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'Wer Milch und Honig verspricht betreibt politische Scharlatanerie'

Simon: Mit der FDP und den Grünen hat es nicht geklappt. Nun steht in Berlin die Ampel auf Rot. Die Berliner SPD will es jetzt mit der PDS versuchen. In etwas weniger als eine Stunde wollen sich Sozialdemokraten und Sozialisten im kleinen Kreis zusammensetzen. Dabei sein wird auch Harald Wolf, der Fraktionschef der PDS im Berliner Abgeordnetenhaus. Mit ihm bin ich nun verbunden. Guten Morgen.

    Wolf: Guten Morgen, Frau Simon.

    Simon: Herr Wolf, erst will die SPD nicht mit Ihnen und jetzt, wo es wohl nicht anders geht, dann doch. Ist Ihnen wohl dabei, die zweite Wahl zu sein?

    Wolf: Na ja, ich empfinde uns nicht als zweite Wahl, sondern es war ja nun so, dass die Verhandlungen mit FDP und Grüne u.a. aufgrund eines doch sehr deutlichen Hinweises des Bundeskanzlers an Klaus Wowereit stattgefunden haben. Wir haben das immer für eine unrealistische Koalition gehalten. Beide Parteien, FDP und Grüne, sind von ihren politischen Positionen, von ihrer politischen Kultur her so gegensätzlich, dass daraus keine wirklich tragfähige Koalition entstehen konnte. Klaus Wowereit hätte es früher wissen können und musste aufrichtig diese Erfahrung nochmals machen, und es ist auch gut so.

    Simon: Die PDS ist ja nun durch die Situation in einer ganz guten Verhandlungsposition. Wollen Sie denn die von der SPD vorgesehenen Personaleinsparungen so mittragen? Klaus Wowereit hat ja gestern Abend bereits gesagt, auch mit der PDS könnte es keine Schönwetterpolitik geben. Es müsste bittere Einschnitte geben.

    Wolf: Letzteres ist natürlich absolut richtig, angesichts der Haushaltslage in Berlin, die eine wirkliche Haushaltsnotlage ist, mit 10 Milliarden - das sind 25 Prozent unserer Ausgaben -, die im nächsten Haushaltsjahr als Defizit bestehen. Wer da das Land von Milch und Honig verspricht, der betreibt politische Scharlatanerie. Was die Senkung von Personalaufgaben angeht haben wir immer gesagt, es kommt einmal darauf an, weiter im öffentlichen Dienst Berlins Personal abzubauen, aber vor allen Dingen in den eigentlichen Verwaltungsbereichen, in der Verwaltung der Verwaltung und nicht bei den Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger. Da - denke ich - werden wir uns mit den Sozialdemokraten auf ein gemeinsames Konzept verständigen können, und wir werden mit ihnen nochmals über ihre Vorstellungen reden müssen, über ein Beschäftigungspakt mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, weil das nur funktionieren wird, wenn es da wirklich ein ausgewogenes Verhältnis von Geben und Nehmen gibt. Da scheint uns doch das, was bei der Ampel besprochen und verhandelt worden ist, diese Balance nicht zu halten.

    Simon: Was ist denn für Sie ausgewogen?

    Wolf: Ausgewogen heißt, ich kann den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht einfach den Lohnverzicht, so wie die Ampel das getan hat, verlangen, möglicherweise bis hin zum Ausstieg aus dem Flächentarifsvertrag, er ist für uns unantastbar, das können wir nicht machen, weder über den öffentlichen Dienst noch in der bundesdeutschen Hauptstadt. Worüber wir mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes reden können, ist, über neue Formen der Arbeitszeit, über neue Teilzeitregelungen, auch über einen differenzierten Gehaltsausgleich, aber für die Beschäftigten muss ein Licht am Ende des Tunnels erkennbar sein, und da muss es dann auch Gegenleistungen geben, z.B. auf der Ebene von Mitbestimmungsrechten, usw.

    Simon: Herr Wolf, wenn in diesem Bereich nicht so eingespart werden kann, wie sich das z.B. die Koalition, die nun nicht zustande gekommen ist, vorgestellt hat, wo wollen Sie denn von der PDS noch stärker einsparen, denn Sie, als Haushaltsexperte, haben es selber gesagt, der Haushalt ist eine Katastrophe in Berlin?

    Wolf: Also, ich habe - um das nochmals klarzustellen - nicht gesagt, dass nicht in dem Umfang eingespart werden kann. Ich habe nur gesagt, nicht auf diese Art und Weise. Was ansonsten die weiteren Einsparungen angeht ist klar, wir müssen alle Ausgabenblöcke überprüfen, z.B. die in Berlin immer noch reichlichen und üppigen Subventionen und Zuschüsse, die aus dem Landeshaushalt gezahlt werden. Das fängt mit der Wirtschafsförderung an, die aus meiner Sicht absolut uneffektiv in Berlin ist und in die falschen Bereiche fließt. Das geht weiter über die Förderung des Wohnungsbaus, die in Berlin keine Förderung der Mieterinnen und Mieter, sondern vor allen Dingen eine Förderung der Immobilienwirtschaft ist. Diese Bereiche müssen überprüft werden. Wir müssen uns auch nochmals das eine oder andere Investitionsprojekt ansehen. Und da müssen wir natürlich auch sehen, wie wir auch im Bereich der Sozialausgaben zu einer Optimierung können. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Es ist unglaublich teuer, Flüchtlinge in Sammelunterkünfte unterzubringen, wo sich dann die Betreiber dieser Sammelunterkünfte eine goldene Nase verdienen, anstatt sie menschenwürdig und zugleich billiger in den vielen in Berlin leerstehenden Wohnungen unterzubringen.

    Simon: Herr Wolf, es gibt noch ein anderes Problem jenseits von den reinen Sachproblemen. Berlin war ja über Jahrzehnte das Symbol der Teilung Deutschlands. Die Mauer war so etwas wie steingewordene Brutalität. Aus der Westhälfte der Stadt schlägt Ihnen, schlägt der PDS viel Misstrauen und Ablehnung entgegen. Wie werden Sie damit umgehen?

    Wolf: Der erste Punkt ist, dass wir das zur Kenntnis nehmen und nie vergessen, dass es in dieser Stadt wirklich tiefe Verletzungen aus der Zeit der Teilung aufgrund des Mauerbaus gibt, und dass man von unserer Seite aus die entsprechende Sensibilität des Umgangs damit hat, d.h. nicht in Arroganz verfallen, nicht so zu tun, als ob diese Geschichte in der Stadt nicht existiert hätte. Wir haben gerade in diesem Jahr versucht, sehr deutlich zu machen, dass uns das bewusst ist, mit einer klaren Verurteilung des Mauerbaus seitens der Berliner PDS. Zu dem Thema der Vereinigung von KPD und SPD zur SED, auch hier eine klare Stellungnahme, dass dies nicht demokratisch geschehen ist und zu kritisieren ist. Wir müssen diesen Prozess in einer Vielzahl von Punkten weiter fortführen und den Opfern dieser Politik mit Respekt gegenübertreten und alles tun, damit die Geschichte in dieser Stadt aufgearbeitet wird, gerade auch von uns aufgearbeitet wird. Ansonsten gilt es, durch politische Praxis, durch demokratisches Handeln Vertrauen zu erwerben

    Simon: Herr Wolf, werden Sie diese Grundgedanken auch dann einfließen lassen, wenn es um die Besetzung der Ressorts geht, also bestimmte Leute mit bestimmter Vergangenheit nicht für Ressorts nominieren?

    Wolf: Es ist für uns immer klar gewesen, dass es auch bei der Besetzung von Funktionen eine Sensibilität geben muss. Für uns gilt ein Grundsatz: alle müssen, wenn sie sich für ein Amt bewerben, offen über ihre politische Vergangenheit sprechen, möglicherweise auch über Schattenseiten ihrer Biografie, damit sie der Öffentlichkeit bekannt sind, damit sie in der Öffentlichkeit diskutiert werden können und dies auch bei Wahlentscheidungen berücksichtigt werden kann.

    Simon: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wolf.

    Link: Interview als RealAudio