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"Wenn sich Kunden verabschieden, wird es am Ende Arbeitsplätze kosten"

Der Vorsitzende der Verkehrsgewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, hat den Lokführerstreik kritisiert. "Ich glaub, hier gibt es nur Verlierer", sagte Hommel.

Moderation: Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Atempause im Tarifkonflikt zwischen Deutscher Bahn und Lokführergewerkschaft GDL, das haben wir eben gehört, aber mehr als eine Gelegenheit zum Luftholen für die Kontrahenten ist es nicht. Eine Lösung des Tarifkonflikts zeichnet sich weiter nicht ab, denn die Parteien sind schon seit Wochen nicht einmal zu Verhandlungen zusammengekommen. Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Klaus-Dieter Hommel, dem Vorsitzenden der Verkehrsgewerkschaft GDBA, guten Morgen!

    Klaus-Dieter Hommel: Schönen guten Morgen.

    Schulz: Herr Hommel – worum geht es eigentlich?

    Hommel: Aus meiner Sicht geht es hier nicht in Wirklichkeit um eine tarifpolitische Auseinandersetzung, sondern um eine organisationspolitische Frage für den Vorstand der GDL. Wenn die GDL wirklich mehr Geld für ihre Lokführer haben möchte, dann muss sie jetzt mit der Tarifgemeinschaft gemeinsam an den Verhandlungstisch, über ein neues Entgeltsystem reden, wo dann am Ende auch für ihre Kollegen sicherlich deutlich mehr Geld rauskommt.

    Schulz: Drei Tage Streik liegen hinter uns, wer ist Sieger?

    Hommel: Ich glaube, hier gibt es nur Verlierer. Hier gibt es Verlierer auf Seiten der Kunden der Bahn, die massiv belastet wurden, aber am Ende sind auch die Kolleginnen und Kollegen der Bahn Verlierer, denn wenn sich Kunden von der Bahn verabschieden, dann wird es am Ende Arbeitsplätze kosten.

    Schulz: Ich habe in einem Interview Kritik von Ihnen gelesen, Sie werden da zitiert mit der Äußerung, der GDL gehe es nicht um einen Tarifvertrag, sondern um Geld. Was ist daran eigentlich verwerflich?

    Hommel: Ich glaube, dass es mit dem eigenständigen Tarifvertrag eine Legende ist. Die GDL hat einen eigenständigen Tarifvertrag, sonst könnte sie diese Tarifauseinandersetzung im Augenblick rechtlich überhaupt nicht führen, und in Äußerungen der Kollegen des GDL-Vorstandes ist ja immer wieder deutlich geworden, dass sich nicht die Frage stellt, wie hoch ist am Ende die Einkommenserhöhung, sondern es muss aus ihrer Sicht ein eigenständiger Tarifvertrag, oder – um es richtig zu sagen – ein anderer Tarifvertrag sein. Und ich glaube, den Beschäftigten ist es am Ende ziemlich egal, aus welchem Tarifvertrag sie ihr Geld bekommen, sondern ihnen geht es darum, letztendlich eine bessere Bezahlung zu erreichen.

    Schulz: Sie kritisieren die GDL, auch von der anderen Verkehrsgewerkschaft Transnet gibt es Kritik an der GDL. Macht man es damit nicht der Arbeitgeberseite zu leicht? Wäre nicht Solidarität der Gewerkschaftler untereinander erste Bürgerpflicht?

    Hommel: Ich glaube, dass die jetzige Situation ganz deutlich zeigt, dass nur mit Solidarität der Gewerkschaften etwas durchsetzbar wäre, denn wenn wir gemeinsam Druck auf den Bahnvorstand im Hinblick auf Tarifverhandlungen ausgeübt hätten, dann hätten wir sicherlich schon einen Erfolg gehabt. Nur, wir sind der Auffassung, dass Kolleginnen und Kollegen bei der Bahn insgesamt ein Verbundprodukt produzieren, und es nicht möglich ist, eine Berufsgruppe aus diesem System herauszureden.

    Schulz: Haben Sie Ihre Druckmittel möglicherweise schon zu früh aus der Hand gegeben? Ihr Abschluss steht ja, 4,5 Prozent mehr Lohn und eine Einmalzahlung von 600 Euro.

    Hommel: Wir haben unsere Druckmittel nicht zu früh aus der Hand gegeben, wir haben sie hart mit dem Bahnvorstand verhandelt, wir haben den besten Tarifabschluss erzielt in der Geschichte der Bahn AG ,und wir meinen auch berechtigt, weil die Kolleginnen und Kollegen in den letzten Jahren einen erheblichen Beitrag zur Sanierung des Unternehmens beigetragen haben. Und wir sind jetzt in Verhandlungen über ein neues Entgeltsystem, und der Bahnvorstand hat uns bereits zugesagt, hier deutliche Millionenbeträge in die Hand zu nehmen, um dieses System, was bereits jetzt seit mehr als zehn Jahren existiert, deutlich zu renovieren im Hinblick auf Qualifizierung, Belastung und Leistung den Mitarbeitern einen gerechten Lohn zukommen zu lassen.

    Schulz: Blicken wir noch auf die Auseinandersetzungskultur zwischen Deutscher Bahn und der GDL. Die Bahn hat ja vorgestern wieder Klage eingereicht, gerichtet diesmal auf Schadensersatz in Höhe von fünf Millionen Euro, wegen der Warnstreiks im Juli. Setzt sich da eine Verlagerung des Tarifkonflikts auf die Gerichte fort?

    Hommel: Also, wir haben schon immer wieder, und ich habe das auch persönlich getan, deutlich gemacht, dass ich nichts davon halte, Tarifauseinandersetzungen vor Gericht zu entscheiden. Insofern halte ich die Klagen der Bahn für falsch. Allerdings müssen auch wir uns als Gewerkschaften natürlich auf dem Boden des Rechts bewegen. Das haben wir immer getan, wir sind mit dem Mittel des Streiks sehr verantwortungsvoll umgegangen und sehen dies als Ultimaratio, also am Ende der Auseinandersetzung. Gerichte können Tarifkonflikte nicht entscheiden.

    Schulz: Wird das Arbeitsrecht denn aber auch diesem Tarifkonflikt gerecht? Es ist ja so, dass die GDL arbeitsrechtlich durchaus in der Zwickmühle ist. Wenn sie sich einlässt auf Tarifverhandlungen, dann gilt für sie automatisch die Friedenspflicht, dann gibt sie automatisch ihre gefährlichste Waffe, das Streikrecht, aus der Hand. Kann es sein, dass das Arbeitsrecht einfach mit dieser Art von Tarifkonflikt gar nicht umzugehen weiß?

    Hommel: Ja, auch das ist nicht ganz richtig. Wenn man verhandelt, ist man nicht automatisch aus der Friedenspflicht. Wer einen Tarifvertrag gekündigt hat, und wenn dieser Tarifvertrag dann nicht mehr in seiner Laufzeit ist, der kann auch mit den Mitteln des Arbeitskampfes arbeiten, das heißt also, die Aussage, die GDL wäre automatisch in der Friedenspflicht, wenn sie jetzt verhandelt, stimmt nicht. Hier wird zurückgegriffen auf das Moderatoren-Ergebnis, wo sich alle Beteiligten für den Fall von Verhandlungen verpflichtet haben, Arbeitskampfmaßnahmen für die Zeit der Verhandlungen zu unterlassen. Das ist ein ganz vernünftiger Schritt, allerdings ist das nicht automatisch so.

    Schulz: Es gibt noch ein weiteres Modell, das jetzt diskutiert ist, das so aussieht, dass die Lokführer in eine Servicegesellschaft ausgegliedert werden. Was ist von dem Modell zu halten?

    Hommel: Also, ich halte von der Ausgliederung überhaupt nichts. Ausgliederungen haben in der letzten Zeit, und das sieht man in anderen Bereichen sehr deutlich, immer dazu geführt, dass sich die Beschäftigungsverhältnisse für die Beschäftigten in solchen Gesellschaften verschlechtern würden. Das heißt, eine solche Ausgliederung müsste auch aus unserer Sicht genau geprüft werden, und wir würden in diesem Fall fordern, dass auf jeden Fall Sicherungsmechanismen vereinbart werden, die die Kolleginnen und Kollegen nicht schlechter stellen.

    Schulz: Also, eine grundsätzliche Ablehnung höre ich da nicht raus?

    Hommel: Die Frage, ob wir grundsätzlich ablehnen, können wir heute noch nicht beantworten, denn wir müssten die Kriterien kennen. Allerdings: Der Weg, so wie er sich jetzt abzeichnet, wäre aus unserer Sicht falsch.

    Schulz: Wie sieht ein möglicher Lösungsweg aus?

    Hommel: Ein Lösungsweg sieht so aus, dass die GDL zurückkommt an den Verhandlungstisch, mit uns gemeinsam – mit der Tarifgemeinschaft aus Transnet und GDBA – die Verhandlungen aufnimmt, federführend für die Kollegen der Lokführer verhandelt, und wir dann am Ende zu einem transparenten, vernünftigen und gerechten Entgeltsystem kommen, für alle Beschäftigten der Bahn AG.

    Schulz: Einschätzungen von Klaus-Dieter Hommel, dem Vorsitzenden der Verkehrsgewerkschaft GDBA. Vielen Dank Ihnen!

    Hommel: Bitteschön!