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"Wer viel hat, gibt viel"

Eckhart Fiedler, Vorstandschef der Barmer Ersatzkasse, hat gefordert, die privat Krankenversicherten an dem Solidarausgleich zwischen Stärkeren und Schwächeren zu beteiligen. Das könne über Steuern geschehen. Einen Zusammenschluss von privaten und gesetzlichen Kassen lehnt er jedoch ab. Die private Krankenversicherung arbeite gewinnorientiert, gesetzliche Kassen hätten hingegen einen sozialen Auftrag im Umlagesystem. Das passe nicht zusammen, so Fiedler.

Moderation: Christine Heuer |
    Christine Heuer: Geld drucken müsste man können und zwar unbegrenzt und ohne Rücksicht auf Verluste, dann wäre auch die Reform des Gesundheitssystems kein Problem mehr, denn die wird im Moment ja fast ausschließlich unter der Fragestellung beraten, woher das viele Geld kommen soll, mit dem das bestehende System aufrecht erhalten werden und vielleicht noch ausgebaut werden könnte. In den Regierungsparteien zerbrechen sich die Politiker darüber die Köpfe und alle verfallen sie am Ende auf den Bürger als Zahlesel. Bei mir im Studio ist der Vorstandsvorsitzende der Barmer Ersatzkasse. Ich möchte mit ihm über die jüngsten Vorschläge aus der großen Koalition sprechen. Guten Morgen, Eckhart Fiedler.

    Dr. Eckhart Fiedler: Guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Der Streit darüber, woher das Geld kommen soll, tobt. Ein neuer Vorschlag ist die Einkommenssteuer zu erhöhen. Wäre das aus Ihrer Sicht in Ordnung?

    Fiedler: Ja gut, ich meine, erstmal muss man daran denken, uns Geld nicht weg zu nehmen. Sie sprachen vom Gelddrucken. Der Gesetzgeber hat ja vor drei Jahren einen Bundeszuschuss beschlossen. Das sind 4,2 Milliarden, die wir dieses Jahr zum ersten Mal voll kriegen, und ab nächstem Jahr soll er wieder sukzessive gestrichen werden, und das reißt eine Lücke. Und zusätzlich die Mehrwertssteuererhöhung, also hier sind fünf Milliarden die uns erst einmal entzogen werden und die man wieder durch andere Quellen decken muss, und ob das dann die Einkommenssteuer ist oder andere Quellen, das gilt es jetzt zu entscheiden.

    Heuer: Und wofür würden Sie sich entscheiden?

    Fiedler: Das ist eine Frage auch der Gerechtigkeit. Es gibt krankenversicherungsfremde Aufgaben, die der Gesetzgeber beschlossen hat, die sollen auch dann sozusagen über allgemeine Lasten finanziert werden, und da wäre ein Zuschlag zum Beispiel zur Einkommenssteuerschuld ein richtiger Weg, weil er nach Leistungsfähigkeit belastet. Wer viel hat, gibt viel. Und entsprechend werden diese Aufgaben finanziert. Hier steht ja in den Wahlprogrammen zum Beispiel bei der CDU/CSU noch drin, dass man eine steuerfinanzierte Kinderpauschale einführen will und das geht eigentlich nur über einen Zuschlag über die Einkommenssteuer, weil die Mehrwertsteuererhebung jetzt eigentlich ja ausgequetscht ist. Von daher läge das auf der Hand und diejenigen, die jetzt protestieren, müssen sich natürlich fragen, warum haben sie vor der Wahl etwas anderes ins Spiel gebracht, was sie heute negieren, also dieser Weg bietet sich eigentlich an.

    Heuer: Die Regierung sagt nun, es sei gar nicht die Rede davon, die Bürger zusätzlich zu belasten, im Gegenteil, man wolle sie entlasten. Das ginge aber nur, wenn die Krankenkassen, wenn Sie zum Beispiel bei der Barmer, die Beiträge senken würden. Können Sie denn das fest zusagen?

    Fiedler: Also nichts lieber als das würde ich tun, die Beiträge zu senken, ist doch klar. Das ist das Schönste, was man verkünden kann, auch im Wettbewerb, im harten Wettbewerb, in dem wir stehen. Nur dann darf die Politik uns nicht erstmal fünf Milliarden - anteilig für die Barmer sind das 600 Millionen, 650 Millionen, die uns fehlen -, die darf man uns nicht wegnehmen. Also diese Lücke kann ich ja nicht schließen durch Sparmaßnahmen. Wir sehen ja gerade im Krankenhaus, jetzt wird auch im kommunalen Bereich gestreikt oder eine Streikdrohung steht im Raum. Dahinter steht die Forderung nach mehr Geld. Der Marburger Bund hat bei den Universitätskliniken doch erhebliche Zuschläge durchgesetzt. Letztlich landen die doch bei uns in der Finanzierung. Und wo soll das Geld herkommen, frage ich mich, wenn nicht über Beitragserhöhungen, wenn uns sozusagen hier diese Lücken gerissen werden. Also hier muss die Politik sich schon etwas Gescheiteres einfallen lassen.

    Heuer: Eine Senkung können Sie sich jedenfalls nicht vorstellen?

    Fiedler: Vorstellen schon, sage ich, aber ich kann sie nicht realisieren.

    Heuer: Ein anderer Vorschlag kommt von Ulla Schmidt. Sie sagt, die Beitragsbemessungsgrenze solle angehoben werden für die Versicherten. Das würde die Besserverdienenden treffen. Haben Sie da nicht die Sorge, wenn es so käme, dass die Ihnen in Scharen zur privaten Krankenversicherung davon laufen?

    Fiedler: Absolut richtig. Also wenn ich heute die Belastung der Besserverdienenden, die ja als Freiwilligversicherte auch bei uns bleiben können, wenn ich die erhöhe und nicht zugleich die Versicherungspflichtgrenze anhebe, haben wir dort entscheidende Verluste. Das heißt wir verlieren ja schon so im Jahr annähernd 300.000 junge, gesunde Mitglieder, die in die PKV wechseln und bei uns einen Finanzkraftverlust hinterlassen von 1,4 Milliarden Euro jährlich, und davon profitiert natürlich die PKV. Wenn die PKV als stabiles, gesundes System bezeichnet wird, dann ist das richtig, aber nur deshalb, weil sie im Grunde genommen eine sehr diffizile Rosinenpickerei betreibt. Sie holt sich die guten, gesunden Versicherten bei uns raus und baut von dort her dann gute Solidargemeinschaften auf. Also das kann ich auch.

    Heuer: Muss denn die Politik gegen diese Entwicklung, die Sie voraussehen, die ja auch viele andere voraussehen, eine Bremse einziehen und worin könnte die bestehen?

    Fiedler: Gut, also die PKV muss irgendwo an diesem Solidarausgleich zwischen Stärkeren und Schwächeren beteiligt werden, denn die Klientel in der PKV ist ja die Stärkere. Sie liegen im Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze, also sie liegen über den Monatseinkünften von 3937 Euro, also das ist schon immerhin ein ganz guter Verdienst. Sie sollten irgendwo ein Stück mitbeteiligt werden. Das könnte auch über Steuern geschehen. Also wenn ich einen Zuschlag zur Einkommenssteuer einführen würde, würden ja davon auch die Privatversicherten belastet und die Sozialversicherten profitieren davon. Also welchen Weg man da wählt, das gilt es jetzt abzuwägen. Ich allerdings habe auch eine Position: Ich würde nicht die beiden Systeme zusammenschließen. Das wäre wie Feuer und Wasser. Die private Krankenversicherung ist gewinnorientiert und wir arbeiten mit einem sozialen Auftrag im Umlagesystem. Das passt nicht zusammen. Entweder man macht eine reine Bürgerversicherung oder eine reine Kopfpauschale in einem System oder man sagt nur, die PKV soll sich sozusagen mit einem Beitrag an den Solidarkosten beteiligen.

    Heuer: Egal woher das Geld am Ende kommt, es soll dann nach den jetzigen Plänen der Regierung, von denen wir hören, in einen Gesundheitsfond fließen. Wenn es den gibt, diesen Geldtopf für alle Krankenversicherungen, welche Existenzberechtigung haben dann eigentlich noch die einzelnen Versicherer? Warum brauchen wir dann noch eine Barmer Ersatzkasse?

    Fiedler: Also das eine ist ja hier die Finanzierungsquelle. Um die geht es: Wo kommt das Geld her und zahle ich es erst einmal in einen Fonds? Wir haben ja heute einen Finanzausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung, der nennt sich Risikostrukturausgleich. Da zahlen wir 90 Prozent unsere Einnahmen rein und die werden dann wieder umgemischt nach Alter und Geschlecht und dann kriegen wir wieder Pauschalen zurück. Also hier würde dieser Fonds bedeuten, dass 100 Prozent erst einmal in den Fonds fließen, und dann kriegen wir daraus die Pauschalen. Die Sinnhaftigkeit erschließt sich mir auch nicht ganz, aber gut, okay, wenn das der Kompromiss ist zwischen Bürgerversicherung und Kopfpauschale, dann kann man damit leben.

    Aber es ist natürlich logisch, dass der Wettbewerb jetzt geführt wird, zwischen den einzelnen Versicherungsunternehmen. Wenn da nur noch einer wäre, na, der würde sich doch zurücklegen, würde bürokratisch verkrusten, würde sagen: Versicherter, was willst du denn? Heute sagen wir im Wettbewerb: Bitte, was können wir für Sie tun? Wo können wir Ihnen helfen? Das heißt, die Beratung, der Service, das Kosten-Leistungsmanagement, das ist Ausdruck eines Wettbewerbs, den wir führen, um eine effiziente Versorgung zu Gunsten unserer Versicherten.

    Heuer: Die Strukturveränderung, das Sparen im System, die Möglichkeit, das Geschäft sozusagen effizienter zu gestalten, das ist kein großes Thema mehr, ist aber auch ein Teil dessen, was man sich unter Gesundheitsreform vorstellt. Es ist scheinbar einfacher, vom Bürger Geld zu verlangen, als sich mit den Ärzten, der Pharmaindustrie und den Apothekern anzulegen.

    Fiedler: Ja gut, ich meine, da haben Sie völlig Recht: Man darf nicht nur auf die Einnahmenseite, man muss auch auf die Ausgabenseite schauen. Dort gilt es im Grunde genommen, die Wirtschaftlichkeit, die Qualität zu erhöhen durch entsprechende Maßnahmen der Vernetzung in der medizinischen Versorgung, Abbau von Monopolstrukturen, die wir haben, und vor allen Dingen durch Einführung von mehr Vertragsfreiheit, damit die großen Kassen - wir würden liebend gerne eine volle Vertragsfreiheit für uns beanspruchen - sozusagen ihre Marktmacht ausspielen können zu Gunsten ihrer Versicherten im Sinne, jetzt sage ich mal, einer hoch effizienten medizinischen Versorgung.

    Heuer: Sparen kann man im System zum Beispiel auch bei den Vorstandsbezügen. Herr Fiedler, das sind sehr große Summen, immer wieder im Gespräch, stehen auch in den Zeitungen, die die Vorstände der Kassen verdienen im Jahr. Wären Sie bereit auch da auf einen Teil zu verzichten?

    Fiedler: Haben wir getan. Wir haben als Vorstand der Barmer auf einen Teil verzichtet, angesichts der Not und der Situation. Das halte ich für selbstverständlich.