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"Wenn die Liquidität ausgeweitet wird, dann muss man höllisch aufpassen"

Wim Kösters vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung warnt vor den schleichenden Folgen des gestrigen Zentralbanken-Geldsegens: Sowohl in Europa als auch in Deutschland sei die Inflationsrate nicht niedrig - man müsse aufpassen, dass daraus nicht eine noch größere werde.

Wim Kösters im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: Wir schauen an dieser Stelle noch einmal auf das Kursfeuerwerk, das es gegeben hat, gestern und bis in den heutigen Morgen in den asiatischen Börsen, aufgrund der Aktionen der Zentralbanken gestern, die sich dazu entschlossen haben, überraschend auch für Insider, Geld in die Finanzmärkte zu pumpen. Wir wollen darüber sprechen mit Wim Kösters, er ist Vorstandsmitglied des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung. Schönen guten Morgen, Herr Kösters.

    Wim Kösters: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Die Banker und die Börsianer waren begeistert. Können Sie nachvollziehen, dass dem einen oder anderen Angst und bange geworden ist, angesichts dieses ja offensichtlich wahrscheinlich auch wieder sehr kurzlebigen Feuerwerks, was wir da gesehen haben?

    Kösters: Darin drückt sich die Freude der Akteure darüber aus, dass es noch Institutionen gibt, die handlungsfähig sind und die die Krise anpacken, während ja die Politiker in Europa nicht dazu in der Lage scheinen, schnell zu Entscheidungen zu kommen. Allerdings darf man jetzt über diese Freude nicht vergessen, was dahinter steht. Es handelt sich um eine weitere Eskalation der Krise – das wird momentan vergessen -, denn die Banken leihen sich untereinander immer weniger Geld, insbesondere Dollars, und das hat dann dazu geführt, dass die Zentralbanken jetzt diese Liquiditätsausweitung vorgenommen haben. Und wenn die Liquidität ausgeweitet wird, dann muss man höllisch aufpassen, dass, wenn das Vertrauen der Banken wieder zunimmt, nicht daraus eine Inflation wird, weil dann viel zu viel Geld in Umlauf gebracht worden ist.

    Klein: Herr Kösters, Freude angesichts einer Eskalation der Krise, das kann man irgendwie auch nicht mehr als normal bezeichnen, oder?

    Kösters: Nein! Insofern ist es manchmal naiv, wie solche Analysten und Händler handeln, dass sie nur die kurzfristigen Effekte sehen, nicht aber, was dahinter steckt, und meistens ist es dann ja auch so, dass der Kater ein bisschen später kommt und das Nachdenken einsetzt und dann Kurskorrekturen fällig werden.

    Klein: Mit welchem Preis für diese Aktion rechnen Sie jetzt?

    Kösters: Ich denke, man muss höllisch aufpassen, wie ich schon sagte, dass daraus nicht eine Inflation wird, denn wenn so viel Liquidität zusätzlich in Umlauf gesetzt wird, dann wird zwar nicht jetzt in den nächsten ein, zwei Jahren diese Inflation ausbrechen, aber danach muss man deutlich damit rechnen, dass die Inflationsrate höher sein kann, wenn die Notenbanken dann nicht entschlossen zuvor gegensteuern.

    Klein: Was heißt "höllisch aufpassen"?

    Kösters: Das heißt, sie müssen auf Anzeichen achten, die sich an den Märkten ergeben, für Preissteigerungen – und wir haben ja gegenwärtig schon keine niedrige Inflationsrate, in der Europäischen Währungsunion etwa drei Prozent, bei uns deutlich über zwei Prozent in Deutschland. Das sind doch Inflationsgefahren, die man nicht vernachlässigen darf. Und wenn man jetzt noch Liquidität im Angesicht dieser schon relativ hohen Inflationsraten austeilt, dann muss man eben sehr aufpassen, dass daraus nicht eine noch größere Inflation wird.

    Klein: Andererseits: Wir haben heute Morgen auch bei uns hier im Programm des Deutschlandfunks einen Analysten gehört, der gesagt hat, eigentlich ist das gar nicht so eine große Gefahr, die der Inflation, die der Deflation wäre eigentlich viel größer. Die Banker schätzen diese Gefahr ja offenbar ganz anders ein?

    Kösters: Ja, ja. Man kann immer noch größere Gefahren herbeireden. Natürlich ist eine Deflation gefährlicher als eine kleine Inflation. Aber wenn eine Inflation einmal eingesetzt hat – und das sind alles Erfahrungen, die wir aus der Vergangenheit haben -, dann wird es schwer, diese Inflation wieder zu bremsen. Meistens kann man das dann nur auf Kosten einer Rezession, die dann einsetzt.

    Klein: Die Politiker der Europäischen Union werden sich ja in den kommenden Tagen jetzt im Vorfeld des bestehenden EU-Gipfels kommende Woche wiederum heransetzen und über hoffentlich dann mittel- und langfristig nachhaltigere Maßnahmen beraten und auch welche beschließen, bis hin zur bevorstehenden Änderung der EU-Verträge. Was ist jetzt dringend geboten aus Ihrer Sicht, um die Gefahren, die ja nicht wirklich eingedämmt sind im Augenblick, zu begrenzen?

    Kösters: Man muss endlich die Governance der Eurozone in Ordnung bringen. Das heißt, man muss zu neuen Regeln kommen, die dann auch wirklich glaubwürdig sind und auch eingehalten werden von den Politikern. Allerdings habe ich da große, große Bedenken, dass das wirklich passiert, wenn man sieht, wie zum Beispiel der französische Präsident Sarkozy mit der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank umgeht. Er zeigt jeden Tag, dass er sie missachtet und nicht bereit ist, sie zu respektieren. Wird er dann den jetzt reformierten Stabilitätspakt, die Regeln des Stabilitätspaktes und andere Regeln, die man möglicherweise jetzt vereinbart, einhalten in der Zukunft? Das ist dann doch sehr fragwürdig.

    Klein: Die Einschätzung von Wim Kösters, er ist Vorstandsmitglied beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Kösters.

    Kösters: Danke, Frau Klein.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.