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"Wenn die Show jetzt bei Sky nicht funktioniert, dann war's das!"

"Der Marktführer der Herzen", nannte er sich einst selbst. Heute Abend wechselt er ins Bezahlfernsehen "Sky" und sendet zukünftig nicht mehr vor einer Million, sondern eher wenigen 100.000 Zuschauern, die ein Abo besitzen. Im Corsogespräch spricht er über das Dinosauriersterben im Fernsehen und darüber, dass jeder Künstler seine große Zeit habe – und warum er die Harald-Schmidt-Show noch immer für frischer hält, als eine Shakespeare-Aufführung.

Mit Alexander Kohlmann | 04.09.2012
    Alexander Kohlmann: Herr Schmidt, als ich 2001 angefangen habe zu studieren, da haben über ihre Show alle Studenten gesprochen und alle Professoren bis hin zur Putzfrau. Also jeder, der irgendwie etwas auf sich hielt, hat die Show geguckt. Jetzt wechseln Sie zu "Sky" und es gucken vielleicht nicht mehr eine Million zu, sondern eher Hunderttausende. Was ist da Ihrer Ansicht nach passiert in den letzten zehn Jahren?

    Harald Schmidt: Das ist der normale Werdegang von jemandem, der lange dabei ist. Das ist wie bei Intendanten wie Claus Peymann oder wie bei Castorf. Man unterliegt Phasen. Claus Peymann wird natürlich hier vehement protestieren, weil er eine Platzausnutzung von 431 Prozent vorweisen kann. Aber die große Zeit der Volksbühne wurde laut Feuilleton auf zehn Jahre bemessen und das muss jeder wissen, dass das ein Zyklus ist, dem man unterliegt. Und das geht’s mal auf und, um das Klischee zu vermeiden, da geht’s auch mal bergab.

    Kohlmann: Weil Sie gerade sagten, man lebt in Phasen. Ich habe mir zur Vorbereitung mal alte Bänder angeguckt. Videobänder vom Anfang des Jahrtausends und dann welche jetzt vom Anfang dieses Jahres. Und entgegen einer landläufigen Meinung hatte ich das Gefühl, dass Sie sich eigentlich gar nicht verändert haben. Deswegen noch mal meine Frage hat sich vielleicht das Publikum verändert und die Fernsehlandschaft allgemein in den letzten zehn Jahren?

    Schmidt: Selbstverständlich, zum einen wird vieles aus der Vergangenheit verklärt, das stelle ich fest, wenn ich mir Sachen von früher angucke, die angeblich ganz toll waren, wo ich sage, das Kinder lassen wir mal in der Verklärung. Und selbstverständlich hat sich das Publikum auch verändert. Ich würde sagen, dass es vielleicht eine leichte Ironiefeindlichkeit gibt in der generellen Stimmung. Man ist jetzt wahrhaftig, man ist ernsthaft. Man zieht ins Grüne, man nimmt die Meinungen von Verwandten ernster. Man ist, ja "betroffen" war lange Zeit so ein Schimpfwort. Aber es ist so eine neue Beschaulichkeit so ein bisschen angesagt. Zum Beispiel die Bedeutung, die der Garten jetzt im letzten Jahr auch in der medialen Wahrnehmung bekommen hat. Ja also, der Planet, die Schöpfung, die Bewahrung. Das alles ist doch, glaube ich, zur Zeit etwas, was man nicht gerne ironisch distanziert geschildert bekommt. Und da muss ich halt warten, bis die Polkappen stark genug abgeschmolzen sind, dass das Publikum wieder in großen Massen zu mir rangespült wird.

    Kohlmann: Sie sind ja gar nicht der Einzige. Es gibt ja Leute, die sprechen im Moment von so einer Art Dinosauriersterben. Thomas Gottschalk hat sich zweimal verabschiedet innerhalb von einem halben Jahr. Sind Sie da auch Teil von so einer größeren Bewegung, dass vielleicht die alte Generation der Showmaster, die noch so ein großes Publikum überhaupt versammeln konnten vor dem Fernseher, dass die gerade in Zeiten von Internet und "Sky" und "Sky Home" und was es alles gibt, dass die gerade am aussterben sind?

    Schmidt: Aussterben würde ich nicht sagen. Wir schlagen ja weiter ungerührt mit unseren langen schuppigen Schwänzen um uns, so wie es auch die Dinosaurier in der Schlussphase gemacht haben. Dass Wachablösungen stattfinden ist ja völlig klar, das ist der Lauf der Zeit. Die Frage ist nur, wie weit man sich davon sozusagen persönlich beeinflussen lässt. Also ich bin gerne bereit, wenn ein überwältigender Gigant kommt, mich von der Bühne fegen zu lassen. Noch ist es mir durch ein gnädiges Schicksal erspart geblieben. Und ich habe nach wie vor riesengroßen Spaß an dem, was ich mache, habe die Möglichkeit, das in eigener Regie zu produzieren bei einem sehr, sehr freundlich gestimmten Sender. Ich kann mich nicht beklagen. Das mag alles stimmen, was Sie schildern, aber es muss für mich nicht von Bedeutung sein. Ich muss es ja einfach nicht mal wahrnehmen.

    Kohlmann: Glauben Sie, dass das Bezahlfernsehen die Zukunft der deutschen Fernsehlandschaft ist. Vielleicht auch vor dem Hintergrund, dass unter dem allseits beschworenen Quotendruck gewisse Sendungen mit einem kleinen aber feinen Publikum eigentlich nicht mal mehr bei den öffentlich rechtlichen Sendern eine Chance haben?

    Schmidt: Also, die werden bei den öffentlich rechtlichen mit Sicherheit keine Chance haben, die ja das größte Bezahlfernsehen sind. Ich darf das mal hier in unserem Bezahlhörfunk noch einmal explizit sagen, sieben Milliarden pro Jahr für ARD und ZDF. Die sind ganz klar verpflichtet, elitäre Spartenprogramme zu senden. Das findet auch statt, aber man muss es sehr suchen.

    Kohlmann: Wird sich denn etwas ändern in ihrer Show oder bleibt alles beim Gleichen? Denn damals, als Sie zur ARD gegangen sind, war das ja ein bisschen so ein großes Auskehren. Es gab ein neues Studio, neue Farben und Sie kamen nur noch einmal die Woche. Oder ist das jetzt wirklich die gleiche Show, die einfach auf "Sky" weiterläuft?

    Schmidt: Es ist exakt die gleiche Show. Das mit einmal die Woche wurde überhaupt nicht akzeptiert vom Publikum. Dreimal die Woche ist die Untergrenze, die man bei einer Late-Night-Show sehen will. Und es gibt ja keinen Grund für mich, irgendetwas zu ändern. Das, was sich jeden Tag ändert, sind die Inhalte. Wir hatten früher das Thema Lothar Matthäus, heute haben wir das Thema "Geht Europa pleite?". Da würde ich sagen, ist ja doch auch für Leute, die sich nicht für Politik interessieren, ein sanfter Unterschied zu erkennen. Und für mich gibt es eigentlich gar keine andere Bühnenform, als da vorne zu stehen und die Witze zu erzählen. Das ist ja so, als ob sich ein Tänzer überlegen würde, ob er mal was anderes machen sollte als tanzen.

    Kohlmann: Weil Sie gerade sagten, dass das Publikum eine wöchentliche Ausstrahlung nicht akzeptiert habe. War das rückblickend ein Fehler zur ARD zu wechseln. Ich habe mich vor dem Gespräch viel umgehört. Und viele haben gesagt, ja der Schmidt damals bei "SAT 1", damit ist die alte Zeit gemeint, da war seine große Zeit. Und bei der ARD war er eigentlich hauptsächlich schlecht gelaunt.

    Schmidt: Ja, aber das sind Meinungen, gegen die ich mich nicht wehren kann und auch nicht wehren will. Das ist halt so. Damit muss ich leben. Ich habe es nicht es nicht so empfunden. Meine Erfahrung ist, alles, was passiert, geschieht zu Recht. Egal, ob es positiv oder negativ bewertet wird. Und damals habe ich das für richtig gehalten, zur "ARD" zu gehen, habe ja auch die Konsequenzen, die es in der öffentlichen Wahrnehmung bewirkt hat, dann akzeptiert, aber das ist Schnee von gestern. Jetzt schauen wir, dass wir das erfolgreich gestemmt kriegen bei "Sky". Und wenn Sie heute Leute zur DM fragen, zur Berliner Mauer oder zur DDR oder auch zum Kaiserreich. Sie werden immer welche finden, die sagen, mein Gott, Kinder was war das damals schön.

    Kohlmann: Dann gucken wir mal in die Zukunft, wie sieht das denn aus mit den prominenten Gästen, Sie planen ja sicherlich ein paar Monate im Voraus. Haben schon welche abgesagt, weil sie gesagt haben, das sind mir zu wenige, die zugucken? Mal abgesehen von den Freunden von Harald Schmidt, die sowieso immer kommen.

    Schmidt: Das erfahre ich gar nicht. Das macht ja eine Redaktion und man hält natürlich schmerzvolle Erkenntnisse von mir fern. Man ist sich aber, glaube ich, auch bei der Redaktion nicht so klar darüber, bei wem ich mir innerlich selber High Five gebe, wenn er nicht kommt.
    Also ich kann mich auf jeden Gast einstellen, und mir sind natürlich Gäste wie die Weltklassecellistin Solg Gabetta und die Pianistin Hélène Grimaud, das sind mir die Liebsten. Gerd Voss, Sepp Bierbichler und so weiter. Ich kann aber genau so gut mit einer jungen Schauspielerin, die in einer Soap spielt. Für mich ist das Endscheidende, dass der Gast wach ist, frisch ist, und geistig beweglich. Und ansonsten sage ich, wenn Heinz nicht kommt, nehmen wir Susi. Und wenn Susi nicht mehr will, weil es ihr zu wenig Zuschauer sind, dann nehmen wir Mathilde. Also, da habe ich mich noch nie von irgendetwas abhängig gemacht. Und ich finde, wer cool ist und wer Spaß am Leben haben will, kommt natürlich zu mir als Gast. Und den Rest lasse ich gerne zu den üblichen Verdächtigen fahren.

    Kohlmann: Weil wir gerade sprachen von Gästen wie Gerd Voss, am Anfang viel schon der Name Claus Peymann. Ihre Affinität zum Theater ist ja unübersehbar. Und als jemand, der selber aus diesem Bereich komme, weiß ich, dass einen die Leidenschaft für die Bühne, wenn sie einen einmal gepackt hat, eigentlich nie richtig loslässt. Deswegen ist meine Frage, Sie haben in den letzten Jahren immer wieder gespielt, Sie standen immer wieder auf der Bühne, ist das Thema für Sie gegessen? Oder gibt es gerade jetzt auch noch Rollen, wo Sie sagen würden, da mache ich bei "Sky" Pause und gehe zurück auf die Bühne?

    Schmidt: Nein, als Schauspieler ist es für mich abgeharkt. Als Bühnenmensch natürlich nicht. Das ist aber ein Unterschied, habe ich auch vorher nicht so gewusst. Das Publikum will auch keine Rolle von mir sehen, weil egal was ich spiele, man sieht eh immer nur den Late-Night-Moderator. Und es wäre sinnlos, da Energie zu verschwenden, zumal es natürlich Hunderte von Schauspielern gibt, die das besser können, das reine Rollenspielen. Aber als Bühnenmensch bin ich natürlich nach wie vor begeistert von der Bühne und bin einer der wenigen, die erkannt haben, dass sie das Publikum nicht quälen sollen mit Aufgaben, die sie nicht schaffen. Ich kann das nicht für meinen Maßstab und deswegen mache ich eben Unterhaltungsfernsehen.

    Kohlmann: Ist ja schade, weil gerade jetzt in ihrem Alter winken ja die wirklich interessanten Rollen, sagt man doch bei einem männlichen Schauspieler?

    Schmidt: Ja da müssen Sie aber ihr Leben lang als Schauspieler gearbeitet haben, um die Mittel entwickelt zu haben, um in diese Rollen reinzukommen. Während ich einfach völlig überraschende Pointen zum Thema Euro oder Reiner Calmund habe. Und wenn ich ehrlich bin, dann doch frischer bin als eine Shakespeare-Aufführung. Oder ist das jetzt zu übertrieben?

    Kohlmann: Das müssen Sie entscheiden. Wo sehen Sie denn die Harald-Schmidt-Show in fünf Jahren?

    Schmidt: Bei "Sky".

    Kohlmann: Und in zehn?

    Schmidt: Ehrlich gesagt auch bei "Sky", wenn´s mich bis dahin nicht weggebröselt hat oder irgendwelche anderen Dinge passiert sind. Ich glaube, da kann ich mich festlegen. Wenn die Show jetzt bei "Sky" nicht funktioniert, dann war´s das.