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Weniger Spenden in Corona-Krise
Angst vor Bankrott

Weil Gottesdienste in Corona-Zeiten ausfallen, fehlt es an Spenden. Jedenfalls in jenen Kirchen oder Religionsgemeinschaften, für die der Staat keine Steuern einzieht. Etwa für viele Freikirchen. Doch vor allem muslimische Gemeinden fürchten die Pleite.

Von Kirsten Dietrich |
Ein Besucher der Saarbrücker Stiftskirche steckt einige Münzen in den Klingelbeutel.
Die Klingelbeutel bleiben leer (picture alliance / dpa / Werner Baum)
Gemeindefinanzierung in Corona-Zeiten – das erfordert besonderes Augenmaß, sagt Michael Gruber, Pressesprecher des Bundes evangelisch-freikirchlicher Gemeinden in Deutschland, in dem rund 800 Gemeinden vertreten sind:
"Bei allen größeren Ausgaben schauen wir genau: Muss das jetzt sein? Vielleicht kann man es auf später verschieben. Auch Nachbesetzung freier Stellen nehmen wir zur Zeit nicht vor, wir warten damit auf einen späteren Zeitpunkt."
Freikirchen setzen auf Überweisungen
Der Gemeindebund, zu dem hauptsächlich Baptisten- und Brüdergemeinden gehören, könnte als Körperschaft öffentlichen Rechts seine Mitgliedsbeiträge auch als Kirchensteuer mit staatlicher Unterstützung einziehen lassen, verzichtet aber bewusst darauf – er will Staat und Kirche getrennt halten. Die gesamte Gemeindearbeit wird also mit Spenden finanziert.
"Die meisten Spenden kommen in der Regel durch feste Überweisungen jeden Monat von vielen, von den meisten Mitgliedern, die das so machen. Kollekten spielen eine untergeordnete Rolle. Aber wenn die wegfallen, dann ist das auch nicht zu vernachlässigen."
Diese Situation sei bei vielen Freikirchen auch außerhalb seines Verbandes ähnlich, schätzt Michael Gruber. Auch wenn einige evangelikale Hilfswerke Kurzarbeit angemeldet haben: So richtig spürbar werde die Corona-Krise erst mit Verzögerung werden – dann, wenn es wahrscheinlich längst schon wieder Gottesdienste gibt.
"Wir gehen davon aus, dass die Gemeinden die Corona-Krise in ihren Haushalten spüren werden. Wir gehen auch davon aus, dass, je größer die Wirtschaftskrise wird, desto mehr Einfluss hat das auf Spenden, denn wenn Gemeindemitglieder wirtschaftliche Probleme bekommen, durch Kurzarbeit oder weil Aufträge wegfallen, dann können sie auch weniger spenden."
"Die Herausforderung ist die Finanzierung der Räume"
Viel direkter sind die Auswirkungen in den sogenannten Migrationskirchen spürbar: also in Gemeinden, deren Hauptsprache nicht Deutsch ist. Das Spektrum dieser Gemeinden ist weit – von den verschiedenen orthodoxen Nationalkirchen bis zu diversen afrikanisch-pfingstlerischen Gemeinden. In diesen Gemeinden läuft fast alles über die Präsenz im Gottesdienst.
"Das Interessante ist bei den ganzen Migrationsgemeinden: Viele von denen sind eigentlich ständig unterfinanziert. Da ist es so, dass die Pastoren meist selber berufstätig sind, dass sie Geld verdienen müssen, und dann noch nebenher die Gemeinde leiten."
So die Einschätzung von Andrea Meyerhoff. Sie versucht mit dem Verein "Gemeinsam für Berlin", diese Gemeinden zu vernetzen.
"Diese freien Gemeinden haben oft keine Angestellten, die sie voll finanzieren, von daher ist der Einbruch der Spenden nicht ganz so dramatisch."
Meyerhoff beobachtet durch die Unterbrechung der direkten Kontakte sogar so etwas wie eine Neuorganisation in manchen Gemeinden.
"Die haben immer so gelebt, dass die Leute, wenn sie in den Gottesdienst kommen, geben sie ihre Kollekten ab, da erleben einige, dass plötzlich da auch ein Umdenken stattfindet, dass Mitglieder anfangen, ihr Geld zu überweisen – einige Pastoren sagen: Das ist ja super, das hilft uns total, wenn da auch Umdenken stattfindet. Das ist ein interessanter Nebeneffekt."
Wenn es überhaupt einen nennenswerten Etat gibt, dann umfasse der vor allem Mietkosten.
"Die Herausforderung im Moment ist die Finanzierung der Räume, aber auch da ist so, dass viele in Kirchengemeinden untergekommen sind, in deutschen evangelischen und katholischen Kirchen, da laufen Gespräche, dass die Mieten gestundet werden, oder dass man nicht zahlen muss, so dass sie einfach finanziell das nicht so schlimm erleben, wie man denken könnte."
Moscheegemeinden brauchen Spenden
Diese Möglichkeit haben muslimische Gemeinden in der Regel nicht. Es sind vor allem Moschee-Gemeinden, denen das religiöse Versammlungsverbot an die Substanz geht.
"Gerade, wenn man die 30 Tage Ramadan zur Verfügung hat, hat man die Möglichkeit, gemeinsames Fastenbrechen zu veranstalten. Da kann man sagen: Bitte spendet für dieses oder jenes Projekt, und der Hauptfaktor ist das Eid-Gebet, das Festgebet zu Ende Ramadan, wo wir immer um die tausend Menschen haben, die unsere Arbeit unterstützen durch Spenden. Das ist es, was dieses Jahr wegbrechen wird."
 Eid al-Fitr Gebet in der DITIB-Moschee in Köln.
Das Eid-Gebet zum Ende des Ramadan ist für gewöhnlich gut besucht (Getty Images / Anadolu Agency / Mesut Zeyrek)
Sagt Iman Andrea Reimann. Sie ist Vorsitzende des Deutschen Muslimischen Zentrums in Berlin, macht dort vor allem deutschsprachige Bildungsarbeit.
"Unser Haushalt hängt schon davon ab. Wir haben eine Miete, die wir gut über Mitgliedsbeiträge stemmen können, aber alles, was darüber hinaus anfällt, ist dann nicht machbar. Deswegen brauchen wir Spenden."
Ähnlich wie bei den freien christlichen Gemeinden gilt auch für die Moscheevereine: Wer sowieso alles durch ehrenamtliche Arbeit trägt und nicht mit Hauptamtlichen, spürt auch den Spendenausfall nicht so stark. So formuliert es zum Beispiel der Liberal-Islamische Bund. Wer dagegen Kosten für Imame und noch Mieten tragen muss, gerät gerade in eine echte Finanzkrise. Manche Moscheevereine platzieren Spendenaufrufe prominent auf ihren Homepages. Die Schura Hamburg, ein Zusammenschluss verschiedener islamischer Gemeinschaften, formuliert durchaus dramatisch:
"Wir sollen gewiss sein: Wenn nach dieser Krise eine Moschee schließen muss, dann wird Allah uns am Tage der Auferstehung fragen, warum wir unserer Pflicht nicht nachgekommen sind."
Beiträge kommen vor allem von den Älteren
Aber das ist in der Praxis gar nicht so einfach. Denn für viele ist das Spenden traditionell eng verbunden mit dem realen Besuch in der Moschee, sagt Meho Travljanin, Vorsitzender des islamischen Kulturzentrums des Bosniaken in Berlin:
"Wir müssen klar sagen: Wenn wir das anschauen, dann sind Gemeindemitglieder, die Beiträge zahlen, eher ältere Personen. Und die Älteren, das ist bisschen durch die Mentalität bedingt, dass sie dieses physische Bedürfnis haben, in die Moschee zu kommen und dann ihre Beiträge zu bezahlen."
Und wenn die Moschee geschlossen ist, dann fallen damit auch die Beiträge weg. Auch für die bosnische Moscheegemeinde von Meho Travljanin ist die Situation deshalb schwierig – und dabei müssen sie nicht einmal Miete bezahlen, weil sie die Gemeinde- und Moscheeräume vor Jahren gekauft haben.
"Wir haben Personalkosten, wir haben wie viele deutsche Unternehmen unsere Imame und Seelsorger und natürlich auch Hausmeister – wir haben Kurzarbeitergeld beantragen müssen, weil wir überhaupt nicht in der Lage sind, irgendwas zu machen, weil die Räume zu sind."
Auch der Corona-Krisenzuschuss von 5000 Euro, den in Berlin auch gemeinnützige Vereine beantragen konnten, helfe da nur für eine gewisse Zeit weiter.
"Wir hoffen und beten zu Gott, dass wir als Gesellschaft so schnell wie möglich aus dieser Situation herauskommen."