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Wenn Dämme dem Klima schaden

Umweltwissenschaftler der Universität Koblenz-Landau haben entdeckt, dass deutsche Flüsse enorme Mengen Methan enthalten. Vor allem in der Nähe von Staudämmen sammeln sich große Vorkommen des starken Treibhausgases und entweichen in die Atmosphäre. So auch in der Saar.

Von Volker Mrasek |
    Es begann im Sommer 2010 mit einer ungewöhnlichen Messkampagne. Elf Tage lang schipperten Forscher auf einem Hausboot die Saar hinunter.

    "Es war die billigste Variante. So konnten wir uns einerseits das Hotel sparen. Und konnten gleichzeitig sehr lange arbeiten."

    Andreas Mäck war die ganze Zeit an Bord. Er ist Doktorand am Institut für Umweltwissenschaften an er Universität Koblenz-Landau.

    "Die Saar ist ja auf den unteren 96 Kilometern ausgebaut zur Bundeswasserstraße. Und dort waren wir überall."

    Bis heute ist der Geoökologe regelmäßig auf der Saar unterwegs – inzwischen allerdings nicht mehr im Haus-, sondern im Schlauchboot. Dabei haben Andreas Mäck und einige Kollegen mehrfach Messgeräte im Fluss installiert. Es sind schwimmende Trichterfallen für Methan. Das Gas entsteht durch Faulprozesse in den Ablagerungen am Grund der Saar, im Fluss-Sediment. Und zwar insbesondere an den Staustufen. Die Forscher hatten den Verdacht, dass dort ziemlich viel Methan entweichen könnte.

    "Jeder Fluss transportiert auch Material, zum Beispiel Blätter, die reinfallen. Und solange die Strömungsgeschwindigkeit sehr hoch ist, wird das Material einfach weitertransportiert. Aber wenn man nun einen Staudamm errichtet, dann verbreitert man meistens den Querschnitt, und man staut das Wasser auf. Also, die Strömungsgeschwindigkeit nimmt ab, und somit können viele Partikel herabrieseln. Dort hat man dann zum Teil auch meterdicke Sedimentschichten. Und dort wird dann das Material abgebaut. An der Saar ist das hauptsächlich unter sauerstofffreien Bedingungen. Und dabei entsteht dann sehr stark Methan."

    Wie viel Methan aus der Saar in die Luft entweicht, ist dabei erstaunlich. Andreas Lorke, Professor für Umweltphysik am Hochschulstandort Landau:

    "Also, in den Tropen weiß man das schon lange. Was neu ist, ist, dass das auch hier mitten in Europa, wo man das nicht in diesem Ausmaß erwarten würde, passiert. Es gibt ja nicht diese großen Stauseen, wie sie in den Tropen errichtet wurden, wo große Gebiete überschwemmt werden und dann ganze Wälder im Prinzip unter Wasser verfaulen."

    Und dennoch produziert auch die Saar ähnlich viel Methan, wie die Messungen im Fluss zeigen. Das geschieht konzentriert an den Staudämmen. Dort steigt Methan in blubbernden Gasblasen auf. So wie in einem Fahrstuhl, der es schnell nach oben befördert. Nur deshalb entweicht das Methan in die Atmosphäre. An anderen Stellen des Flusses diffundiert es nur sehr langsam durch die Wassersäule und wird dabei fast vollständig in Kohlendioxid umgewandelt.

    Beide – Methan und CO2 – sind zwar Treibhausgase, aber:

    "Methan hat ein 25-fach höheres Treibhauspotenzial als Kohlendioxid."

    Das macht die ganze Sache für Andreas Mäck und die anderen Forscher so interessant.

    "Wir haben uns natürlich gefragt: Ist die Saar ein Einzelfall? Und um das zu sehen, sind wir auch noch in andere Flüsse gefahren. Zum Beispiel waren wir am Main, haben uns dort zwei Staustufen angeguckt. Und an der einen Staustufe lag sehr wenig Sediment. Dort hatten wir kaum Gasblasen. Während wir an der anderen Stufe genau das gleiche Bild hatten wie an der Saar. Also auch enorm hohe Emissionsraten, sehr viele Gasblasen und auch viel Sediment. Wir haben im Winter niedrigere Raten, während wir jetzt, wo es gerade wieder wärmer wird, sehr hohe Emissionsraten haben."

    Stauhaltungen an Flüssen und Seen werden als Quellen des Treibhausgases Methan offenbar unterschätzt. Das folgert Andreas Lorke aus den neuen Befunden:

    "60 Prozent aller großen Flüsse auf der Welt sind ausgebaut. Und es werden gigantische Mengen an Sediment zurückgehalten, die dann als Methan in die Atmosphäre gelangen. Würden sie ins Meer transportiert werden, würden sie kaum als Methan in die Atmosphäre gelangen. Sie würden zu CO2 unter aeroben Bedingungen abgebaut werden."

    Also unter Bedingungen, bei denen Sauerstoff vorhanden ist.

    Wie könnte man das Problem lösen? Sedimente auszubaggern sei keine gute Idee, sagen die Landauer Forscher. Dabei würde erst recht Methan frei. Wäre es denn vielleicht möglich, das Gas aufzufangen und als Energieträger zu nutzen? Andreas Mäck hält das durchaus für erwägenswert:

    "Wir haben auch gesehen, dass 90 Prozent der Emissionen aus nur 15 Prozent der Fläche kommen. Also, es sind wirklich sehr kleine Bereiche, die sehr viel emittieren, während der große Rest eigentlich fast nichts ausmacht."

    Ob die Methan-Mengen aber ausreichen, damit sich eine energetische Nutzung lohnt, und wie die technisch überhaupt zu bewerkstelligen wäre - das müsste laut Andreas Lorke erst einmal geklärt werden.

    "Aber es ist vielleicht eine Sache, über die man nachdenken könnte."