierte die angeblich zu schlaffe Haltung der Regierung, jetzt unterstützt er – erwartungsgemäß - die harte Linie:

    "Es gibt einen Zeitpunkt für Meinungsverschiedenheiten und einen Zeitpunkt für Einheit. Heute ist die Zeit der Einheit. Wenn unsere Feinde dachten, dass wir uns unter ihrem Raketenfeuer nicht einigen würden, dann irren sie sich. Die Kanonen dröhnen und wir sind geeint."

    Die Eskalation der letzten Tage fordert nicht nur ihre Opfer in Gaza, sie wird auch politische Opfer in der Region fordern. Sie könnte auch in Israel innenpolitisch ihre Spuren hinterlassen und Netanjahu zum Wahlsieg verhelfen. Der aber hat bereits in der Vergangenheit als Regierungschef bewiesen, dass eine Friedensregelung mit ihm kaum vorstellbar ist. So mag durchaus sein, dass Hamas militärisch geschlagen wird, die Chancen auf Frieden in der Region dadurch aber nicht größer werden.