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Wenn das Wasser nur noch tröpfelt

Umwelt. - Nur drei Prozent des weltweiten Wassers sind genießbares Süsswasser. Ein wichtiger Speicher dafür sind die Hochgebirge. Und in dieser Funktion stehen sie derzeit auf der Jahrestagung der Europäischen Geowissenschaftlichen Union in Wien im Rampenlicht.

Von Dagmar Röhrlich | 15.04.2008
    Wären die Alpen, die Anden oder der Himalaya nicht so hervorragende Wasserspeicher, dann hätte die Erde noch sehr viel mehr Wüsten und Halbwüsten als ohnehin schon. Selbst die Niederländer litten unter extremer Wasserknappheit. Weltweit hängt die Hälfte der Menschen vom Wasser aus den Bergen ab.

    "Wenn man von den Stauseen absieht, wird Wasser in den Gebirgen auf zwei Weisen gespeichert. Da sind zum einen natürlich die Gletscher, zum anderen ist da der Schneefall. Der Schnee speichert die Niederschläge des Winters und gibt sie bei der Schneeschmelze im Frühling und Frühsommer wieder ab."

    Philip Mote von der University of Washington in Seattle. Im Westen der USA stammen rund 70 Prozent des Flusswassers aus den winterlichen Schneefällen, und ohne diese Flüsse wäre die Gegend dort öde, fast unbewohnbar. Im tropischen Südamerika sind 100 Millionen Menschen auf das Wasser aus den Anden angewiesen. Allerdings sind dort Schnee und Gletscher unbedeutend, erklärt Wouter Buytaert von der University of Bristol:

    "In tropischen Regionen wie Kolumbien oder Ecuador, aber auch Äthiopien speichern die Berge das Wasser in sehr hoch gelegenen Feuchtgebieten. Sie sind wie Schwämme aufgebaut, die Niederschläge aufsaugen und zuverlässig und gleichmäßig wieder abgeben."

    Anderswo in Äquatornähe übernehmen Wälder diese Rolle. Eine globale Karte über die hydrologische Nutzung der Gebirge, die Daniel Viviroli von der Universität Bern zusammengestellt hat, belegt unsere Abhängigkeit:

    "Je trockener die Klimazone ist, umso wichtiger werden eigentlich die Berge. Die Berge liefern insbesondere in trockenen Klimazonen sehr zuverlässigen Abfluss, insbesondere in den Sommermonaten, wenn er wichtig ist für die Tiefländer."

    Außerhalb der feuchten Tropen liefern die Gebirge durchschnittlich drei- bis fünfmal mehr Wasser an, als man es aufgrund ihrer Fläche erwarten würde. Vor allem in den Subtropen mit ihrem ausgeprägten Wechsel zwischen Regen- und Trockenzeiten geht nichts ohne sie. Beispiel Indus:

    "Das ist eigentlich ein Halbwüstengebiet, wo der Indus hindurch fließt, und der Indus wird vom Himalaja zum großen Teil gespeist von diesen zuverlässigen Abflüssen, und ermöglicht eigentlich im Tiefland dann, in diesem Halbwüstengebiet, eine Landwirtschaft, wie sie ohne Gebirge eigentlich nicht möglich wäre."

    Schon heute zählen sieben Prozent der Gebirge zu so genannten Hotspot-Zonen: Teile der Rocky Mountains etwa, Südafrikas oder Afghanistans. Ohne die Wasserspeicher Berge wären die Zustände in den umgebenden Tiefländern katastrophal:

    "Wir haben heute aus den Gebirgsregionen diese sehr wichtigen Schneeschmelzabflüsse in den Monaten April bis Juni und dann die Gletscherschmelze anschließend. Und mit der Klimaänderung ist anzunehmen, dass sich diese Schneeschmelze früher in das Jahr zurück verlagert und damit eben auch diese sehr ausgleichende Wirkung auf die Tiefländer in den Sommermonaten bedroht wird."

    Die Lage wird sich durch den Klimawandel zuspitzen: Dann werden auch die Alpen zu diesen Hotspots gehören, so wie insgesamt 44 Prozent aller Bergregionen. Besonders kritisch wird es in Gebieten, in denen Klimawandel, Bevölkerungsanstieg und ein starker Wasserverbrauch der Landwirtschaft aufeinander treffen:

    "Wenn wir schauen zwischen 30 Grad Nord und Süd, da haben wir heute etwa 70 Prozent der Weltbevölkerung, und noch einen größerer Anteil des zukünftigen Bevölkerungswachstum. Und wenn wir da schauen, müssen wir natürlich berücksichtigen, dass diese Bevölkerung auch ihren Nahrungsmittelbedarf decken muss, und die Nahrungsmittel werden natürlich zum großen Teil über Wasser gespeist, und da wird sich der Druck auch auf diese Gebirgsregion erhöhen."

    Das gilt auch für Alpen, wo Landwirtschaft, Tourismus und Kunstschneeproduktion die Lage verschärfen, erklärt Carmen de Jong vom Hochgebirgsinstitut der Universität von Savoyen. Die Auswertung lokaler Messdaten über den ganzen Alpenraum hinweg belegen, dass sich die Menschen selbst den Wasserhahn abdrehen:

    "Das hat halt direkte Auswirkungen auf die Landwirtschaft, auf die Qualität vom Obstanbau, Walnuss-Anbau, aber auch indirekte Effekte, zum Beispiel, dass die Quellen, das Tränken des Viehs auf den Almen im Sommer gefährdet ist, so sehr gefährdet, dass früher eben die Bauern ihr Vieh direkt aus den Quellen tränken konnten, und jetzt gezwungen werden, das Wasser in Tanks mit Traktoren von den Tälern hochzufahren, auf die Alm hochzufahren."

    So nimmt in Kärnten die Erneuerungsrate des Grundwassers seit einem halben Jahrhundert stetig ab – und dieses Wasser wird fehlen. Dass uns die Gebirge auch noch im Jahr 2050 als Wassertürme dienen, ist eher unwahrscheinlich. Darunter wird besonders der Mittelmeerraum leiden, dessen Wasserversorgung fast vollständig von den Hochlagen abhängt. Im Libanon liefern die Flüsse schon heute fast nur noch halb so viel Wasser wie vor 50 Jahren.