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Weniger Acrylamid in Kartoffelchips

Nachdem vor zehn Jahren auf zu hohe Acrylamidgehalte in Kartoffelchips aufmerksam gemacht wurde, hat die EU-Kommission einen Grenzwert eingeführt. Eine Studie zeigt, dass die Werte seitdem gesunken sind. Werden eingelagerte Kartoffeln verarbeitet, steigt der Wert jedoch. Grund dafür ist der höhere Zuckergehalt in der Knolle.

Von Volker Mrasek | 26.08.2013
    Die Ausgangsstoffe, aus denen Acrylamid entsteht, kommen ganz natürlich in Kartoffeln vor.
    Die Ausgangsstoffe, aus denen Acrylamid entsteht, kommen ganz natürlich in Kartoffeln vor. (picture alliance /dpa/Romain Fellens)
    Über 40.000 Laborergebnisse werteten die britischen Agrarforscher für ihre neue Studie aus. Es sind Daten über die Belastung von Kartoffelchips mit dem potenziellen Krebsgift Acrylamid. Erhoben wurden sie in 20 europäischen Ländern und das seit 2002 - dem Jahr, in dem Spuren der Substanz erstmals in Lebensmitteln nachgewiesen wurden.

    Die Situation hat sich offensichtlich gebessert, wie Nigel Halford schildert. Der Molekularbiologe arbeitet am Agrarforschungszentrum Rothamsted Research nördlich von London und ist zugleich Professor für Agrarwissenschaft an der Universität Nottingham:

    "Unsere Studie zeigt ganz klar: Die Maßnahmen, die die Hersteller ergriffen haben, um den Acrylamid-Gehalt in Kartoffelchips zu vermindern, waren effektiv. Wir sehen, dass die Konzentrationen bis 2011 im Schnitt um die Hälfte abgenommen haben. Und es sieht so aus, als ob dieser Trend weiter anhält."

    Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu einem Report der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA. Sie hatte kürzlich berichtet, der Acrylamid-Gehalt in Chips sei nicht erkennbar zurückgegangen und bezog sich dabei auf die Jahre 2007 bis 2010. Allerdings flossen in den EFSA-Report auch nur etwas mehr als Tausend einzelne Messdaten ein. Damit erklärt Nigel Halford die unterschiedlichen Ergebnisse:

    "Wir hatten wesentlich mehr Daten zur Verfügung. Deshalb gehen wir davon aus, dass unsere Ergebnisse der Realität entsprechen."

    Die EU-Kommission hat einen Interventionswert eingeführt. Er liegt bei einem Millionstel Gramm Acrylamid pro Gramm Lebensmittel. Hersteller, deren Produkte darüber liegen, sind aufgefordert, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Auch hier zeigt die Studie einen positiven Trend. Vor gut zehn Jahren übertraf noch jede fünfte Probe Kartoffelchips diese Schwelle - 2011 waren es nur noch drei Prozent.

    Ein Teil der Messergebnisse stammt auch von Chips für den deutschen Markt. Doch wie hoch die Acrylamid-Gehalte in den einzelnen Ländern waren, kann Nigel Halford nicht sagen:

    "Die Daten wurden von den Herstellern seit 2002 gesammelt, und der europäische Dachverband der Snack-Industrie hat sie uns komplett zur Verfügung gestellt - allerdings nicht nach Ländern aufgeschlüsselt. Das wurde vertraulich behandelt. Aber Deutschland ist auf jeden Fall auch dabei!"

    Das Problem mit Acrylamid ist: Die Ausgangsstoffe, aus denen es entsteht, kommen ganz natürlich in Kartoffeln vor. Es handelt sich um bestimmte Eiweiß-Bausteine und Zucker in den Pflanzenzellen. Werden Kartoffeln gebraten, bildet sich daraus unweigerlich Acrylamid.

    Das gilt im Übrigen auch für Getreidekörner und Kaffeebohnen. Neben Kartoffelchips und Pommes frites sind Brot und Kaffee die Lebensmittel, über die Verbraucher das meiste Acrylamid aufnehmen. Doch für die Hersteller ist es heute möglich, die Konzentrationen zu senken:

    "Es gibt verschiedene Möglichkeiten im Herstellungsprozess. Man kann den pH-Wert absenken, Zitronensäure hinzufügen, einige der Zucker entfernen oder Antioxidationsmittel zusetzen. Man muss aber auch sehen: Wichtige Eigenschaften wie Farbe, Geruch und Aroma entstehen auf ganz ähnlichen Reaktionswegen wie Acrylamid. Das Ganze ist also eine knifflige Sache! Man kann Acrylamid durchaus um 50 bis 90 Prozent reduzieren. Aber nicht vollständig!"

    Ein weiteres Ergebnis der Studie ist bemerkenswert. Kartoffelchips enthalten in den ersten Monaten des Jahres offenbar mehr Acrylamid als in der zweiten Jahreshälfte - im Durchschnitt sogar fast doppelt so viel. Das liegt daran, dass ab Juli frisch geerntete Kartoffeln zu Chips verarbeitet werden. Bei ihnen entsteht am wenigsten Acrylamid. Kartoffeln, die gelagert werden, enthalten dagegen mehr und mehr Zucker - und daraus hergestellte Chips am Ende auch mehr Acrylamid.

    Verbrauchern raten die britischen Forscher zu einer ausgewogenen Ernährung, also dazu, nicht übermäßig viel Chips zu essen. Wobei noch immer nicht wirklich sicher sei, ob von Acrylamid-Spuren in Kaffee, Getreide-und Kartoffelprodukten tatsächlich eine Gesundheitsgefahr ausgehe. Die Risikobewertungen seien noch immer nicht abgeschlossen.