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'Wenn Schwarzgelder wieder zurückfließen, dient dies der gesamten Bevölkerung'

Zagatta: Dass die Regierung einen ziemlichen Fehlstart hingelegt hat, das wird wohl kaum jemand ernsthaft bestreiten. Aber jetzt könnten bessere Zeiten anbrechen. Die Abgeltungssteuer, die Kanzler Schröder nun doch aus dem Hut gezaubert hat, trifft auf fast allgemeine Zustimmung und nun haben sich die Koalitionäre gestern Abend auch noch mit der Opposition auf die Umsetzung des Hartz-Paketes geeinigt. Entwickelt die rot-grüne Regierung also endlich ein glücklicheres Händchen? Das wollen wir jetzt Christine Scheel fragen. Sie ist Finanzexpertin der Grünen und Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundestages. Guten Morgen Frau Scheel!

    Scheel: Guten Morgen Herr Zagatta.

    Zagatta: Frau Scheel, Sie haben sich gestern Abend über den Teil des Hartz-Konzeptes, der auf die Zustimmung des Bundesrates angewiesen ist, so gut wie geeinigt. War das denn so schwer, etwa was die sogenannten Mini-Jobs angeht, sich da jetzt auf die Vorstellungen der CDU/CSU einzulassen?

    Scheel: Für uns Grüne war es nicht schwer - das muss man mal ganz klar sagen -, denn wir haben uns ja immer gewünscht, auch in der Entstehung des Hartz-Konzeptes, dass wir über die haushaltsnahen Dienstleistungen hinaus auch eine höhere Grenze bekommen, denn es geht auch darum, dass man die Schwarzarbeit bekämpft und dass man doch für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, aber auch für die Arbeitgeber diese Jobs attraktiver macht.

    Zagatta: Also die CDU hat quasi geholfen, Ihre Forderungen mit durchzusetzen?

    Scheel: Ganz so kann man das natürlich auch nicht sehen, sondern es ist eine Entwicklung in den letzten Jahren gewesen mit gewissen Vorstellungen. Man muss ja auch sagen, die Union hat lange Jahre Zeit gehabt, hat es nicht getan und in der Opposition redet es sich leichter. Für eine Regierung stellt sich natürlich immer auch die Frage, wie kann man das finanzieren, passt es in das bestehende System hinein, nutzt es wirklich. Nach einem sehr guten Diskussionsprozess sowohl in der Koalition als auch mit der Union sind wir jetzt einen großen Schritt weitergekommen.

    Zagatta: Beim Hartz-Konzept also die Einigung mit der Union. Bei der Zinssteuer zeichnet sich ja auch Übereinstimmung ab, nur dass die Union jetzt noch sagt, die von Ihnen geplanten 25 Prozent Abgeltungssteuer seien noch viel zu hoch. Gibt es da noch Verhandlungsspielraum?

    Scheel: Man muss hier mal auf dem Boden bleiben. Wir orientieren uns ja in dieser Frage auch an anderen europäischen Ländern. Es gibt ja einen wirklich seit Jahren schwelenden Zinssteuerstreit in Europa und keine Einigung. Beim letzten Treffen der EU-Finanz- und -wirtschaftsminister am 11. Dezember - noch gar nicht so lange her - gab es auch keine Einigung. Deswegen haben wir jetzt gesagt, wir müssen national reagieren, wir müssen also mit ein bisschen Zuversicht auch an die Sache herangehen und auch mit mehr Mut an die Sache herangehen. Im Prinzip geht es darum, dass wir Steuerhinterziehung bekämpfen wollen und dass wir dafür sorgen wollen, dass die Leute, die ihr Geld ins Ausland transferieren - das ist eine Schätzung von etwa 400 Milliarden Euro, die auf anderen Konten liegen, an die der deutsche Fiskus überhaupt nicht herankommt -, auch ihren Beitrag leisten sollen. Das ist die eine Sache, dass man versucht, im internationalen Bereich ein vernünftiges steuerliches Umfeld zu schaffen, wo wir national natürlich auch unseren Beitrag leisten müssen. Der Vorschlag einer Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf Zinserträge bewegt sich im internationalen Kontext. Die Österreicher haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Ich glaube, dass wir mit diesem Steuersatz wirklich gut liegen.

    Zagatta: Nun geben sich ja hierzulande mit Ausnahme der Gewerkschaften fast alle zufrieden. Warum ist der Koalition das nicht früher schon eingefallen, diese Abgeltungssteuer tatsächlich in die Tat umzusetzen?

    Scheel: Bei uns ist es auch wiederum so, dass ich mich in der letzten Legislaturperiode schon immer für eine Abgeltungssteuer eingesetzt hatte. Bei der Abgeltungssteuer ist es natürlich so, dass man mit einem festen Steuersatz besteuert wird. Das ist auch eine Debatte gewesen, wie weit diejenigen, die höhere Steuersätze haben, dann belohnt werden. Wir haben aber festgestellt, dass man das ganz frei von jeder Ideologie sehen muss, dass man einfach klar sehen muss, dass diejenigen, die jetzt unter 25 Prozent liegen, das Angebot einer Option wohl bekommen. Da sind wir in der Koalition noch in der Diskussion um die Details, wie wir das ausgestalten, dass diejenigen, die halt weniger Steuersatz haben, jetzt nicht plötzlich mehr bezahlen. Ansonsten gibt es eben diese 25 Prozent. Uns ist doch tausendmal lieber, wir haben Geld hier besteuert als Schwarzgeld irgendwo auf irgendwelchen Konten liegen, sei es in der Schweiz, in Luxemburg oder wo auch immer.

    Zagatta: Das ist klar, Frau Scheel, aber Sie haben die Abgeltungssteuer ja eigentlich schon in die Koalitionsverhandlungen mit eingebracht, waren mit diesem Vorschlag gescheitert. Wie haben Sie denn jetzt von dem Umdenken Gerhard Schröders erfahren? Wann hat er Sie informiert?

    Scheel: Es war ja so, dass wir schon des öfteren in Finanzerrunden darüber gesprochen haben und dass jetzt der Kanzler gemeinsam mit dem Finanzminister nach der letzten Debatte, die ja auf der europäischen Ebene stattgefunden hat, hier die Befreiung mehr oder weniger vorgestellt hat. Ich habe immer gesagt es ist ein Königsweg, es ist ein einfaches System, es ist einfach zu handhaben, es ist transparent für jeden. Man kann das auch wie gesagt im europäischen Kontext gut absichern und damit verbunden die Möglichkeit, dass auch Schwarzgelder wieder zurückfließen können nach Deutschland. So können wir davon ausgehen, dass wir auch wieder gut Geld in die Kassen bekommen, und das dient jetztendlich ja der gesamten Bevölkerung.

    Zagatta: Sie und die Grünen wollten diese Abgeltungssteuer. Es hat jetzt Annäherung zwischen Ihren Vorstellungen und der Union beim Hartz-Konzept gegeben. Sie wollten die Abgeltungssteuer, die Union wollte sie. Stehen denn die Grünen wirtschaftspolitisch der Union mittlerweile nicht schon viel näher als der alten Tante SPD?

    Scheel: Ich sage es mal so: die Grünen machen eine Wirtschafts-, Finanz- und Haushaltspolitik, die sich frei von irgendwelchen Ideologien bewegt. Wir wollen eine Politik machen, die gut ist, die vernünftig ist. Wir gucken nicht, was die Gewerkschaften in dem Zusammenhang wollen. Wir lassen uns auch nicht von Arbeitgeberverbänden unter Druck setzen.

    Zagatta: Aber von der SPD?

    Scheel: Wir sind in einer Koalition und da muss man natürlich auch die Fragen aushandeln. Solange es gut ausgeht, sind wir ja gut dabei!

    Zagatta: Auch wenn es lange dauert?

    Scheel: Auch wenn es manchmal ein bisschen länger dauert, aber jetzt haben wir den Optimismus und wir haben auch die Zuversicht, gemeinsam in der Koalition, dass wir nach vorne kommen. Die Umsetzung wird auch gut laufen. Wir werden uns die notwendige Zeit lassen bis in den Januar hinein, das Gesetz im Detail vorzulegen, und werden dann beschließen.

    Zagatta: Über die Abgeltungssteuer hinaus sind ja auch Kontrollmitteilungen der Banken ans Finanzamt noch immer im Gespräch. Die Grünen waren bisher dagegen. Wenn das ganze kommt, dann hat dies ja zweierlei zur Folge: einmal einen enormen bürokratischen Aufwand und das Bankgeheimnis würde auf breiter Front aufgehoben. Macht Ihnen das jetzt keine Bauchschmerzen mehr?

    Scheel: Wir haben damit Probleme - das kann ich ganz offen sagen -, weil wenn direkt abgeführt wird von den Banken an die Finanzämter, erübrigt sich national gesehen die Frage der Kontrollmitteilungen. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch sehen, dass wir nicht nur in den EU-Staaten, sondern auch in den Anrainerstaaten mit den ganzen Finanzzentren, die es dort gibt - da denke ich in erster Linie auch an die Schweiz -, über angefallene Zinserträge von Anlegern aus den Staaten der Europäischen Union informiert werden müssen, damit man international auch ein vernünftiges System hat. Dafür sind wir natürlich auch, aber ich habe den Eindruck oder die Befürchtung, dass das im Januar wieder nicht gelingen wird, und wenn einzelne Staaten nicht bereit sind zu informieren, dann ist es national gesehen auch nicht unbedingt sinnig, wenn wir eine solche Bürokratie unseren einzelnen Behörden zumuten.

    Zagatta: Frau Scheel, jetzt hat die Koalition wochenlang darüber diskutiert, wie Superreiche dazu gebracht werden könnten, mehr Steuern zu zahlen, mit dem Ergebnis, dass jetzt eigentlich fast genau das Gegenteil gemacht wird. Große Vermögen werden bessergestellt. Steckt dahinter noch irgendein steuerpolitisches Konzept?

    Scheel: Dahinter steckt, dass wir wissen, dass es wie gesagt geschätzte 400 Milliarden Euro auf ausländischen Konten gibt. Was hat denn Deutschland davon, wenn wir immer wieder sagen, leistet euren Beitrag, zahlt hier eure Steuern, und wohl wissen, dass diejenigen, die steuerehrlich sind, die hier ihre Erwerbseinkünfte und ihre Zinserträge vernünftig besteuern, immer diejenigen sind, die sich dann ungerecht behandelt fühlen. Das heißt wir müssen sehen, dass wir eine Brücke bauen. Das haben die Italiener jetzt beispielsweise auch gemacht. Dort sind fast 100 Milliarden aus der Schweiz nach Italien zurückgeflossen. Daran kann man sich doch auch ein Beispiel nehmen. Uns geht es darum, dass wir die notwendige Infrastruktur sicherstellen, Bildung beispielsweise in den Ländern - die Länder sind ja verantwortlich für die Bildungspolitik -, dass wir hier einen Schritt weiterkommen - da haben wir große Defizite in Deutschland -, oder dass wir auch auf der Bundesebene weitere unsere Haushaltskonsolidierung machen können und dass wir nicht an einer anderen Stelle die Steuern erhöhen müssen.

    Zagatta: Das war Christine Scheel, die Finanzexpertin der Grünen und Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundestages. - Frau Scheel, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Link: Interview als RealAudio