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Wenn Athen nicht liefert, "gibt es kein neues Geld"

Der Besuch Angela Merkels in Athen sei "ein freundschaftliches Signal der Diplomatie" gewesen, sagt Markus Söder (CSU). An der Beschlusslage habe sich aber nichts geändert: "Es gibt kein Aufweichen, kein mehr Geld oder eine Verlängerung der Zahlungsziele", so der bayerische Finanzminister. Man müsse nun den Troika-Bericht abwarten.

Markus Söder im Gespräch mit Dirk Müller | 10.10.2012
    Dirk Müller: Ist der Europagedanke wichtiger als die Stabilität des Euro, wichtiger als die Eurozone? Ist finanzielle Stabilität und Wohlstand weniger wichtig, als sich von der Idee der europäischen Einheit tragen und führen zu lassen' Und gibt es Alternativen zu kostspieligen Rettungsaktionen? Fragen, die die Kritiker seit Monaten stellen, Fragen, die die Kanzlerin nicht weiter beeindrucken. Angela Merkel will an Griechenland festhalten, ist solidarisch mit der Regierung. Das hat sie gestern bei ihrem Besuch in Athen wieder ganz, ganz klar gemacht. Dabei werden die Indikatoren immer schlechter: eine tiefe Rezession, immer weniger Arbeitsplätze, immer weniger Investitionen in Griechenland. – Am Telefon ist jetzt Markus Söder, bayerischer Finanzminister (CSU). Guten Morgen!

    Markus Söder: Guten Morgen, grüß Gott.

    Müller: Herr Söder, wann stoppt die CSU die Kanzlerin?

    Söder: Es geht jetzt mal darum, einen Troika-Bericht abzuwarten. Ich fand den Besuch gestern schon ein gutes Signal, ein gutes Signal in zweierlei Richtung: einerseits natürlich ein freundschaftliches Signal der Diplomatie, auch was die menschliche Seite betrifft, aber auch keine Zusagen in Bezug auf eine Auflockerung beispielsweise der Auflagen, die gemacht werden müssten von Seiten Griechenlands. Also es bleibt dabei: Griechenland muss die Bedingungen erfüllen und Griechenland hat das selber auch zugesagt, dass sie es machen wollen. Insofern gar kein schlechtes Ergebnis.

    Müller: Das haben die Griechen immer gesagt, dass sie es machen wollen; gemacht haben sie es meistens noch nicht.

    Söder: Das ist am Ende dann auch genau der Punkt, auf den es ankommt. Wir haben auf der einen Seite die Zielvorstellungen, die Wünsche, die politischen Aussagen, und am Ende müssen sie eben auch ökonomisch belastbar sein, und es wird jetzt am Ende zu sehen sein, ob dies auch tatsächlich eintrifft.

    Müller: Troika-Berichte, das sind auch immer Anlässe zu potenziellen Magengeschwüren. Wie oft haben Sie die denn nach den Troika-Berichten, die wir alle schon gesehen und gehört haben, bekommen?

    Söder: Na ja, ich bin gesund und da habe ich jetzt keine Probleme. Das muss man am Ende auch relativ vernünftig und sachgerecht beurteilen. Das Problem ist ja: IWF, Weltbank attestieren der griechischen Wirtschaft, dem griechischen Staatswesen kein gutes Bild, eher sogar ein sehr, sehr schlechtes, wohl das schlechteste mit im ganzen Euroraum, und deswegen müssen am Ende auch da die Signale kommen. Es reicht jetzt auch nicht, am Ende immer nur kurzfristige Pakete zu schnüren; man braucht eine langfristige Therapie, einen langfristigen Staatsaufbau, ein State Building, wie es genannt wird von der Weltbank, und da müssen dann die Signale auch kommen. Es wird schwierig sein, dass Griechenland dies erfüllen kann. Wir werden jetzt sehen, was der Troika-Bericht bringt, und dann muss man entscheiden. Ich hoffe auch, dass dieser Troika-Bericht auch ehrlich ist und transparent ist und nicht politisch gestaltet wird.

    Müller: Also immerhin haben Sie Hoffnung. Das heißt, es gibt auch Zweifel daran?

    Wissing: Na ja, die Skepsis ist groß. Es geht jetzt allerdings weniger um Hoffnung und Skepsis, sondern es geht am Ende um eine sachgerechte Bewertungsgrundlage. Es gibt kaum einen Ökonomen, der Griechenland tatsächlich zutraut, seine Probleme selber zu lösen, so wie es gestern der griechische Regierungschef genannt hat. Da gibt es kaum einen, der das sagen kann. Es gibt viele Politiker, die das wollen. Man muss auch sehen, dass meiner Meinung nach der Verbleib in der Eurozone noch nicht die Frage allein ist, wie es mit der EU weitergeht und Griechenland, denn wir haben ja nun eine Reihe von EU-Partnern – denken Sie an Polen, denken Sie an England -, die nicht in der Eurozone sind und trotzdem Freunde und wichtige Partner in der EU. Also man muss das auch auf Dauer sauber trennen. Jetzt jedenfalls warten wir auf diesen Troika-Bericht. Wie gesagt, meine Hoffnung ist nicht sehr groß.

    Müller: Die Kanzlerin hat ja gestern in Athen deutlich gemacht, wir wollen euch unbedingt halten. Sie hat ja weniger auch von den Bedingungen und Konditionen gesprochen, soweit wir das zumindest erfahren haben. Sie bleiben bei Ihrer Position, über die wir auch vor einigen Wochen hier im Deutschlandfunk an dieser Stelle geredet haben, Griechenland kann auch ausscheiden?

    Söder: Nun, es ist geltende Beschlusslage, dass Griechenland Bedingungen erfüllen muss, denn ohne die Bedingungen gibt es kein neues Geld. Das ist geltende Beschlusslage, und das ist am Wochenende noch mal klar gemacht worden vom Bundesfinanzminister, auch von der Kanzlerin, von allen Beteiligten, von der EZB, von Herrn Asmussen, klar gemacht worden: es gibt kein Aufweichen, kein mehr Geld oder eine Verlängerung der Zahlungsziele. Also wird man am Ende sehen, was rauskommt. Werden die Bedingungen erfüllt, dann ist es okay; werden sie nicht, dann muss man entscheiden.

    Müller: Ist das realistisch, dass die Kanzlerin und auch der Finanzminister so weit gehen würden zu sagen, auf Wiedersehen Athen?

    Söder: Das weiß ich nicht. Am Ende kommt es ja auch darauf an, was die Alternativen sein werden. Man darf ja nicht vergessen: wir bekommen ja auch von deutscher Seite her oder an deutscher Seite auch Warnungen, Warnungen von Ratingagenturen, Warnungen der internationalen Finanzmärkte, die sagen, passt mal auf, dass da keine Ansteckungsgefahren entstehen, dass die Haftungen so groß werden, dass, wenn sie dann gezogen werden, auch für Deutschland nicht nur Konjunktur- sondern wirkliche Finanzschwächen entstehen können. Und deswegen haben wir ein europäisches, aber wir haben natürlich immer auch ein nationales Interesse daran.

    Müller: Sind Sie etwas zurückhaltender, vorsichtiger geworden?

    Söder: Nein. Die Sachlage hat sich überhaupt nicht verändert. Die Problemstellung ist ja genau die gleiche. Jetzt sind wir mal ganz ehrlich: es hat sich seit den vergangenen Monaten an Hoffnungen und Skepsis gar nichts geändert. Eher sogar ist es düsterer geworden, denn fast alle die Prognosen über den Zustand der griechischen Volkswirtschaft, wenn wir über den Zustand des griechischen Staates reden müssen, die sind mehr als zurückhaltend geworden. Was positiv ist, ist der Wille der griechischen Regierung. Das ist positiv. Aber die muss sich halt letztlich dann auch in Fakten niederschlagen.

    Müller: Der Internationale Währungsfonds hat ja in einem jüngsten Papier, in einem jüngsten Statement noch einmal klar gemacht, die Zielvereinbarungen, die man mit Griechenland getroffen hat, die können niemals eingehalten werden, zumindest auch nicht in der vorgesehenen Zeitleiste. Wäre denn Europa im Sinne Europas oder im Sinne der Eurozone bereit, da ein bisschen entgegenzukommen?

    Söder: Na ja, also der IWF ist Teil der Troika. Deswegen wird man auch sehen, was dieser Troika-Bericht dann aussagt. Möglicherweise ist der gar nicht einheitlich. Das ist dann allerdings eine schwierige Spanne der Bewertung, die man dann vornehmen muss, sollte es unterschiedliche Akzente der Teilnehmer des Troika-Berichtes geben. Ich bin gespannt darauf, den muss man auch sehr genau lesen und dann auch entsprechend auswerten. Man muss auch schauen, wie der langfristige Weg ist. All diese ganzen Maßnahmen, die getroffen werden, Anleihekäufe durch die EZB, weitere Hilfspakete zu machen, sind doch alles nichts anderes als Schmerzmittel. Wir brauchen eine langfristige Therapie an der Stelle und die muss auch glaubhaft sein, und da ist Anlass zur Skepsis durchaus berechtigt. Weil man muss ja letztlich eines sehen: Es geht ja auch um die Zukunft des gesamten Kontinents, und dem gesamten Kontinent ist nicht geholfen damit, dass wir an ein, zwei Stellen immer wieder Zugeständnisse machen, die sich dann nach fünf, sechs Wochen überholt haben. Aber es bleibt jetzt einfach mal abzuwarten. Insofern fand ich den Besuch gestern gut, weil er noch mal ein Signal gesetzt hat, man wartet jetzt ab. Aber er hat auch kein Signal gesetzt, dass sich irgendwas ändert an den Grundbedingungen. Das fand ich sehr positiv.

    Müller: Die Frage, Herr Söder, war ja, ob Sie auch bereit wären, ob die CSU bereit wäre, das mitzutragen, zu sagen, also gut, ihr bekommt ein halbes Jahr, ein Jahr oder zwei Jahre länger Zeit, um zurückzuzahlen?

    Söder: Also es gibt hier bislang keinen, der diese Formulierung auch in Europa aufgestellt hat, auch die Bundesregierung nicht. Warum sollte das die CSU dann machen.

    Müller: Aber über die Streckung wurde doch in Brüssel weitreichend diskutiert.

    Söder: Also alle Signale jetzt vor dem Griechenlandbesuch und auch die offiziellen Statements gehen alle in eine klare Richtung, nämlich dass die Bedingungen einzuhalten sind.

    Müller: Aber Sie sagen ja manchmal schon Dinge, die die anderen noch nicht wissen, und Sie sagen manchmal Dinge, oder wollen das zumindest sagen, was kommen wird. Das heißt also, der Plan B, der liegt in der Schublade und der wird dann kommen?

    Söder: Also ich bin kein Prophet, wenn Sie das jetzt ansprechen. Da müsste ich dann jetzt nicht in dieser Aufgabe hier sitzen, da würde ich dann was anderes machen. Ganz im Ernst: Ich glaube, am Ende wird man ohnehin für den gesamten Euroraum noch überlegen müssen, wie es weitergeht. Sie haben ja ohnehin noch andere Herausforderungen. Sie haben die Herausforderung Spanien nach wie vor. Sie wissen auch übrigens am Ende gar nicht, wie sich Frankreich weiterentwickeln wird. Deshalb: ich glaube nicht, dass wir jetzt schon alles abhaken können und sagen können, jetzt, wenn Griechenland seine Bedingungen annähernd erfüllt hat, dann ist schon alles geregelt. Das glaube ich nicht. Ich denke, wir haben in der Eurozone noch manche Herausforderung zu bestehen.

    Müller: Nun ist ein CSU-Politiker ja auch immer Sozialpolitiker. Wenn Sie jetzt an Stelle der Kanzlerin nach Griechenland gefahren wären, hätten dort alles vor Ort sehen können, mit eigenen Augen, die hohe Arbeitslosigkeit, die Verzweiflung der Menschen, das fehlende Wachstum, die fehlenden Investitionen, diese fehlende Perspektive für das Land, in den nächsten Jahren wieder nach vorne zu kommen. Wenn jetzt jemand behauptet – und viele Ökonomen tun das ja -, die Politik der Eurozone hat Griechenland kaputt gemacht, kaputt gespart, ist da inzwischen zumindest etwas dran?

    Söder: Also wenn ich dann umgekehrt Fernsehberichte sehe, Medienberichte sehe, wie griechische Milliardäre ihren Urlaub auf Mykonos verbracht haben, aber fast 20 bis 30 Milliarden, also genau so Summen, um die es jetzt bei Hilfspaketen geht, außerhalb des Landes gebracht haben, dann würde ich als sozial denkender Mensch und vor allem als Finanzminister, der für Steuern zuständig ist, vor allem denken, holt euch doch die Steuern von den Leuten, die an eurem Land am meisten verdient haben.

    Müller: Das hören die Griechen ja seit Monaten, dass sie das machen sollen. Warum machen die das nicht?

    Söder: Ja das ist die Frage, die man in Griechenland stellen muss. Die kann jetzt nicht von Deutschland aus beantwortet werden.

    Müller: Hat die Kanzlerin das gestern verlangt?

    Söder: Das weiß ich nicht, ich war ja nicht dabei. Aber ich glaube, zum Beispiel das ist eine Frage, die auch die Griechen sich selber stellen. Es gibt da unterschiedliche Seiten. Natürlich ist es so: in dem Moment, wo du das größte Volumen eines Landes, nämlich die Steuern derer, die auch am meisten im Land verdient haben, zulässt, dass sie nicht zahlen müssen, dann hast du natürlich ein Problem in dem Land. Deswegen ist die Kernfrage nach wie vor ein effizientes Staatswesen. Das zu unterstützen, ist eine gute Sache, das hat die Kanzlerin gestern gemacht, um ein Staatswesen zu unterstützen, das endlich die Minimalaufgaben, die es zu erfüllen hat, auch erfüllen kann.

    Müller: Kann Griechenland ohne ein Konjunkturprogramm, milliardenschwer, ohne einen Marshall-Plan auf die Beine kommen?

    Söder: Griechenland bekommt ja jedes Jahr ein milliardenschweres Konjunkturprogramm durch die EU-Zahlungen. Griechenland ist der drittgrößte Nettoempfänger der EU, kriegt über fünf Milliarden Euro jedes Jahr, unabhängig von der Eurozone. Das ist ein großes Programm.

    Müller: Hat ja nichts gebracht!

    Söder: Dann ist aber die Frage zu stellen, warum bringt das nichts, ob das Geld versickert. Aber die Frage muss auch wieder zunächst in Griechenland beantwortet werden und nicht in Deutschland.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der bayerische Finanzminister Markus Söder. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Söder: Danke!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.