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Wer wird in Deutschland dekoriert?

Bis heute haben die Bundespräsidenten 240.000 Orden verliehen, bisweilen bis zu 6000 im Jahr. Heute ist die Zahl der Bundesverdienstkreuze deutlich zurückgegangen. Dennoch werden immer noch rund 2500 Orden, zumeist für ehrenamtliches oder gesellschaftliches Engagement verliehen. Doch nicht jeder nimmt die Auszeichnung an.

Von Reiner Scholz |
    "Das ist das Bundesverdienstkreuz. Ich habe mir sagen lassen: Erster Klasse, also nicht das ganz kleine, es gibt nämlich noch eins. Und das ist das Knöpfchen. Das Knöpfchen könnte ich jederzeit tragen. Aber das mache ich nicht."

    Christa Pfeiler ist sichtlich stolz auf das, was vor ihr auf der weißen Tischdecke liegt. Da ist zunächst eine kleine Anstecknadel in den deutschen Farben: offiziell "die Ordensminiatur" genannt oder "das Knöpfchen", wie Christa Pfeiler sagt. Daneben ein schlankes, rotes Kreuz mit einem schwarzen Bundesadler auf goldenem Grund in der Mitte. Die Schleife, an der das Kreuz hängt, gibt dem Orden eine feminine Note: Es ist die Variante für die Damen. In der Urkunde, die vor ihr liegt, ist vermerkt, wie sie das staatliche Schmuck-Stück tragen soll:

    "Herren tragen es an der linken oberen Brustseite. Die Auszeichnung ist in der Weise zu befestigen, dass die Nadel durch die äußere Kante des Revers verdeckt wird. Die Miniatur wird auf der oberen Hälfte des linken Revers oder am Knopfloch getragen. Damen tragen das Verdienstkreuz am Bande etwa eine Handbreit unterhalb der linken Schulter. Dasselbe gilt für die Miniatur."

    Die gebürtige Königsbergerin hat die Auszeichnung im vorigen Jahr erhalten:

    "Zuerst kam mal die Stunde, dass man mitgeteilt bekommen hat, dass das Bundesverdienstkreuz, die Urkunde von Herrn Köhler unterschrieben worden ist. Tag später hatte ich den Brief im Kasten."

    Den Orden überreicht ihr - in fast privater Runde - ein Hamburger Senator im Turmzimmer des Rathauses. Dem Orden liegt eine Erklärung bei, wann er zu tragen sei. Der Anlass soll "besonders" sein, schreibt das Bundespräsidialamt:

    "Es entspricht dem Sinn und der Bedeutung dieser Auszeichnung, dass sie öffentlich getragen wird. Der Orden kann im Original bei allen feierlichen Anlässen angelegt werden. Eine bestimmte Kleidung ist dafür nicht vorgeschrieben. Sie soll jedoch dem Anlass und der Würde des Ordens entsprechen. Die Ordensminiatur sollte anstelle des Originals bei allen anderen Angelegenheiten getragen werden."

    Die Mittsiebzigerin kümmert sich seit 1990 intensiv um Kriegswaisen aus Königsberg, zu denen sie auch selbst zählt. Die etwa 5000 Kinder, die 1944 und `45 in den Wirren der letzten Kriegsmonate ihre Eltern verloren haben und 1947 in den Westen ausgesiedelt wurden, leben überall verstreut. Dass Hunderte dieser Kriegsopfer heute wissen, was mit ihnen damals geschehen ist, haben sie auch dem Netzwerk der ehemaligen Königsbergerin zu verdanken. Und so erwägt Christa Pfeiler zumindest die Knopfloch-Miniatur, womöglich sogar das Bundesverdienstkreuz, beim nächsten Treffen der Stadtgemeinschaft Königsberg erstmals anzulegen.

    "Da nehme ich es mal mit. Und da will ich mal sehen, wer was trägt. Das trage ich auf jeden Fall. Aber ob ich das andere trage, das weiß ich nicht. Das findet im Rathaus zum Beispiel statt, auch in der Kirche ist `ne Veranstaltung. Ich werde es mal mitnehmen, denn ich denke mir, ich hab's ja nicht umsonst bekommen, dass ich das jetzt in meinen Schrank reinlege."

    Freiwilliges Engagement in der Bürgergesellschaft: Bundespräsident Horst Köhler hat auch dieses Jahr wieder 25 Bürgerinnen und Bürger zum "Tag des Ehrenamtes" ausgezeichnet. Er wird heute, am 5. Dezember, weltweit gefeiert.

    Die Anfänge des Bundesverdienstkreuzes gehen in Deutschland auf das Jahr 1951 zurück. Der damalige Bundespräsident Theodor Heuss hat das Bundesverdienstkreuz damals gestiftet. Sein erster Träger war der hessische Bergmann Franz Brandl, ein Vertriebener aus dem Sudentenland. Brandl hatte zwei Kollegen das Leben gerettet, die 300 Meter unter Tage von einem Wassereinbruch überrascht worden waren.

    Bis in die 90er-Jahre gibt es Orden reichlich. 6000 Verleihungen im Jahr sind keine Seltenheit. Umgerechnet heißt das: ein Orden alle 90 Minuten. Verdiente Politiker und Unternehmer, Musiker, Wissenschaftler, Offiziere: Kaum einer entgeht an runden Geburtstagen diesem Ordenssegen. Anfangs existiert sogar ein Bundesverdienstkreuz für 50-jährige Betriebszugehörigkeit. Spötteleien, Bezeichnungen wie "Sitzfleischorden" oder "Kalkorden", machen die Runde. Da zudem verschiedene Orden und Abzeichen des Dritten Reiches erlaubt sind und gerne getragen werden, sehen Chronisten in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen der frühen
    Bundesrepublik geradezu eine "Ordenssucht".

    Bis heute haben die Bundespräsidenten 240.000 Orden verliehen. Die Liste ihrer Träger vermittelt einen aufschlussreichen Eindruck darüber, wen die Bundesrepublik in frühen Tagen für ordenswürdig gehalten hat. So bekommt 1954 der Privatsekretär des äthiopischen Königs Haile Selassie das Großkreuz. Unterstützung der NS-Diktatur ist da kein Hinderungsgrund. Geehrt werden auch der Rüstungsindustrielle Friedrich Flick und der Chemiker Heinrich Bütefisch. Und das, obwohl Bütefisch schon 1948 wegen Versklavung von Zwangsarbeitern zu sechs Jahren Haft verurteilt worden war. Oder SS-Hauptsturmführer Karl Maria Hettlage, mitverantwortlich für den Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen.

    Doch das ist nun Geschichte. Heute ist die Tendenz eine andere, so Martin Kothé, Pressesprecher des Bundespräsidenten:

    "Es geht in den vergangenen Jahren in der Tat darum, dass möglichst so wenige Orden pro Jahr verliehen werden, dass der besondere Wert des Bundesverdienstkreuzes auch deutlich wird. So hat es in den zurückliegenden Jahren durchaus Zeiten gegeben, in denen pro Jahr über 6.000 Bundesverdienstkreuze verliehen worden sind. Diese Zahl ist heute runtergegangen auf etwa 2.500 pro Jahr."

    Der Ordensschmuck, gefertigt von der Prägeanstalt "Steinhauer und Lück" in Lüdenscheid, besteht aus einer goldbeschichteten Kupferlegierung. Die farbigen Teile sind aus Emaille.

    Es gibt acht Ordensstufen. Sie reichen vom einfachen Verdienstkreuz über das Verdienstkreuz am Bande - der häufigsten Ehrung - bis zur Sonderstufe des Großkreuzes. Die Ex-Kanzler Konrad Adenauer und Helmut Kohl sind damit bedacht worden.

    Ordensverleihungen sind öffentlich. Nur die wenigsten Verdienstkreuze vergibt der Bundespräsident persönlich vor Ort. Die meisten Ehrungen finden in kleinem Kreis statt. Zuweilen werden sie nicht einmal von der Regionalpresse wahrgenommen. Und so manches Mal gibt es dabei auch heftigen öffentlichen Streit:

    "Der Herr Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland hat Herrn Heinz Eckhoff in Anerkennung der um Volk und Staat erworbenen besonderen Verdienste das Verdienstkreuz am Bande des Bundesverdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen."

    Das war im Jahr 2000. Der 77-jährige Kommunalpolitiker Heinz Eckhoff war über viele Jahre Bürgermeister der niedersächsischen Gemeinde Apensen. Als sich herumgesprochen hatte, dass der Christdemokrat nicht nur Angehöriger der Waffen-SS war, sondern Ende der 60er-Jahre auch als NPD-Kandidat in den Landtag von Stade eingezogen war, protestiert die Öffentlichkeit. So bei der Verleihungszeremonie in Stade:

    "Wenn der Mann Format gehabt hätte, dann hätte er das in dieser heutigen Zeit abgelehnt."

    Was diese Bürgerin fordert, kommt für Eckhoff aber nicht in Frage. Die Staatskanzlei in Hannover, die ihn vorgeschlagen hatte, sieht keinen Grund, ihre Entscheidung zu revidieren. Bundespräsident Rau lässt verlauten, er habe von Eckhoffs NPD-Engagement nichts gewusst. Der Landrat relativiert, er habe die Auszeichnung des Bundespräsidenten ja nur zu übergeben. So bekommt Heinrich Eckhoff schließlich seinen Orden.

    Zu Recht oder zu Unrecht verliehen: Diese Streitfrage existiert, seitdem es öffentliche Auszeichnungen gibt. Manchmal geht es nur darum, ob nicht ein anderer den Orden eher verdient hätte. Oder es ist nicht recht zu erkennen, worin denn nun das Besondere im Engagement des Ausgezeichneten besteht. Häufig aber prallen Meinungen unterschiedlicher politischer Lager aufeinander.

    So geschehen vor kurzem bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die jüdische Psychotherapeutin Felicitas Langer aus Tübingen. Die Menschenrechtsaktivistin äußert seit langem vehemente Kritik an Israel, nennt das Land einen Apartheidsstaat und erkennt in seiner Politik Parallelen zum Holocaust. Ein Umstand, der sie in den Augen etlicher jüdischer Prominenter als preisunwürdig erscheinen lässt. Der Frankfurter Anwalt Michel Friedman im Deutschlandradio:

    "Felicitas Langer hat zwar den Palästinensern die Unterstützung angeboten und auch für ihre Sache gekämpft, aber gleichzeitig Israel so verunglimpft, dass sie damit nicht mehr zur Brückenbildnerin geeignet ist."

    Das will die Ausgezeichnete und gleichermaßen Angegriffene natürlich so nicht stehen lassen:

    "Diejenigen, die keine Argumente haben, verleumden und beleidigen - und sicher, das tut weh! Ich glaube sehr, sehr tief, dass ich etwas Gutes für das israelische Volk auch mache, nicht nur für die Palästinenser. Ich möchte: Soll man die israelische Politik ändern und total ändern, weil andernfalls, es wird eine Tragödie auch für Israel sein, nicht nur für die Palästinenser!"

    Bei derartigen Konflikten drohen fast immer früher Ausgezeichnete mit der Rückgabe des eigenen Ordens. Als Felicitas Langer ihr Bundesverdienstkreuz erhält, will auch der empörte Schriftsteller Ralph Giordano seine Auszeichnung zurückgeben, behält sie dann aber letztlich doch. Anders Arno Hamburger, Vorsitzender der israelischen Kultusgemeinde in Nürnberg: Der schickt seinen Orden wirklich zurück.

    Im Frühjahr dieses Jahres lässt der wegen Steuerhinterziehung verurteilte ehemalige Postchef Klaus Zumwinkel seinen Orden zurückgehen - wie schon vor ihm der ehemalige VW-Personalvorstand Peter Hartz. Ein Kapitel, über das Pressesprecher Martin Kothé nach eigenem Eingeständnis nicht gern spricht:

    "Gleichwohl ist es so, dass es durchaus vorkommen kann, dass ein Ordensträger nach der Verleihung sich einer so schweren Straftat schuldig macht und dafür auch rechtskräftig verurteilt wird, dass er nicht länger als ordenswürdig im Sinne seiner Vorbildlichkeit angesehen werden kann. Hier gibt es die Möglichkeit, ein Entziehungsverfahren anzustrengen. In der Geschichte der Bundesrepublik musste es dazu nach meinem Kenntnisstand jedoch noch nie kommen. Es ist so, dass im Regelfall, wenn so etwas vorkommt, informell auf den Ordensträger zugegangen wird und man ihn bittet, sich damit zu beschäftigen, ob er selber seine Ordenswürdigkeit noch für gegeben hält, und in solchen Fällen haben in der Vergangenheit tatsächlich dann alle Ordensträger freiwillig den Orden an das Bundespräsidialamt zurückgegeben."
    Es gibt auch Menschen, die die Auszeichnung - aus prinzipiellen Erwägungen - gar nicht erst annehmen. Das gilt so vor allem für traditionsbewusste Hanseaten, hamburgische oder bremische Bürger. Einem Hamburger sei nicht zuzumuten, einen Orden fremder Herren anzunehmen, so heißt die stolze Devise, die auf das 13. Jahrhundert zurückgeht. Warum Orden? Man habe doch nur seine Pflicht getan, lautet ein anderer Einwand. Von dieser "hanseatischen Ablehnung", so der Fachbegriff, haben unter anderem Heidi Kabel, Helmut Schmidt, Hans-Olaf Henkel oder Jan Philipp Reemtsma Gebrauch gemacht.

    Etwas von dieser Haltung findet man auch bei Ursula Nölle. Sie ist die große, alte Dame der Afghanistan-Hilfe. Der Verein "Afghanistan-Schulen", den die Hamburgerin vor 25 Jahren gründete, hat bis heute 5,4 Millionen Euro gesammelt. Für das Bildungssystem im Norden Afghanistans. Dafür hat die heute 85-jährige Ursula Nölle eines ihrer Verdienstkreuze bekommen:
    "Meine Bundesverdienstkreuze, die liegen auf dem Bücherbord über meinem Bett und die hab ich noch nie getragen. Ich hab zu denen gesagt: Schlaft gut, hier im Schlafzimmer, wer weiß, wann wir uns wiedersehen! Also, ich betrachte das eigentlich mehr als einen Tribut an unseren Verein, wenn ich so eine Ehrung bekomme. Ich selber, muss sagen, bin da eher bescheiden in der Richtung."

    Der Kreis derer, die überhaupt ausgezeichnet werden dürfen, ist eingeschränkt. So heißt es in den Richtlinien zum Beispiel:

    "Der Verdienstorden kann nicht nach dem Tod verliehen werden".

    Doch niemand zwingt den Bundespräsidenten, sich daran zu halten. Vor wenigen Monaten erst hat Horst Köhler dem Münchner Unternehmer Dominik Brunner das Bundesverdienstkreuz posthum verliehen. Brunner war wenige Wochen zuvor von Jugendlichen zu Tode getreten worden, als er Kindern zur Hilfe kommen wollte.

    Es heißt auch, die zu ehrende Person sollte mindestens 40 Jahre alt sein. Als der gebürtige Stuttgarter Benny Adrion vor wenigen Monaten im Schloss Bellevue das Bundesverdienstkreuz erhält, ist er erst 28.

    "Man geht einmal nach vorne, man setzt sich dann auch relativ schnell wieder. Bis man vorne ist, ist die Laudatio weitestgehend gelaufen. Dann kann man kurz sich zwischen den Bundespräsidenten und seine Frau stellen. Wichtig: Erst dem Bundespräsidenten die Hand geben, dann seiner Frau, das ist Protokoll. Und wenn dann die Pressefotografen mal draufgeklickt haben, dann ist die Zeit vorbei und die nächsten kommen dran. Es müssen insgesamt 40 Kreuze verliehen werden, und vorher gibt es ne Nationalhymne, hinterher gibt's noch mal ein paar Worte zum Ausklang, insgesamt war da also eine sehr, sehr nette Atmosphäre."

    Benny Adrion, der noch bis vor wenigen Jahren als Fußballprofi beim FC St. Pauli spielt, gründet zusammen mit Freunden und der Welthungerhilfe das Netzwerk "Viva con Agua de St.Pauli". Sein Ziel: Bessere Versorgung mit Trinkwasser in den Entwicklungsländern. Seine Popularität bei den Fußballfans, so heißt es in der Laudatio, setze Adrion ein, um für die Projekte Spenden einzuwerben. Durch sein überzeugendes Auftreten in der Öffentlichkeit habe der junge Mann wichtige neue Zielgruppen für entwicklungspolitische Interessen gewonnen. Die Szene, eher links und regierungskritisch, reagiert überraschend positiv:

    "Für uns war relativ schnell klar, dass wir es nicht ablehnen werden, sondern dass das ´ne Auszeichnung nicht für mich als Person, sondern für die Organisation und für jeden einzelnen, der Viva con Agua unterstützt hat oder unterstützen wird, ist. Von daher habe ich das von Anfang an stellvertretend für jeden in Empfang genommen, der Viva con Agua unterstützt hat. Also der Slogan bei uns war: Wir sind Bundesverdienstkreuz! Von daher gab es nur positive Stimmen dazu, viele Glückwünsche, viele Gratulanten und erst mal keine skeptischen Worte zu dem Thema."

    Nun steht das Kreuz in der Pokalvitrine:

    "Es gibt ja bei Viva con Agua immer wieder sportliche Aktivitäten, ob es Beachvolleyball oder die Viva con Agua All Stars, die Fußball spielen: Auszeichnungen, die die Organisation in der Vergangenheit schon bekommen hat. Und dort haben wir ein kleines Eck im Büro, wo die Pokale und Bilder und andere Sachen- jetzt das Bundesverdienstkreuz - seinen Platz findet. Mal sehen, vielleicht mache ich meinen Eltern an Weihnachten damit eine Freude, mal schau'n."

    Im Juni 2007 zeichnet der Bundespräsident erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik nur Frauen aus. Unter ihnen die Tatort-Schauspielerin Ulrike Folkerts für ihren Einsatz gegen Landminen, und die Berliner Anwältin Seyran Ates, die sich für die Gleichberechtigung von Migrantinnen einsetzt. Sie freut sich, nicht als einzige Migrantin ausgezeichnet zu werden:

    "Unter dreißig Frauen sind zwei Türkinnen dabei. Das bringt zum Ausdruck, dass diese Gesellschaft eben nicht mehr nur aus Urdeutschen besteht. Und wir stehen hier alle nicht für uns selbst. Wir machen das für andere, das ist so ganz wichtig, dass das auch etwas ist, was man ehren kann und ehren muss."

    Mittlerweile gibt es eine Frauenquote. Im Oktober 2006 entscheidet der Bundespräsident, aus den Staats- und Senatskanzleien der Länder, in denen die Ordensvorschläge gesammelt werden, nur noch Vorschlagslisten anzunehmen, auf denen unter 100 Auszuzeichnenden mindestens 30 Frauen sind. Das zeigt Wirkung. Andere Bevölkerungsgruppen bleiben aber nach wie vor unterrepräsentiert. Etwa Ostdeutsche, so Pressesprecher Martin Kothé:
    "Wenn man sich das anschaut, ist doch festzustellen, dass im Westen sehr viel mehr Bundesverdienstkreuze verliehen werden, und man kann keineswegs sagen, dass die Menschen in den neuen Bundesländern sich weniger Verdienste erwerben würden als das im Westen der Fall ist. Nein, hier ist, glaube ich, ausschlaggebend, dass es eine mentale Frage ist, in Ostdeutschland bei Orden und Auszeichnungen von Staats wegen eine gewisse Zurückhaltung an den Tag zu legen. Die Erfahrung ist eben gewesen, dass man sehr häufig vom Staatswesen belobigt und belohnt worden ist, und da ist eine gewisse Zurückhaltung durchaus nachvollziehbar, finde ich."

    In der DDR kannte man 8000 verschiedene Orden und Medaillen. Das Politbüro ging mit gutem Beispiel voran: Allein Erich Mielke bekam zwischen 1950 und 1989 mehr als 200 Orden und Ehrentitel. Wobei - anders als im Westen - viele Auszeichnungen mit erheblichen Geldsummen verbunden sind. Je schlechter die Dinge politisch laufen, desto schneller arbeiten die Prägemaschinen. Diese Erfahrung mag einer der Gründe für die östliche "Ordensabstinenz" heutzutage sein. Sie dürfte aber auch Ausdruck des immer noch weit verbreiteten Gefühls sein, im geeinten Deutschland bisher nicht recht angekommen zu sein.

    Denn eigentlich ist es gar nicht so schwer, das Bundesverdienstkreuz zu bekommen. Umgerechnet wird es derzeit im Schnitt noch immerhin siebenmal am Tag verliehen. Jeder Bürger kann Vorschläge machen und sie in der Staats- oder Senatskanzlei seines Bundeslandes einreichen. Dort wird geprüft, ob die vorgebrachten Gründe ausreichen. Wenn ja, wird der Vorschlag an das Bundespräsidialamt weitergereicht. Dann stehen die Chancen auf ein Bundesverdienstkreuz gut. Einen Rechtsanspruch auf eine Auszeichnung gibt es allerdings nicht. Und nach aller Erfahrung lässt sich nur sagen, wann man sich überhaupt keine Hoffnung machen sollte.

    "Es gibt auch Menschen, die sich selber vorschlagen. Deren Aussichten, mit dem Bundesverdienstkreuz ausgestattet zu werden, sind allerdings sehr, sehr gering. Selbstvorschläge werden eigentlich durchgängig abgelehnt."