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Wertkonservativ und mit klarer Sprache

Laut Philipp Mißfelder hinterlässt der scheidende hessische Ministerpräsident Roland Koch in der CDU eine Lücke, die nur schwer zu schließen ist. Koch stehe in der Union für eine klare ordnungspolitische Ausrichtung in der Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Philipp Mißfelder im Gespräch mit Jochen Spengler | 26.05.2010
    Jochen Spengler: Der Vizevorsitzende der CDU und hessische Ministerpräsident Roland Koch verlässt die Politik, will in die Wirtschaft wechseln. Das ist eine Zäsur – nicht nur für Hessen, sondern vor allem für die CDU Deutschlands. Darüber wollen wir nun sprechen mit Philipp Mißfelder, dem CDU-Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden der Jungen Union. Guten Morgen, Herr Mißfelder.

    Philipp Mißfelder: Guten Morgen, Herr Spengler.

    Spengler: Herr Mißfelder, Sie gelten auch als ein Vertreter des in der Union schwindenden konservativen Flügels. Wie nahe stehen Sie Roland Koch politisch?

    Mißfelder: Politisch und auch persönlich sehr nahe. Wir kennen uns jetzt seit geraumer Zeit. Ich respektiere seine Entscheidung, die er getroffen hat, die er leider getroffen hat, und politisch bleibt dies natürlich nicht ohne Auswirkungen, denn natürlich ist es so, dass er für eine besonders klare Sprache, aber auch für Konfrontation mit dem Gegner steht, und das wird uns ein Stück weit fehlen.

    Spengler: Das haben Sie an ihm geschätzt, die klare Sprache und die Konfrontation?

    Mißfelder: Definitiv! Klare ordnungspolitische Aussagen. Auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik hat er auch eine bestimmte Richtung innerhalb der Union vertreten, und das wird uns schon fehlen, dieses exponierte, dieses auch wenig Rücksicht nehmende auf die eigene Person, also weniger in Richtung auf die Umfragen schielen, sondern auch einmal zu schauen, dass man für eine Überzeugung dann auch hinnimmt, vom Gegner sich attackieren zu lassen, und dann auch bei einer Position zu bleiben und das durchzuziehen. Das ist etwas, was wenige in der Union so auszeichnet wie ihn.

    Spengler: Ich möchte mal die "Frankfurter Allgemeine" zitieren. Die schreibt heute: "Koch war der letzte CDU-Politiker von Format, der willens und in der Lage war, gelegentlich den rechten Flügelmann zu spielen, auf dass seine Partei sich nicht bis zur Unkenntlichkeit den anderen angleiche." Sie stimmen dieser Analyse zu?

    Mißfelder: Na ja, im Vergleich zu anderen Parteien stehen wir ja immer noch als letztlich verbliebene Volkspartei in Deutschland sehr gut da und uns schweißt natürlich auch das Regieren zusammen. Aber ich mache mir natürlich schon um die Bandbreite der Union Sorgen, wenn wir sehen, dass dort auch eine Lücke wieder entsteht, die schwer zu ersetzen sein wird, denn das bleibt unterm Strich ja übrig: Wir haben mit Roland Koch jemanden in der CDU-Führung – er ist ja noch im Amt -, der doch zum Profil eine besondere Note beigetragen hat. Ich weiß, dass nicht alle Roland Koch in Deutschland mögen, aber ich denke, es ist schon bemerkenswert, dass ausgerechnet die Linkspartei gestern gesagt hat, Roland Koch steht für klare Aussagen, und durch seinen Abschied sogar etwas vermisst. Ich denke, für die politische Kultur in Deutschland ist das sehr schlecht, wenn Charakterköpfe die Union verlassen.

    Spengler: Da wächst auch keiner nach?

    Mißfelder: Doch! Da wachsen Leute nach wie Stefan Mappus, der baden-württembergische Ministerpräsident, der ja auch nicht davor zurückschreckt, auch unpopuläre Positionen zu vertreten, und der durchaus auch mutig ist. Aber es ist dann doch trotzdem etwas anderes – und da wird mein Freund Stefan Mappus nicht böse sein, wenn ich das sage -, Roland Koch war dort an dieser Stelle schon ein besonderer Exponent.

    Spengler: Würden Sie so weit gehen zu sagen, Konservative haben in der Union künftig nicht mehr so viel zu gewinnen?

    Mißfelder: Das, glaube ich, kann man so nicht sagen. Die Union lebt ja und muss auch von dem Profil und von der Bandbreite leben. Aber wir müssen daran arbeiten, dass wir das selber auch herausbilden. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass wir nur alle immer dasselbe sagen und uns alle an das klammern, was vorher als Sprachregelung festgelegt worden ist, beziehungsweise dieselben Floskeln verwenden und dann nachher gar nicht voneinander mehr zu unterscheiden sind.

    Spengler: Herr Mißfelder, nun sagen Ihnen ja die Parteienforscher, die Wahlforscher, auf die paar Stimmen am rechten Rand, auf der rechten, konservativen Seite kommt es gar nicht an, es kommt auf die Mitte an.

    Mißfelder: Das mögen die Wahlforscher so sehen. Ich bin ja mit den sogenannten Parteienforschern und sogenannten Wahlforschern relativ viel Zeit im vergangenen Jahr zusammen gewesen und bei der Bundestagswahl ist es uns jedenfalls nicht gelungen, unsere Stammwähler vor allem anzusprechen. Sie sind in Scharen zur FDP gelaufen. Bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl, die noch nicht allzu lange zurückliegt, war es auch so, dass wir ja vor allem in den Hochburgen Probleme hatten. Also in allen Ehren: Ich bin schon der Meinung, dass man auch im großstädtischen Milieu versuchen muss, mehr Stimmen zu bekommen, dass man auch sich öffnen muss, dass wir natürlich auch über Themen wie Integration, über ein anderes, moderneres Familienbild natürlich auch versuchen müssen, andere Wählerschichten anzusprechen. Aber wir gewinnen Wahlen in erster Linie dadurch, dass wir in einer Zeit, wo die Wahlbeteiligung insgesamt niedriger wird, unsere Stammklientel auch ansprechen und die vollends ausschöpfen. Das haben wir in Nordrhein-Westfalen aus verschiedenen Gründen bei der Landtagswahl vor ein paar Wochen leider nicht geschafft, und das hat zu dramatischen Folgen geführt.

    Spengler: Befürchten Sie, dass der CDU langfristig so etwas droht, was die SPD schon durchgemacht hat?

    Mißfelder: Nein, das glaube ich nicht. Das liegt in unserer eigenen Hand, das abzuwenden, aber wir müssen es eben tun, und gerade in dieser Situation, in der die Union ja spürbar unter Druck gerät, durch äußere Einflüsse wie Euro-Krise, aber auch durch eigen verschuldetes Verhalten wie mangelnde Disziplin an manchen Stellen, wenn ich an die Diskussion um die Kernenergie in den vergangenen Wochen denke, glaube ich, liegt es auch ein Stück weit in unserer Hand, wie wir uns als Volkspartei präsentieren und wie wir auch durch mehr Geschlossenheit, durch mehr Teamgeist und dann letztendlich auch durch klare inhaltliche Positionen es schaffen können, unsere Stammwähler an uns zu binden, und damit natürlich auch das schaffen, was die SPD über Jahre hin nicht mehr geschafft hat, nämlich in der Breite präsent zu sein.

    Spengler: Herr Mißfelder, ist das Ihrer Ansicht nach eigentlich ein Zufall, dass mit Friedrich Merz und Roland Koch zwei Menschen mit klarer Aussprache und auch mit Führungsfähigkeit gegangen sind?

    Mißfelder: Nein, ich kann mir das nicht als Zufall erklären.

    Spengler: Sondern? Was ist Ihrer Ansicht nach die Ursache dafür?

    Mißfelder: Ich denke, das sind Menschen, die klare Standpunkte haben. Es sind Leute, die auch klare Vorstellungen davon haben, wie ihr Leben auch abseits der Politik zu verlaufen hat, und das war eben nicht mehr kombinierbar mit dem, was sie an Perspektive auch für sich in der Union, in der politischen Spitze der Union gesehen haben.

    Spengler: Das heißt, klare Standpunkte sind in der Union nicht mehr gefragt?

    Mißfelder: Doch, sie sind gefragt. Ich bin ja im Wahlkampf jetzt gerade vor ein paar Wochen noch unterwegs gewesen und gerade dann, wenn man klare Standpunkte bezieht, ist die Parteibasis ja eher dankbar, als weniger dankbar. Aber das sind zwei individuelle Entscheidungen von beiden gewesen und sie sind leider beide in dem Spektrum anzusehen, wo die Union sich am meisten schwer tut in den letzten Jahren, nämlich in der klaren Wirtschafts- und Finanzpolitik und eben auch mit einem wertkonservativ ausgerichteten Bereich, und deshalb ist diese Lücke umso schmerzhafter.

    Spengler: Ich will eigentlich darauf hinaus, ob die Union sich das leisten konnte, gerade Leute wie Koch oder Merz nicht ins Kabinett zu holen, ins Bundeskabinett.

    Mißfelder: Die Sichtbarkeit von politischen Persönlichkeiten hängt nicht nur davon ab, welche Positionen sie beziehen. Die Ministerpräsidenten selbst spielen ja auch eine Rolle und Roland Koch als Mitglied und zentrale Figur des CDU-Präsidiums ging es, glaube ich, weniger um die Frage, Mitglied im Bundeskabinett oder weniger Mitglied im Bundeskabinett, sondern ihm ging es sicherlich auch – ich habe nicht mit ihm gesprochen – um die Frage von Perspektive, von Politikgestaltung, welche Möglichkeiten hat er, welche weiteren Möglichkeiten kann man entfalten, über das, was man bisher erreicht hat, etwas zu gestalten. Dort wird es weniger – und so kenne ich auch Friedrich Merz – um die eigene Machtposition gegangen sein, denn um die Frage, was kann ich hier von meinen Vorstellungen durchbringen, und da waren sie pessimistisch.

    Spengler: Sind beide ein Opfer von Bundeskanzlerin Merkel?

    Mißfelder: Ich glaube, es wäre für beide verheerend, wenn der Eindruck entstünde, dass sie Opfer irgendwelcher persönlichen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und der Bundeskanzlerin wären. Das wäre im Übrigen auch ein Armutszeugnis für die CDU.

    Spengler: Philipp Mißfelder, CDU-Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender der Jungen Union. Danke für das Gespräch, Herr Mißfelder.

    Mißfelder: Vielen Dank, Herr Spengler.

    Spengler: Wir haben das Interview vor der Sendung aufzeichnen müssen.