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Wenn das Handy mit dem Herd spricht

Ein Kühlschrank, der einem das Kochbuch vorliest und darauf achtet, dass beim Herd die Pfanne nicht zu heiß wird: Daran tüftelt der Forschungsbund "Connected Living" der Technischen Universität Berlin. Er will die Verkabelung von Haushaltstechnik fördern.

Von Jens Rosbach | 19.02.2010
    Florian Weingarten steht in der Küche und will Lammkoteletts zubereiten. Doch verflixt - wie lautet noch mal das Rezept dafür? Weingarten fragt seinen Küchenschrank. Der Schrank fragt zurück:

    "Hast Du zwei Knoblauchzehen?"

    "Das System fragt mich jetzt: Hast Du zwei Knoblauchzehen? Und ich kann dem System antworten: Habe ich! Und wir kommen zur nächsten Zutat:"

    "Hast Du Kräuterbutter?"

    Ob Kräuterbutter, Paprika oder Majoran - der Schrank kennt alle Ingredienzien. Und auch alle Kochanweisungen. Denn im Möbelstück steckt ein Computer - und oben, unter der Küchendecke, befinden sich zwei Lautsprecher. Der Hobbykoch spricht in ein Headset.

    "Das heißt, ich muss jetzt nicht im Kochbuch die ganze Zeit nachlese, und ich habe hier die Hände frei, die sind ja unter Umständen schmutzig. Ich möchte natürlich nicht meine Geräte damit bedienen, an mein Hightech hier gehen, und überall irgendwelche Spuren hinterlassen."

    Weingartens Kommunikationspartner, der Küchenschrank, hat in seiner Tür einen Touchscreen. Dieser Bildschirm ist wiederum mit dem Herd verkabelt und zeigt die Temperatur der Bratpfanne an.

    "Achten Sie dabei darauf, dass die Pfanne heiß genug ist!"

    Florian Weingarten ist Designer und brutzelt in einer Musterwohnung der Technischen Universität Berlin, dem Sitz des Forschungsprojektes Connected Living. Der 30-Jährige und seine Kollegen entwickeln und testen die Verkabelung von Heimtechnik. Informatiker Andreas Rieger, der "Hausherr" der Musterwohnung, erklärt das Forschungsziel: mehr Bedien-Komfort - und weniger Energieverbrauch.

    "Also heutzutage ist es ja so, dass der Stromzähler im Keller sitzt und dass der Kunde nur einmal im Jahr eine Abrechnung seines Stromverbrauchs bekommt. Das heißt, ihm fehlt die nötige Transparenz, warum er wie viel Strom verbraucht hat. Und durch die Heimvernetzung kann man sich zum Beispiel vorstellen, dass der Kunde auf seinem Mobiltelefon oder auf seinem Fernseher Informationen darüber bekommt, wie viel Strom er aktuell verbraucht, wie viel Strom einzelne Geräte verbraucht haben. Und er kann dadurch dazu beitragen, dass er den Energieverbrauch seiner Geräte senkt."

    Komfort, Energieeinsparung - den Wissenschaftlern geht es auch um mehr Sicherheit. Das Paradebeispiel: die glühende Herdplatte, die nicht ausgeschaltet wurde und eine Warnmeldung auslöst. Schließlich geht es auch um die Gesundheit. So wurde in der Musterwohnung der TU Berlin neben Küche, Wohn- und Arbeitszimmer auch einen Fitnessraum vernetzt. Hier strampelt sich - zu Testzwecken - Informatiker Paul Zernicke auf einem Ergometer ab. Zernicke trägt am Handgelenk eine Manschette, die Puls, Temperatur und Blutsauerstoff misst - und an einen Computer überträgt. Der PC steuert wiederum das Ergometer.

    "Das System kann automatisch die Gänge des virtuellen Fahrrades so schalten, dass man genau in dem Pulsbereich bleibt, den man auch trainieren soll. Und das System kümmert sich automatisch darum, die Belastungen genau so einzustellen, dass man genau in dem Pulsbereich fährt, der für einen persönlich berechnet optimal ist."

    Ob Haushalts- oder Fitnesstechnik - das Innovationszentrum Vernetztes Leben will neue Standards setzen. Buchstäblich. Sollen nämlich Geräte verschiedener Hersteller miteinander kommunizieren, müssen Normen festgelegt werden. Softwareexperte Mathias Runge klagt, bislang gebe es kaum Schnittstellen für einen Datenaustausch.

    "Ein abstraktes Beispiel wären Konsumelektronikprodukte, wie der Fernseher. Dieser kann zum Beispiel nicht kommunizieren mit einer Waschmaschine. Man kann also nicht bequem auf dem Sofa mal überprüfen, wie weit ist meine Waschmaschine, kann ich da schon hin und das ausräumen. Und da ist jetzt das Ziel, diese Geräte alle zusammen zu vernetzen, alle zusammen zu bringen."

    Connecting Living bietet gute Voraussetzungen für neue Technikrichtlinien. Denn an dem Forschungszentrum wirken nicht nur Wissenschaftler der TU Berlin beziehungsweise Experten eines Fraunhofer-Instituts. Beteiligt sind auch 21 Unternehmen - etwa aus der Energie-, Haushaltstechnik- oder Versicherungsbranche. Das Zentrum arbeitet als Verbund, als Verein.

    "Ja, das Innovationszentrum ist ein Verein, weil wir eine gewisse Neutralität auch ausstrahlen wollen. Wir möchten ja als gemeinnütziger Verein Standards setzen, Standards entwickeln, Standards erweitern, um die dann auch gemeinnützig zu Verfügung zu stellen."

    Der Forschungsverein finanziert sich zum einen über die Mitgliedsbeiträge der Unternehmen. Zum anderen sponsert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit das Projekt. Die Firmen wollen in Kürze untereinander Kooperationsverträge abschließen - und so konkrete Vernetzungsideen bis zur Marktreife entwickeln. Das meiste ist noch geheim, aber in vier bis sechs Wochen sollen der Öffentlichkeit erste Abkommen präsentiert werden. Der Connected-Living-Verbund will anregen, koordinieren - und dafür sorgen, dass die Technikhersteller nicht mehr im eigenen Saft schmoren.

    "Achten Sie dabei darauf, dass die Pfanne heiß genug ist."