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Wenn Musik krank macht

Musik zu hören ist schön. Musik zu machen kann anstrengend sein. Berufmusiker leiden oft unter besonderen körperlichen und seelischen Belastungen. Im italienischen Bari hat jetzt europaweit die erste Klinik eröffnet, die sich ausschließlich um kranke Musiker kümmert.

09.09.2003
    Klaviermusik.....

    Das ist das Andante aus der Sonate Nummer 5 von Baldassare Galuppi. Hört sich gut an, führt aber zu chronischen Schmerzen der Finger und der gesamten Hand.

    Trompetenmusik....

    Und das ist das Andante aus dem Trompetenkonzert von Franz Josef Haydn. Auch hier riskiert der Solist eine schmerzhafte Pathologie: professionelles Trompetenspielen kann zu Lippentaubhaut führen, provoziert durch das ständige Drücken auf das Instrument. Trompetenspieler riskieren aber auch eine Gesichtslähmung, das sogenannte Bell-Syndrom.

    Violoncellomusik....

    Das harmlos anmutende Violoncello, hier als Soloinstrument in einem Konzert von Luigi Boccherini, kann schlimme Allergien hervorrufen - verursacht durch jene Öle, mit denen ein Musiker sein Instrument ständig reinigen muss.

    Viele Musiker leiden an den Folgen ihrer Leidenschaft und ihres Berufes. Wenn sie sich an Ärzte wenden, finden sie nicht immer Ansprechpartner, die die Ursachen ihrer berufsbedingten Leiden gleich erkennen können. Viele kranke Musiker werden deshalb falsch behandelt - mit unabsehbaren Folgen für ihre Gesundheit. In Italien versucht man jetzt das Problem der Musiker und ihrer spezifischen Krankheiten an der Wurzel zu lösen. Die süditalienische Region Apulien hat in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik in Bari und dem dortigen Musikkonservatorium die sogenannte "Music Clinic" ins Leben gerufen. Eine Spezialklinik für Musikerkrankheiten. Eine Einrichtung, die Betroffenen gratis zur Verfügung steht, erklärt die Orthopädin und Laienmusikerin Simona Sansonetti:

    Es ist nicht leicht, Musiker dazu zu bewegen, einen Facharzt aufzusuchen, denn - und ich spreche von jenen Künstlern, die nicht viel Geld zur Verfügung haben, um sich teure Ärzte zu leisten - sie fürchten um ihren Arbeitsplatz, sollten sie krank werden. In vielen italienischen Arbeitsverträgen gibt es eine Klausel, wonach im Krankheitsfall Honorare nicht gezahlt werden.

    Die Idee zur "Music Clinic" hatte Professor Alfredo Musajo Somma von der Universitätsklinik in Bari. Simona Sansonetti berichtet, dass es seine Idee war, dieses neue Institut in den Räumen des Konservatoriums unterzubringen:

    Es war von Anfang klar, dieses Klinik zu einem Teil der Musikhochschule werden zu lassen, zu einem integralen Bestandteil. Die Klinik umfasst nicht nur Behandlungsräume, sondern auch einen Probenraum mit allen wichtigen Instrumenten, sowie eine Videokamera und einen Computer.

    Die "Music Clinic" hat es sich zum Ziel gesetzt, nicht nur die allgemein bekannten Musikerkrankheiten zu kurieren. So zum Beispiel die ständigen Rückenschmerzen von Klavierpianisten, die Nackenschmerzen von Violinisten oder die Brustschmerzen von Harfespielern. Die Ärzte der Klinik beschäftigen sich auch mit psychischen Pathologien. Vor allem mit chronischen Angstzuständen, die Musiker immer wieder vor Auftritten plagen. Sie beschäftigen sich auch mit Angstmanien, die vor allem kleine Musikergenies plagen, die oftmals bis zu acht Stunden am Tag proben müssen - mit negativen Folgen nicht nur für die Körperhaltung und die sich daraus ergebenden körperlichen Krankheiten, sondern auch für die Psyche der Nachwuchsmusiker. Die neue Klinik will auch den immer häufiger anzutreffenden gedopten Musikern helfen. Immer öfter nehmen Berufsmusiker Betablocker, um den harten Arbeitsrhythmus vor allem auf Tourneen auszuhalten. Viele Musiker nehmen auch Drogen, um ihre Ängste vor einem möglichen Versagen auf der Bühne in den Griff zu bekommen. Psychologen in der Klinik wollen Betroffenen helfen, von diesen Drogen los zu kommen. Ein anderer wichtiger Behandlungszweig der apulischen "Music Clinic" betrifft die Vorbeugung von typischen Musikerkrankheiten. Dazu dient der Probenraum mit seiner Kameraüberwachung, erklärt Signora Sansonetti:

    Die Klinik in Bari spricht in diesem Zusammenhang vom "dualen Test": die Ärzte filmen einen Maestro und seinen Schüler beim Musizieren. Auf diese Weise können sie im Anschluss an diesen Test genau ermitteln, wie sich eine falsche Körperhaltung von einem Lehrer auf seinen Schüler überträgt.

    Falsche Körperhaltungen, die nach Jahren auch bei den Nachwuchsmusikern zu Haltungsschäden führen können. Pathologien, die sich mit Hilfe des dualen Tests früh erkennen und gezielt vermeiden lassen. So bringen die Mediziner der "Music Clinic" gefährdeten Musikschülern bei, wie sie sich richtig hinsetzen und ihren Körper halten müssen, um Krankheiten und Schmerzen zu vermeiden. Damit die Musik auch den Musikern lange Spaß macht.

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