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Wenn die Versicherung nicht zahlt

Nicht immer zahlt die Versicherung, wenn man sie braucht. Spitzenreiter unter den problematischen Policen sind Lebens- und Rentenversicherungen. Manchmal scheint hinter der Leistungsverweigerung eine Strategie der Versicherer zu stecken.

Von Elke Schmidhuber |
    Es ist Nacht. Silvia Tröger radelt auf einer Hauptstraße in Erlangen heimwärts. An einer Kreuzung passiert es. Ein Busfahrer missachtet ein Stoppschild.

    "Und dann erinnere ich mich noch, dass da ein Bus der Firma OVF kam und mir plötzlich der Gedanke in den Kopf sprang, der bremst doch gar nicht, warum bremst der nicht? Ich habe dann meine Hand hochgerissen, das ist das Letzte, an was ich mich erinnere."

    Ein Sturz auf den Kopf, ein Schädelbruch, Hirnblutungen, Intensivstation. Nach Tagen kommt sie zu Bewusstsein. Sie kann nicht laufen, nicht sprechen, nicht denken. Silvia Trögers Unfall war am 11. Juni 2001, also vor bald zwölf Jahren. Bis heute wartet sie auf eine Entschädigung.

    "Seitdem versuche ich Schmerzensgeld und Schadensersatz für meine Aufwendungen zu bekommen, aber die gegnerische Partei lässt sich durch eine Anwaltskanzlei vertreten und so gehen die Jahre ins Land und es tut sich nichts. Es wird nicht auf Briefe reagiert, die mein Anwalt schreibt, es werden unpassende Briefe zurückgeschrieben, die dann mich wieder ins Innerste treffen und es wird verschleppt."

    Seit dem Unfall ist sie zu 60 Prozent schwer behindert. Die Verletzungen haben Vernarbungen im Gehirn zur Folge, so leidet sie täglich unter Kopfschmerzen. Sie kann daher oft nicht mehr arbeiten gehen. Eine Versicherung will nicht zahlen, viele Menschen erleben das. Hajo Köster vom Bund der Versicherten sieht dahinter eine Strategie der Versicherer.

    "Es ist egal, ob es sich um eine Berufsunfähigkeitsrente handelt, eine Unfallversicherung oder eine ganz einfache Hausratsversicherung, es wird blockiert, es werden Nachfragen gestellt, die die Kunden verunsichern, dass sie letztendlich von ihren berechtigten Ansprüchen Abstand nehmen."

    Wenn die Versicherung die Leistung ohne Grund verweigert oder versucht zu kürzen, hilft manchmal nur ein Gerichtsverfahren. Beatrix Hüller ist Fachanwältin für Versicherungsrecht. Lange Jahre hat sie bei einem Versicherer gearbeitet hat, und dann die Seiten wechselte.

    "Ich war dort in der Leistungsabteilung Berufsunfähigkeit, ich konnte dort den Menschen nicht helfen, sondern war eher ein Verhinderer und ich habe das nach ein paar Jahren nicht mehr ertragen. Es ist natürlich so, dass man sukzessive erzogen wird, noch mal nachzufragen, noch mal nachzuhören, das entspricht einfach der Unternehmenskultur, das erlebe ich auf der anderen Seite genauso, dass es einfach sehr viele Verzögerungen gibt, bis die Leute überhaupt erst eine Nachricht kriegt vom Versicherer, bis man das Gefühl hat, man bearbeitet mich und fordert nicht ständig irgendwelche Unterlagen nach, letztendlich hat es der Versicherer auch in der Hand, welchen Gutachter er beauftragt. Er weiß, welcher Arzt ist härter, welcher ist weicher und er kann damit auch schon eine Auswahl treffen, ob eine Auszahlung zustande kommt oder nicht."

    Verzögern, nachfordern, ablehnen, Methoden, die von den Geschädigten gute Nerven und einen langen Atem erfordern. Die Versicherer widersprechen. Eine Methode zu verzögern oder abzulehnen gebe es nicht, das Gegenteil sei der Fall, sagt Claudia Scheerer von der Bayerischen Versicherungskammer

    "Es gibt keine Taktik, Ansprüche hinauszuzögern, ganz im Gegenteil, es gibt Regularien, Leistungsansprüche innerhalb kürzester Zeit zu prüfen, also beispielsweise bei der Krankenversicherung liegt die durchschnittliche Bearbeitungsdauer bei sechs Tagen und cirka 90 Prozent der Anträge werden innerhalb von zwei Wochen reguliert. Auch bei Schadenfällen gibt es diese Regularien, aber wenn das große Schadensfälle sind, dann kann nicht innerhalb einer Woche alles ausbezahlt werden, weil es viele Sachverhalte gibt, die zu prüfen sind, die so schnell nicht abgeschlossen werden können."

    Auch wenn die Bearbeitung zügig vorangeht, Beatrix Hüller rät dazu, nicht lange zu zögern, und vom ersten Moment an einen Fachanwalt hinzuzuziehen. Denn:

    "Man ist einfach schon überfordert mit dem Ausfüllen der Unterlagen, man hat die Sorgen um die Familie um die Existenz, Sorge um die eigene Gesundheit und sich dann noch mit einem Sachbearbeiter der Versicherung auseinanderzusetzen, der vielleicht noch einen zehnten Brief schreibt und noch eine Unterlage anfordert, alleine deswegen ist es sehr sinnvoll, aber auch, wenn man sich ungeschickt ausdrückt sich um Kopf und Kragen reden kann."