Durak: Was ist denn den Öffentlich-Rechtlichen, ARD und ZDF zu empfehlen, wie sie die drohenden Mindereinnahmen kompensieren könnten?
Beck: So weit sind wir noch nicht. Wir werden über ein Konzept reden, das jetzt auf dem Tisch ist, das eben geschildert worden ist. Aber innerhalb dieses Konzeptes wird noch eine Menge zu diskutieren und auch zu modifizieren sein, denn natürlich wird man darauf achten müssen, dass - ich will ein Beispiel herausgreifen - ein Großbetrieb, der sich über ein Stadtviertel erstreckt, nicht genauso behandelt wird wie ein Handwerksmeister, der mit zwei Auszubildenden arbeitet. Da wird man schon darauf achten müssen, dass die Dinge dann auch zum Nutzen hin orientiert angemessen gestaltet werden. Aber insgesamt ein Stück der "Schnüffelei", die in den bisherigen Gebührenordnungen festgelegt ist, zurückzunehmen, das ist schon vernünftig, denn die Frage dann letztendlich zu untersuchen, ist denn ein Student, der noch im elterlichen Haus lebt, wenn er vorübergehend einige Monate in den Semesterferien jobbt, schon mit einem eigenen Einkommen versehen und muss er dann sein Fernsehgerät, sein Radiogerät eben anmelden, darüber muss man sicher reden können und das muss sicher verändert werden. Ich glaube, dass auch niemand ernsthaft wollen kann, dass PCs eines Unternehmens, die dienstlich, die beruflich als Rechner genutzt werden, die durchaus in Zukunft geeignet sein können, Radio- und Fernsehsendungen zu empfangen, generell der Gebührenpflicht unterliegen. Darauf suchen wir eine Antwort und da ist dieser Maßstab, der sich stärker an der Familie, am Haushalt orientiert, als Grundlage glaube ich richtig.
Durak: Bleiben wir noch mal beim Konsumenten und kommen dann zu ARD und ZDF zurück, Herr Beck. Hier wird auch irgendwie geplant, die Unschuldsvermutung sozusagen umzudrehen. Wer kein Gerät besitzt sollte dann eine Erklärung darüber abgeben, um nicht unter eine Art Sondersteuer zu fallen, oder?
Beck: Eine Steuer ist es nicht. Darauf müssen wir sorgfältig achten, weil eine Steuer zu erheben, das würde ich mit unserer Art, Gebühren zu finden, und damit auch mit der Unabhängigkeit letztendlich von Rundfunk und Fernsehen nicht für in Einklang zu bringen halten. Aber insgesamt glaube ich darf man auch in der heutigen Zeit davon ausgehen, dass es im Regelfall bis auf ganz wenige Ausnahmen niemand mehr gibt, der nicht irgendein Gerät hat, das zum Empfang von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Fernsehen in der Lage ist, sei es jetzt ein PC oder sei es ein klassisches Fernseh- oder Hörfunkgerät.
Durak: Sie geben mir das Stichwort: irgendein Gerät. Nun gibt es ja auch noch Leute, die haben entweder einen Fernseher oder nur ein Radio. Die Trennung soll aufgehoben werden. Bleibt es dabei?
Beck: Dabei sollte es glaube ich bleiben, weil auch dort gibt es ganz, ganz wenige Ausnahmefälle, die nur ein Radiogerät beispielsweise haben und keinen Fernseher, weil über die meisten Fernsehgeräte ja auch Hörfunkprogramme empfangbar sind. Insoweit denke ich, wir sollten uns nicht an diesen absoluten Ausnahmen festmachen - die sollten eben einer besonderen Erklärung des betreffenden unterliegen -, sondern uns am Regelfall orientieren. Dort gibt es sicher noch einige Antworten zu finden, um diese Befürchtung von ARD und ZDF aufzuheben, dass die Gebührenausfälle allzu groß sein könnten.
Durak: Herr Beck, wo sehen Sie denn die Grenzen für die Ausweitung der Angebote der Öffentlich-Rechtlichen unter dem finanziellen Gesichtspunkt, denn was neu und zusätzlich produziert wird, muss ja auch finanziert werden?
Beck: Das ist richtig. Ich glaube, dass wir im wesentlichen die Grenzen, was die Angebote von Fernsehprogrammen, die Angebote von neuen Hörfunkprogrammen angeht, erreicht haben. Aber es muss sicher so sein, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten sich beteiligen können an der technologischen Entwicklung. Das heißt eben, dass bestimmte Spartenentwicklungen mit verfolgt werden können und müssen, dass man darüber hinaus bestimmte technische Entwicklungen, meinetwegen interaktive Aktionen, die auch teilweise über das System Fernsehen, teilweise über das System Internet gesteuert werden können, mitzumachen in der Lage ist, also Doppelangebote, die aber zu einer bestimmten interaktiven Form gehören, angeboten werden müssen. Also es geht darum, die technische Entwicklung mitverfolgen zu können. Das ist das ganz entscheidende, also nicht ein Einfrieren der Öffentlich-Rechtlichen, so dass die Zukunft an ihnen vorbeimarschiert.
Durak: Hat das ganze dann noch etwas mit dem öffentlich-rechtlichen Informationsauftrag zu tun?
Beck: Ja natürlich. Ich denke wenn beispielsweise eine Fernsehsendung, nehmen wir eine Wissenschaftssendung, angeboten wird im klassischen Fernsehen, dies dann zu begleiten mit vertiefenden Informationen, mit der Möglichkeit, auch zu diskutieren übers Internet, das glaube ich ist eine Form, die geradezu prädestiniert ist, öffentlich-rechtlich gestaltet zu werden.
Durak: Und woher soll das Geld kommen? Würden Sie den Anstalten dafür mehr Geld zur Verfügung stellen?
Beck: Dafür muss dann auch Geld zur Verfügung gestellt werden.
Durak: Wer gibt das?
Beck: Wir haben entschieden, dass die Internet-Beteiligung eben nicht über Werbung finanziert werden darf, um den öffentlich-rechtlichen Charakter zu erhalten und nicht falsche Konkurrenzen aufzumachen. Dann muss umgekehrt eben die Gebühr diese Aufgabe mitdecken.
Durak: Das heißt die Gebühr wird doch erhöht?
Beck: Nein, nicht direkt. Wir werden darüber reden müssen, wenn die nächste Gebührenperiode ansteht. Wir haben jetzt für die nächsten fünf Jahre noch eine laufende Gebührenperiode.
Durak: Dann müssten also die Anstalten andere Programmangebote reduzieren?
Beck: Das sehe ich nicht so. Ich sehe es so, dass man einfach schauen muss, wie sich der Markt entwickelt. Niemand kann derzeit sagen, ob die Vollprogramme stärker im Vordergrund bleiben oder ob eine gewisse Verspartung stattfinden wird. Wenn dies stattfinden wird und wenn die Zuschauer, die die Generation unserer Enkel darstellen, dies eher bevorzugen, dann kann nicht öffentlich-rechtliches Fernsehen oder öffentlich-rechtlicher Hörfunk einfach die alten Strukturen beibehalten. Dann muss man diesen möglicherweise veränderten Formen folgen dürfen. Darum geht es. Sonst würden wir hier ja einen absterbenden Ast haben.
Durak: Können denn die ARD-Anstalten und auch das ZDF einfach munter weitere Programme installieren und dafür Geld verlangen?
Beck: Da gibt es eine Rechtslage, die das Bundesverfassungsgericht geschrieben hat, dass eine gewisse Freiheit der Sender da ist. Aber einfach Geld verlangen, da ist eben der Punkt. Es wird immer Grenzen geben müssen und die muss man erkennen. Ich glaube, dass die Grenzen, was die Größe, die Breite des Angebots angeht, erreicht sind. Wir müssen uns auf die Qualität und auf technologische Entwicklungen in erster Linie konzentrieren und eine mögliche Veränderung in der Art, wie Programme geboten werden. Mit der Digitalisierung wird das Stichwort "interaktiv" eine stärkere Rolle spielen.
Durak: Kurt Beck, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder. - Schönen Dank, Herr Beck, für das Gespräch!
Beck: Gerne geschehen! Auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio