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Westbalkan-Konferenz in Wien
Die Flüchtlingsfrage überlagert alles

Kurz vor Beginn der Westbalkan-Konferenz hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine faire Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU gefordert. Das Thema steht im Mittelpunkt der Gespräche in Wien, an denen auch die Bundeskanzlerin teilnimmt. Die Westbalkan-Staaten sind doppelt betroffen: als Transitländer für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten und als Herkunftsländer von Flüchtlingen aus wirtschaftlicher Not.

27.08.2015
    Eine Familie sitzt an der griechisch-mazedonischen Grenze auf Gleisen und wartet.
    Wegen des Flüchtlingsandrangs an der griechisch-mazedonischen Grenze hat Mazedonien den Ausnahmezustand verhängt. (picture alliance / dpa/ Nikos Arvanitidis)
    Steinmeier sagte, außer einer gerechten Verteilung seien auch vergleichbare Standards bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Europa nötig. Es müssten "menschenwürdige Standards" eingehalten werden, mahnte der Bundesaußenminister. Dazu gehöre auch eine finanzielle Unterstützung betroffener Länder. So sollten etwa Serbien und Mazedonien von der EU mit bis zu einer Million Euro unterstützt werden.
    Der serbische Außenminister Ivica Dacic erklärte, die Transitländer seien mit der "größten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert". Von ihnen werde ein Aktionsplan erwartet - den müsse aber zuerst die EU vorlegen. Der mazedonische Außenminister Nikola Poposki äußerte sich ähnlich: "Wir werden diese Aufgabe nicht mit den 90.000 Euro schaffen, die wir erhalten haben", sagte er. Auch mit der zugesagten Million Euro werde es wohl nicht zu schaffen sein, den Ansturm zu bewältigen. Nötig sei eine europäische Antwort auf das Problem.
    Auch der österreichische Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) betonte, einzelne staatliche Maßnahmen seien nicht hilfreich. Die Westbalkan-Konferenz solle dazu genutzt werden, einen stärkeren europäischen Ansatz in der Flüchtlingspolitik einzufordern. Kurz will heute einen Fünf-Punkte-Plan vorstellen, der unter anderem eine gemeinsame europäische Asylstrategie vorsieht. In den ARD-"Tagesthemen" hatte er am Mittwochabend einen EU-Sondergipfel zu diesem Thema gefordert. Es gebe in der EU 18 Länder, die alle zusammen nicht so viele Flüchtlinge hätten wie Österreich, so Kurz.
    Pressekonferenz zum Auftakt der Westbalkan-Konferenz in Wien, von links: EU-Kommissar Johannes Hahn und die Außenminister Frank-Walter Steinmeier (Deutschland), Sebastian Kurz (Österreich), Ivica Dacic (Serbien) und Nikola Poposki (Mazedonien).
    Pressekonferenz zum Auftakt der Westbalkan-Konferenz in Wien (picture alliance / dpa/ Roland Schlager)

    Konferenz seit 2014Die 2014 initiierte Westbalkan-Konferenz ist eigentlich ein Forum zur Annäherung der Balkanländer Albanien, Bosnien, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien an die Europäische Union. Sie soll das Bekenntnis unterstreichen, dass auch diese Balkanstaaten in der EU eine Heimat finden können. Bisher sind nur Slowenien (2004) und Kroatien (2013) in die EU aufgenommen worden.In diesem Jahr wird allerdings erwartet, dass das Thema Flüchtlinge die Gespräche in Wien dominiert: Die Westbalkan-Route hat sich zu einem der Hauptfluchtwege von Menschen aus Syrien, Afghanistan und Afrika auf dem Weg nach Europa entwickelt. Die EU-Kommission will einem Bericht der Zeitung "Die Welt" zufolge die Westbalkan-Länder mit einem neuen Hilfsprogramm stärker unterstützen. Demnach sollen sie und die Türkei ab September acht Millionen Euro erhalten, um Flüchtlinge besser identifizieren und versorgen zu können.Verteilung der Flüchtlinge in EuropaDer UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres sprach sich am Mittwochabend in Genf für die Einrichtung von Registrierungszentren von Flüchtlingen an der EU-Außengrenze aus. Dort solle die Schutzbedürftigkeit ankommender Flüchtlinge geprüft werden. Menschen ohne Asylgrund sollen an der Weiterreise gehindert werden. Gleichzeitig warnte Guterres die EU-Länder davor, sich in der Flüchtlingsfrage ihrer Verantwortung zu entziehen. Das wurde auch als Kritik an vielen EU-Staaten verstanden, die sich gegen eine gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge stemmen. Armutsflüchtlinge vom BalkanDie Staaten des Westbalkans sind allerdings nicht nur Transitländer für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten. In diesem Jahr kamen bisher rund 45 Prozent aller Asylbewerber in Deutschland aus diesen Ländern. Die Menschen fliehen vor Armut und Arbeitslosigkeit, haben in Deutschland nahezu keine Chancen auf Asyl. Deutschland will nun Albanien, Kosovo und Montenegro zu "sicheren Herkunftsländern" erklären, damit Asylbewerber aus diesen Ländern einfacher zurückgeschickt werden können. Das fordern auch die Regierungen dieser drei Länder. Für Serbien, Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina gilt das bereits seit einem Jahr. (nin/dk)