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Wenn die Elektronik spinnt

Die fortschreitende Miniaturisierung elektronischer Komponenten birgt neben vielen Vorteilen ein gravierendes Problem: unerwünschte elektromagnetische Felder. Je kleiner die Strukturen sind, desto leichter können sich von außen elektromagnetische Strahlung in die Systeme einkoppeln. Immer wieder vermuten Autofahrer, ihr Wagen sei stehen geblieben, weil Elektrosmog den Motor außer Gefecht setzt. Weil Elektronik immer häufiger alltägliche gleichzeitig aber hochsicherheitsrelevante Gegenstände steuert, steigen die Anforderungen an Schutzmaßnamen. Besonders augenscheinlich wird dies im medizinischen Bereich: Herzschrittmacher und Beatmungsmaschinen sollten nun wirklich nicht durch irgendwelche Störfelder aus dem Takt geraten. Beispiele zeigen, wie Wissenschaftler die Elektromagnetische Verträglichkeit erreichen wollen.

Von Mirko Smiljanic | 14.11.2004
    Autobahn A8, Stuttgart - München, wenige Kilometer vor der Anschlussstelle Sulzemoos. Mäßiger Verkehr an diesem Mittwochvormittag. Der Fahrer des BMW 320 D fährt auf der Überholspur, 160 Kilometer pro Stunde, trockene Fahrbahn.
    Etwa 1.000 Meter vor ihm taucht ein Sattelschlepper auf, während in Gegenrichtung einige LKW ein "Elefantenrennen" austragen. Der Fahrer des BMW und gibt Gas, kraftvoll beschleunigt der Motor, 190 Kilometer pro Stunde zeigt der Tacho, als er den Sattelschlepper erreicht. Im selben Moment kommt ihm auf der Gegenfahrbahn ein 40-Tonner entgegen. Für den Bruchteil einer Sekunde befindet sich der BMW zwischen beiden Brummis und gerät fast in eine Katastrophe: Schlagartig setzt der Turbo seines Motors aus, der Wagen bremst rapide ab. 120 Kilometer pro Stunde, 110 Kilometer - Gas geben hilft nicht. Hinter ihm rasen schnellere Wagen heran, die Situation wird brenzlig. Nur mit Mühe kann er hinter den Sattelschlepper einscheren und auf dem Standstreifen anhalten.

    Wenn die Elektronik spinnt - Die Risiken Elektromagnetischer Strahlen. Ein Feature von Mirko Smiljanic.

    Der BMW-Fahrer auf der A 8 hatte Glück im Unglück. Immerhin, stellten Fachleute fest als sie den eigentümlichen Vorfall untersuchten, hat nur der Turbo ausgesetzt und nicht der komplette Motor. Als Ursache diagnostizierten sie eine elektromagnetische Unverträglichkeit. Elektrische Geräte in beiden LKW haben elektromagnetische Felder ausgestrahlt, die in ihrer Intensität und Kombination das Motormanagement des BMW aus dem Takt brachten. Wie genau und warum, weiß allerdings niemand. Sicher ist nur, dass dieses Phänomen in verschiedenen Varianten immer wieder vorkommt.


    Es gibt Beispiele, wo es gerade im Zusammenhang mit dem Airbag Probleme gegeben hat. Diese elektromagnetischen Phänomene, die von außen eingebracht werden, das sind auf der einen Seite so etwas wie das Mobiltelefon, aber auch ganz normale statische Entladungen. Sie kennen das, wenn Sie aus dem Auto aussteigen und das Fahrzeug vielleicht noch einmal anfassen, dann gibt es einen kleinen Funken zwischen Ihrem Finger und der Tür, und so etwas kann prinzipiell auch im Inneren des Fahrzeuges passieren, und bei einem Hersteller hat es dazu geführt, dass eine solche Entladung an der richtigen Stelle im Lenkkopf angewendet dann dazu führte, dass der Airbag herausgekommen ist.

    Professor Holger Hirsch arbeitet an der Universität Duisburg-Essen im Fachbereich Elektrotechnik. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Elektro-magnetische Verträglichkeit - kurz EMV - in Autos. Elektrische Geräte - von der schlichten Kaffeemaschine über Radios, Handys bis hin zu Motoren und Computern - produzieren elektromagnetische Felder. Diese Felder wandern entweder über die Anschlusskabel oder über die Luft nach außen. Treffen diese Störsignale nun auf andere elektrische Geräte - etwa den Bordcomputer eines PKW - können sie sich in dessen Elektronik einkoppeln und sie im schlimmsten Fall lahm legen. Das ist kein neues Phänomen, aber eines, das immer wichtiger wird: Die Zahl elektronisch gesteuerter Funktionen im Auto steigt ständig und damit auch das Gefahrenpotenzial. Die Autoindustrie hat das erkannt und Schutzmaßnahmen eingeleitet. Während etwa normale Küchenmaschinen einer Störspannung von zwei Volt pro Meter standhalten müssen, sind es beim PKW bis zu 200 Volt pro Meter.

    Sie müssen sich vorstellen, wenn Sie unter einer Kurzwellen- und Mittelwellensendeanlage durchfahren, wo normalerweise Fahrzeuge überhaupt nicht mehr zugelassen sind, dort haben Sie diese hohen Feldstärken, die dann teilweise schon zu Sprüheffekten an den Kanten des Fahrzeugs führen können.

    Störspannungen von 200 Volt pro Meter sind viel, trotzdem reichen die dafür ausgelegten Schutzmaßnahmen nicht! Mittlerweile versuchen deshalb Wissenschaftler die Probleme gleich von mehreren Seiten her in den Griff zu bekommen. Elektromagnetische Verträglichkeit beginnt bei den kleinsten Strukturen.

    Bei dem Chip schützt man sich auf der einen Seite vor Dingen, die über die Anschlussbeine hereinkommen in diesen Chip, das sind kleine transiente Überspannungen, Transient heißt sehr kurzzeitige Überspannungen, wie sie durch ein solches ESD-Ereignis, also elektrostatische Entladung, hervorgerufen wird, das sind kleine Schutzdioden, die man dort mit integriert und die dann die Energie, die von außen eingeleitet wird, direkt ableiten, sodass sie sich dann nicht in die empfindlichen Teile des Chips fortpflanzen können.

    Gleichzeitig haben die Ingenieure bemerkt, dass der Basiscode des Chips Einfluss auf seine eigene Elektromagnetische Verträglichkeit hat. Der Basiscode ist die grundlegende Programmierung eines Chips; er bestimmt, was der Prozessor machen soll, wenn er etwa einen bestimmten Maschinenbefehl bekommt. Manche Codes erwiesen sich als so anfällig für Störsignale, dass sie im Nachhinein geändert wurden. EMV bieten aber noch andere Schutzmaßnahmen, etwa:

    Indem man die räumliche Ausdehnung klein genug macht und was ziemlich einfach ist, das hört sich ein bisschen banal an, wird aber häufig falsch gemacht, indem man nach der Devise verfährt "Signalpegel so hoch wie möglich", damit Störpegel, die von außen eintreten dann möglichst wenig stören können und den Chip so langsam wie nötig aufbauen.

    Ein ebenso einfacher wie effektiver Kunstgriff. Ein schwaches Störgeräusch, geht in einem lauten Geräusch einfach unter - vergleichbar mit schwachen Störfeldern, die von starken Feldern überlagert werden. Ein Prinzip übrigens, das unser Hirn ständig nutzt: Störende Geräusche regelt es herunter und lässt sie in anderen als nicht störend empfundenen Geräuschen "verschwinden". An den Gedanken, dass langsame Chips besser sind als schnelle, muss man sich allerdings erst gewöhnen.

    Denken Sie an die Entladung statischer Elektrizität, das ist ein Effekt, der Anstiegszeiten unterhalb einer Nanosekunde hat, also ein sehr steiler Vorgang ist. Wenn ich ein langsameres System habe, dann reagiert das weniger auf einen solchen schnellen Impuls, als ein schnelles System.

    Vergleichbare Sicherheitsvorkehrungen sind in PKW-Datennetzen erforderlich, dem CAN-Bus etwa. CAN-Bus steht für Controller Area Network Bus, er soll über eine Ringleitung unterschiedliche Geräte steuern - das spart Kabel und Energiekosten. Der Nachteil liegt allerdings auf der Hand: Wird die Steuereinheit durch elektromagnetische Felder gestört, sind gleich mehrere angeschlossene Geräte im PKW betroffen - bei modernen Autos immerhin mehr als 50. Also schirmen Ingenieure die Elektronik mit Kästen aus elektrisch leitfähigen Metallen ab. Deren Wirkung ist allerdings abhängig von der Frequenz des Störsignals.
    Professor Holger Hirsch vom Fachbereich Elektrotechnik der Universität Duisburg-Essen.

    Was die Schirmwirkung eines Gehäuses angeht, ist es sicherlich so, dass, je höher die Frequenzen, desto schwieriger wird es ein dichtes Gehäuse aufzubauen, weil bei höheren Frequenzen Schlitze, Öffnungen, Bohrungen sich dann irgendwann auswirken, auf der anderen Seite hilft einem die hohe Frequenz dann aber auch so ein bisschen gegen die Einkopplungen: Die wirksame Antennenfläche ist umso höher je kleiner die Frequenz ist.

    In der Praxis klettern die Störfrequenzen immer weiter nach oben: Handys, Bluetooth und Wireless-LAN-Dienste bewegen sich jenseits von zwei GHz. Folge: Autos müssen noch sicherer gemacht werden gegen störende hochfrequente Strahlen - ein Ende der Endwicklung ist nicht in Sicht. Zunehmend nutzen Forscher übrigens Simulationsverfahren: Ob UMTS-Handys den Scheibenwischer lahm legen, lässt sich schon im Rechner berechnen. Weil aber der Gesetzgeber den statistischen Aussagen einer Simulation nicht recht traut, muss der Wagen ganz zum Schluss doch noch mal zum Praxistest:

    Das heißt, man fährt unter den Sendeanlagen einiger Rundfunksender hindurch und schaut dann, dass das Fahrzeug sich dann ordentlich verhält. Die das machen, tragen natürlich entsprechende Schutzkleidung, die Technik muss es vertragen, der Mensch verträgt es dann nicht unbedingt, da muss man sich dann schützen, aber das ist dann meist am Ende dieser Entwicklungskette.

    Da knistert und sprüht es von den Blechkanten, und würde der Fahrer keine Schutzkleidung tragen, wären Gesundheitsschäden vorprogrammiert. Diese Kleidung gibt es, getestet wird sie unter anderem an der Fachhochschule Aachen.

    Es ist eine ganz normale Schaufensterpuppe aus Kunststoff, die innen hohl ist und mit einem speziellen Material ausgefüllt ist, das den menschlichen Körper nachbilden soll.

    Professor Thomas Mühl beschäftigt sich in der Fachhochschule Aachen mit elektrischen Messverfahren. In seinem aktuellen Forschungsprojekt stehen Stoffe im Mittelpunkt, die elektromagnetische Felder abschirmen.

    In dieses Material kann man nun, wenn man die Puppe hinten aufschraubt, die Messsonden an verschiedenen Stellen platzieren, so dass wir die elektrische Feldstärke oder die Leistungsflussdichte, also die Intensität der elektromagnetischen Welle, im Innern dieser Puppe messen können.

    Die Daten werden über eine Glasfaserleitung aus dem Innern des Dummy in den Laborcomputer transportiert. Glasfaser deshalb, weil elektrische Leitungen ebenfalls gestört würden, Lichtleiter von elektro-magnetischen Feldern aber unbeeinflusst bleiben.

    Etwas deplaziert steht die mannshohe Schaufensterpuppe inmitten des Aachener Hightech-Labors, immerhin ist der junge Mann für den nächsten Versuch angemessen gekleidet.

    Der hat im Moment ein Hemd an, ein weißes Oberhemd, und man kann bei diesem Hemd visuell nicht sehen, dass diese Leitfähigkeit vorhanden ist, das sind ganz feine versilberte Kupferdrähte, die eingewoben werden in eine Baumwollumhüllung, so dass sich das Hemd auch sehr schön anfühlt, man kann als von außen her gar nicht erkennen, dass diese Leitfähigkeit vorhanden ist. Aber wir können natürlich messtechnisch nachweisen, dass wir eine relativ starke Unterdrückung der elektromagnetischen Strahlung dadurch erreichen können, das ist in der Größenordnung von dem Faktor 1.000, das heißt also, wir haben innerhalb dieses geschlossenen Schirmkäfigs nur noch ein Tausendstel der elektromagnetischen Strahlung der Intensität vorhanden.

    Bevor Thomas Mühl den Dummy respektive sein Oberhemd mit elektromagnetischer Strahlung traktiert, untersucht er den Stoff in einer so genannten Schirmdämpfungskammer. Etwa einen Meter fünfzig im Kubik misst sie, vorne versehen mit einer etwa 25 mal 25 Zentimeter großen Öffnung, davor im Abstand von zwei Metern steht eine Richtantenne - das ganze wirkt wie ein elektromagnetischer Schießstand.

    Ja, zuerst muss natürlich die Probe vorbereitet werden, das ist jetzt hier etwas aufwändig und sehr laut, sie muss gut leitend kontaktiert werden, sie muss zugeschnitten werden und in eine Spannvorrichtung, in einen Rahmen eingebaut werden, die wird dann mit entsprechenden Winkeln festgeschraubt, wenn das der Fall ist, dann kann man bei uns das Textil nehmen und vor die Öffnung der Schirmdämpfungskammer packen, (Schiebt den Rahmen auf die Dichtung) das ganze ist mit Hochfrequenzdichtungen rundherum dicht abgeschlossen, so dass jetzt nur noch durch das Textil hindurch elektromagnetische Strahlung in den Innenraum kommen kann, im Innenraum ist die Empfangsantenne, außen steht die Sendeantenne, so dass wir jetzt eine Messung durchführen können. Was hinzukommt ist, dass sich das Textil natürlich in zwei Richtungen unterschiedlich verhalten kann. Wenn man an normales Gewebe denkt, wir haben Fäden in beiden senkrechten Richtungen, in der einen Richtung immer senkrecht dazu, und wir wollen sicher stellen, dass wir in beiden Richtungen die Schirmwirkung haben, das kann man erreichen durch Drehen der Antenne, bei uns ziehen wir einfach die Probe ab, drehen die um 90 Grad und messen ein zweites Mal, so dass wir also in beiden Polarisationsrichtungen der elektromagnetischen Well die Eigenschaften messen können, ein gutes Textil muss natürlich in beiden Richtungen auch gute Schirmdämpfungswerte erreichen.

    Die Dämpfung ist übrigens unabhängig von der eingestrahlten Energie: 90 Prozent wird reflektiert, der Rest wandelt sich in den dünnen Drähten zu Wärme. Die Frage, welchen Abstand die Drähte im Gewebe haben müssen, lässt sich nicht eindeutig beantworten.
    Thomas Mühl, Fachhochschule Aachen.

    Grundsätzlich ist es so, dass man Löcher und Lücken in elektromagnetischen Schirmen haben kann, wenn diese klein sind gegenüber der Wellenlänge der Strahlung. In unserem Bereich, bei der Handystrahlung etwa, ist das in der Größenordnung von einigen Zentimetern, zehn bis dreißig Zentimeter, das heißt also, wenn wir Abstände haben der leitfähigen Fäden, die im Millimeterbereich liegen, dann haben wir trotzdem eine Schirmwirkung.

    Problematisch ist da schon das Design des Hemdes. Ideal wäre ein komplett geschlossener Overall inklusive Kopfmaske und Schutzschuhen - für Ingenieure, die neu entwickelte Autos unter Sendemasten von Radiostationen testen, ein unbedingtes Muss! Beim Aachener Dummy im weißen Oberhemd sieht das etwas anders aus. Natürlich trägt er sein Hemd oben offen, natürlich ist sein Hals Einfallstor für elektromagnetische Strahlung. Ob das tatsächlich ein Risiko ist, weiß niemand so genau:

    Aber es gibt natürlich auch Risikogruppen, elektrosensible Menschen, etwa Menschen, die Herzschrittmacher tragen, und da empfiehlt beispielsweise das Bundesamt für Strahlenschutz den Herstellern ein Sicherheitsabstand von 30 Zentimetern zu einem Handy beispielsweise, und wenn man sich vorstellt, so jemand steht im Bus, der neben ihm steht hat das Handy in der Jackentasche, es fängt an zu klingeln, geht auf maximale Leistung, dann habe ich natürlich eine Unterschreitung des empfohlenen Sicherheitsabstandes, dann kann es unter Umständen Probleme geben.

    Für Träger von Herzschrittmachern ist auf jeden Fall Vorsicht geboten! Mittlerweile zählt das Thema "Elektromagnetische Verträglichkeit und Medizintechnik" zu den wichtigsten innerhalb der gesamten EMV-Diskussion. Ingenieure nutzen im Pflege- und OP-Bereich immer häufiger Computertechnik: Rechner überwachen die Lebensfunktionen von Patienten, Roboter assistieren dem Operateur, kabellose Navigationssysteme lotsen Skalpell und Schere durch den Körper des Kranken. Wenn solche Systeme wegen einer elektromagnetischen Unverträglichkeit unvermittelt ihre Arbeit einstellen, kann das dramatische Konsequenzen haben. Gleiches gilt, wenn etwa elektromagnetische Störstrahlung während einer Operation Herzschrittmacher aus dem Takt bringt.

    Wissenschaftler der Universität Stuttgart haben diese Risiken an einem konkreten Beispiel untersucht. Welchen Einfluss hat ein elektrisches Skalpell auf Herzschrittmacher?
    Professor Friedrich Landstorfer vom Institut für Hochfrequenztechnik der Universität Stuttgart.

    Ein Skalpell dieser Art wird auch oft als Koagulator bezeichnet, was vielleicht etwas genauer ist. Durch den Hochfrequenzstrom, der von diesem Skalpell oder von der Elektrode dieses Koagulators in den Körper fließt, der erzeugt Wärme im Körper, die veranlasst dann die Zellen zu koagulieren, also zusammenzukleben, und wenn es dann noch etwas heißer wird, kann es sogar dazu führen, dass Verbrennungen entstehen. In jedem Fall ist der Vorteil, dass keine Blutung dabei entsteht.

    Der Herzschrittmachen besteht aus einem Gehäuse, in dem die eigentliche Elektronik untergebracht ist und einer Elektrode, die vom Herzschrittmacher zum Herzen führt und das Herz dann stimuliert. Damit das nun im Einklang mit den natürlichen Bewegungen des Herzens geschieht, hat der Herzschrittmacher aber nicht nur die Funktion, dass er stimuliert sondern er nimmt auch elektrische Signale vom Herzen auf, leitet sie intern weiter und richtet dann das Pulsen, das Anregen des Herzens schon nach dem natürlich Herzschlag ab. Damit wirkt aber diese Elektrode schon als Empfangsantenne.

    Ich sagte vorher, dass die grundsätzliche Anordnung bei einem HF-Skalpell oder Koagulator so aussieht, dass mit einer Elektrode der Zellverband getrennt wird durch die auftretende Hitze, und dabei fließen eben sehr starke hochfrequente Ströme, und die sind nicht rein sinusförmig, sondern das hängt von dem Widerstand des Gewebes ab und bei sehr großen Leistungen kann es sogar passieren, dass ein kleiner Lichtbogen entsteht. Ein Lichtbogen hat die Eigenschaft, dass er einen negativen Widerstand darstellt und damit entstehen sehr große Oberwellen, sehr viele Frequenzanteile, die bis zu hohen Frequenzen reichen. Dieses Frequenzgemisch, das breitet sich durch den Körper aus, auch durch die Luft natürlich, aber in erster Linie durch den Körper des Patienten und wirkt dann auf den Herzschrittmacher ein.

    Nun kann es sein, dass diese Störungen groß sind und zum Beispiel ein älterer Herzschrittmacher gestört wird, dass er also irgendeine Fehlfunktion macht. Das ist zweifellos ein Gesundheitsrisiko, dem haben wir uns angenommen, um zu schauen, wie groß denn die Störungen überhaupt sein können.

    Die Risiken sind, sagt Professor Friedrich Landstorfer vom Institut für Hochfrequenztechnik der Universität Stuttgart, zumindest bei neuen Herzschrittmachern relativ gering - bei älteren Modellen können Probleme auftreten. Einen 100prozentigen Schutz gibt es nicht, zumal es neben Funktion und Design der Herzschrittmacher noch weitere Einflussgrößen gibt. Etwa die Statur des Patienten.

    Grundsätzlich könnten wir das in die Berechnungen einbeziehen, aber es gibt andere Parameter, die empfindlicher sind. Zum Beispiel wenn wir einen Herzschrittmacher nehmen, dann ist es bei dem sehr unterschiedlich, wie die Elektrode gelegt wird, das hängt von der Anatomie des Patienten ab, es kann sein, dass der Herzschrittmacher selbst relativ weit unten im Körper eingepflanzt wird und dann ist die Antenne oder Elektrode sehr lang, das ist dann zweifellos ein viel ungünstigerer Fall, weil sie natürlich durch die Länge mehr aufnimmt an Strahlung und an Störungen von dem HF-Skalpell als wenn sie relativ weit oben im Brustkorb angesetzt wird.

    Absolute Sicherheit gibt es nicht, allerdings haben die Stuttgarter Untersuchungen gezeigt: Die Risiken sind beherrschbar, vor allem wenn man sie kennt und Gegenmaßnahmen einleiten kann. Die setzen zu-nächst einmal genaue Messungen voraus: Welche Störstrahlung wird emittiert? Wie hoch ist die Intensität? Wie lässt es sich abschirmen? Fragen, die sich nur in speziellen Laboren beantworten lassen.

    Im Moment befinden wir uns in unserem größten Labor und zwar ist eine so genannte Absorberhalle. Dr. Hans-Georg Krauthäuser am EMV-Zentrum der Otto von Guericke-Universität in Magdeburg:

    Dass ist ein großer Faradayscher Käfig, wir können auch sagen eine Blechbox mit Abmessungen von 21 Meter mal 13 Meter mal knapp 9 Meter. Diese Abschirmung dient zunächst einmal dazu, dass wir uns von der elektromagnetischen Umwelt entkoppeln, das heißt einerseits wollen wir externe Sender wie Rundfunksender oder Mobilfunksender nicht sehen, auf der anderen Seite wollen wir auch nicht, dass die Felder, die wir selber erzeugen, die Umwelt kontaminieren. Wenn wir jetzt nur diese Box hätten, dann würden im Innern starke Reflexionen herrschen, ein Metall ist für die Frequenzen, die wir betrachten, wie ein Spiegel für Licht, und um diesen Spiegel unsichtbar zu machen, sind an der Innenseite der Box elektromagnetische Absorber angebracht, die wiederum können Sie sich vorstellen als pyramidenförmige Gebilde mit einer Höhe von 2,20 bis 2,50 Meter, und der Effekt ist der, dass sie diesen Spiegel einfach Be-Russen, das heißt es findet keine Reflexion mehr statt.

    Auf einem Tisch stehen drei Verstärker, davor in genormtem Abstand zielt eine Antenne auf die Geräte. Entweder strahlen die Antennen elektro-magnetischen Wellen auf die Geräte, um ihre Reaktion zu testen; oder aber die Antennen arbeiten als Sensoren und registrieren, welche Strahlung die Geräte ihrerseits abgeben. In den meisten Fällen werden die Geräte durch metallische Kästen geschirmt - vergleichbar mit den Aachener Spezialhemden, vergleichbar aber auch mit der Absorberhalle selbst. Das Problem ist nur, dass sich technische Geräte nicht komplett isolieren lassen.

    Diplom-Ingenieur Lutz Bernstein, Fachhochschule Aachen.

    In der Regel ist es bei einem technischen Gerät so, dass Versorgung benötig wird, es führen elektrische Leitungen in das Gerät hinein, es kommen Leitungen heraus, das Gerät muss unter Umständen gekühlt werden, und an dieses Stellen hat der Faradaysche Käfig Lücken und diese Wege können Emissionen aus dem Gerät herauskommen und aber auch in das Gerät einkoppeln.

    Also werden andere Tricks angewendet. Elektronische Filter lassen nur die "guten" Signale passieren, alles Störende bleibt außen vor.

    Wir müssen zwischen dem Nutzsignal und dem Störsignal unterscheiden, das Nutzsignal darf natürlich nicht beeinträchtigt werden. Ganz konkret zum Beispiel hier bei dem Aufnahmegerät der Niederfrequenzbereich, der darf natürlich nicht bedämpft werden, die Störungen aber die Liegen in der Regel in einem anderen Frequenzbereich und der muss dann entsprechend bedämpft werden.

    Was gut klingt, aber bisher nur in genau definierten Einsätzen funktioniert. Beim PKW, wo alle nur denkbaren Frequenzen "gut" aber auch "störend" sein können, sind solchen Filter nutzlos. Hinzu kommt, dass in vielen Bereichen immer höhere Frequenzen eingesetzt werden, EMV-Wissenschaftler aber keine klaren Kriterien haben, wie sie mit ihnen umgehen sollen.

    Wenn Sie heute in jedem Lebensmitteldiscounter PCs kaufen können mit 3-GHz-Taktfrequenz, dann können Sie keinem mehr so richtig klar machen, dass die aktuelle Normung bei ein bis zwei GHz aufhört.

    Selbst hochsensible Bereiche in Krankenhäuser - Intensivstationen etwa - arbeiten zukünftig im Frequenzbereichen über zwei GHz:

    Weil natürlich Sachen wie Wireless LAN, was bei 2,4 GHz arbeitet, immer weiter verbreitet ist und auch im Krankenhaus eine immer weitere Verbreitung findet. Es ist halt sehr angenehm, das sind Komfortdienste, die wir gerne nutzen, die wir auch nutzen können, wobei wir da immer aufpassen müssen, dass man sich mit diesen Neuerungen auf der anderen Seite Probleme einfängt.

    Probleme - allerdings ganz anderer Art - haben die Manager des Kanadischen Medienkonzerns Cinram International ausgemacht.

    In Alsdorf bei Aachen steht eines der Cinram-Presswerke für CDs und DVDs. Feierabend, 17 Uhr beim Pförtner. Langsam drängeln die Mitarbeiter nach draußen, immer beobachtet vom Werkschutz, der auch kleinste Veränderungen registriert. Etwa, dass ein Lagerarbeiter den linken Arm irgendwie verkrampft gegen den Körper drückt. Ein Arbeitsunfall? Sie winken den Mann heraus. Kein Arbeitsunfall, unter seinem Arm klemmen drei DVDs mit aktuellen Filmen.

    Immer wieder schmuggeln Mitarbeiter DVDs mit Filmen aus dem Presswerk und stellen sie anschließend ins Netz. Also werden alle Mitarbeiter einer täglichen Körperkontrolle unterzogen. Das stößt aber zunehmend auf Widerstand, weshalb Cinram eine Hightech-Lösung in Auftrag gegeben hat.

    Sie sehen hier direkt auf dem Frontbereich Antennen installiert, zirkulare Antennen. Hier handelt es sich um Sende- und Empfangsanlagen für kleinste Mikrowellensignale, wir senden hier im Milliwattbereich und versuchen so die CDs und DVDs zu detektieren.

    Professor Holger Heuermann von der Fachhochschule Aachen steht vor einem zwei Meter hohen Holztor, vergleichbar mit den Detektorschleusen auf Flughäfen. Er steckt eine DVD in die Jacke und nähert sich den Sensoren - eine rote Lampe blinkt!

    Das besondere daran ist, dass wir in der Übertragungsstrecke das spezielle Verhalten der CD berücksichtigt haben, dass diese Anlage hochsensitiv nur auf CDs und DVDs reagiert, wir kennen deren Baugrößen, wir kennen deren Bauform und das haben wir bei Design der Anlage in Betracht genommen.

    Es darf nur blinken, wenn wirklich eine CD oder DVD in der Jacke steckt. Das klingt einfach, ist es aber nicht, weshalb im nächsten Schritt die Mustererkennung mathematisch optimiert wird.

    Mathematisch heißt, man trainiert das System im Freiraum mit bekannten Objekten, berechnet die Übersprecher, die innerhalb des Systems bestehen und dann kann man sie mittels mathematischer Modelle sehr präzise herausrechnen.

    Mit Kriminalität beschäftigt sich auch Lutz Bernstein, der die kompromittierende Strahlung von Computern untersucht hat.

    Kompromittierende Emissionen sind zunächst einmal elektromagnetische Emissionen, die aber den Nachrichteninhalt eines Rechners nach außen transportieren, das heißt sie wirken kompromittierend, weil der Nachrichteninhalt, also die Information, die gerade auf dem Rechner verarbeitet wird, nach außen getragen wird. Das ist eine besondere Form von Emission, sie hat Breitbandcharakter, sie ist in der Regel sehr schwach und wird durch die durch Messverfahren wie sie beispielsweise für die CE-Kennzeichnung erforderlich sind, überhaupt nicht erfasst.

    Mit kompromittierender Strahlung lassen sich vergleichsweise einfach Rechner ausspionieren. Natürlich gibt es Computer mit fast komplett unterdrückter elektromagnetischer Emission. Doch die sind teuer und werden nur begrenzt eingesetzt. Also stört Lutz Bernstein noch einmal die ebenso unerwünschte wie unvermeidliche Strahlung.

    Dann gibt es einen speziellen Generator, der ein Zufallssignal erzeugt und das den PC-Emissionen überlagert, aber auch nur in den Bereichen, wo tatsächlich Emissionen erzeugt werden, Frequenzbereiche, die nicht besetzt wind, werden auch nicht mit dem Schutzspektrum überlagert.

    Rauschen, nichts als Rauschen - mehr gibt der Rechner nicht mehr her! Zwei Beispiele für Forschungen am Rande der Elektromagnetischen Verträglichkeit. Im Mittelpunkt stehen aber auch zukünftig andere Themen: Die Medizintechnik etwa und natürlich das Auto.

    Wer möchte schon mit 160 über die Autobahn fahren, wenn plötzlich der Airbag öffnet?