Westerwelle: Es macht mir große Sorgen, weil ich fürchte, dass Weltfrieden und Weltsicherheit niemals voneinander zu trennen sind. Ich mache mir natürlich Sorgen, was die militärische Entwicklung im Irak und um den Irak herum angeht. Aber ich mache mir auch natürlich Sorgen um die Bedrohungslage in Europa, auch was uns Deutsche angeht. Wir können einfach in Mitteleuropa kein Interesse daran haben, dass in unserer unmittelbaren Nachbarschaft ein Diktator sitzt mit Massenvernichtungswaffen, mit Trägersystemen, die uns auch in Europa bedrohen, und der gezeigt hat, dass er diese Massenvernichtungswaffen auch einsetzt.
Steinhage: Um ein Argument des Außenministers aufzunehmen: Wir können natürlich auch kein Interesse daran haben, dass es im Nahen Osten zu einem Flächenbrand -möglicherweise - kommt mit entsprechenden Auswirkungen auch auf Europa.
Westerwelle: Sehr einverstanden. Diese Zielsetzungen, eine kriegerische Auseinandersetzung im Nahen Osten zu verhindern, haben alle, die in Deutschland politische Verantwortung tragen, alle Parteien. Über den Weg zum Frieden und über den Weg, wie wir den Frieden erhalten können, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Wir als FDP sind der Meinung, dass wir die gute Außenpolitik von Persönlichkeiten wie Walter Scheel, von Hans-Dietrich Genscher, von Klaus Kinkel fortsetzen sollten. Und das bedeutet, dass wir eingebettet sein müssen in unseren wesentlichen Handlungen in das europäische Bündnis, in das NATO-Bündnis insgesamt, denn diese Isolation Deutschlands führt ja nur dazu, dass unser Wort in Washington gar nicht mehr ernst genommen wird. Wir haben überhaupt keinen Einfluss mehr in Amerika, auch bei unseren anderen Bündnispartnern. Die deutsche Regierung hat zudem mit ihrer Vorfestlegung - anders als alle anderen Länder - sich einer Möglichkeit entzogen, auch noch Druck auszuüben zur Entwaffnung auf den irakischen Diktator. Und diesen Druck, den brauchen wir. Wir brauchen einen gehörigen Druck der Völkergemeinschaft gegen den irakischen Diktator, damit er die Massenvernichtungswaffen abgibt, damit er entwaffnet wird. Und deswegen brauchen ja auch die Waffeninspekteure noch etwas mehr Zeit.
Steinhage: Zur deutschen Außenpolitik möchte ich gleich noch kommen. Eine Frage noch: Wäre nach Ihrer Einschätzung ein Krieg bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt gerechtfertigt?
Westerwelle: Nein, weil zum jetzigen Zeitpunkt uns die Waffeninspekteure sagen, sie brauchen noch mehr Zeit, und diese Zeit müssen sie auch bekommen. Wenn Herr Blix sagt - er hat ja bisher schon sehr gute Arbeit gemacht -, er braucht noch etwas mehr Zeit, dann soll er diese Zeit auch bekommen. Diese kleine Chance für den Frieden ist es wert, denn eine kleine Chance für den Frieden ist mit Sicherheit besser als ein tatsächlich dann stattfindender Krieg. Wir wollen, dass Herr Blix diese Zeit auch dann bekommt, und so hat sich ja bisher auch die Mehrheit der Europäer eingelassen, übrigens auch derer, die sehr nah mit den Vereinigten Staaten von Amerika zusammenarbeiten.
Steinhage: Sie haben es schon angesprochen, Herr
Westerwelle: Wegen der Haltung der Bundesregierung im Irakkonflikt und vor allem wegen der Festlegung des Bundeskanzlers auf ein kategorisches ‚Nein' zu einer deutschen Kriegsbeteiligung sind die USA arg verstimmt, um es mal zurückhaltend auszudrücken. Und Frankreich scheint sich ja von der zuvor mit Berlin formulierten Anti-Kriegs-Position auch allmählich zu distanzieren. Deutschland droht damit neben dem abgekühlten Verhältnis zu Amerika auch noch die außenpolitische Isolierung in Europa. Wie groß ist tatsächlich der Schaden nach Ihrer Einschätzung?
Westerwelle: Der Schaden der deutschen Außenpolitik ist bis jetzt schon immens. Wir werden Jahre, viele Jahre brauchen, um uns von diesem dramatischen Fehler der rot-grünen Regierung zu erholen. Hier hat die rot-grüne Regierung, um Wahlen zu gewinnen - was, wie wir wissen, in Hessen und Niedersachsen ja nicht einmal mehr geklappt hat -, ein wesentliches Gesetz der deutschen Außenpolitik gebrochen, nämlich dass Fragen der nationalen Sicherheit, dass Außenpolitik niemals ein einfaches Wahlkampfmanöver sein darf, sondern dass es sich hierbei immer um verantwortungsvolle Politik handeln muss - über die Parteigrenzen hinweg. So haben frühere große Staatsmänner immer wieder gehandelt. Denken Sie übrigens auch an Sozialdemokraten wie Willy Brandt und auch an Helmut Schmidt. Willy Brandt und Helmut Schmidt - das sind sozialdemokratische Kanzler gewesen, die haben für die Einbettung Deutschlands in der Völkergemeinschaft gestanden. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder wird in die Geschichte eingehen als derjenige, der Deutschland in die außenpolitische Isolation geführt hat - mit dem Ergebnis, dass der Frieden unsicherer wird und nicht sicherer. Weil ja einfach auch ein nationaler Alleingang der Vereinigten Staaten von Amerika - den wir nicht wollen als FDP - nur verhindert werden kann, wenn wir Deutsche gesprächsfähig bleiben, wenn unser Wort überhaupt Gewicht hat. Aber wie soll denn unser Wort Gewicht haben, wenn Deutschland öffentlich erklärt hat: ´Ganz egal, was sonst noch rauskommt, wir sind auf alle Fälle gegen alles`. Das unterhöhlt übrigens auch die Rolle der Vereinten Nationen, und die müssen das erste und das letzte Wort haben.
Steinhage: Nun kann ja der Herr Bundeskanzler ohne völligen Gesichtsverlust von seiner Position im Grunde genommen gar nicht mehr weg. Wie aber kann man das zerschlagene Porzellan wieder kitten? Kann da nur die Zeit die Wunden heilen?
Westerwelle: Ich glaube, dass das zerschlagene Porzellan nur gekittet werden kann durch neue Leute. Ich glaube, dass der Bundeskanzler hier auch mit seiner außenpolitischen Torheit, zusammen mit dem Außenminister, sein eigenes Ende nach und nach eingeleitet hat. Es hat noch kein einziger Regierungschef in irgendeinem Lande eine Rolle auf Dauer gespielt, der in so einer wesentlichen Frage sein Land ins Abseits gestellt hat. Das sehen ja auch immer mehr Menschen. Immer mehr Menschen schauen ja auch genau hin und wissen, dass jeder den Krieg verhindern will. Aber die große Mehrheit der Deutschen weiß auch: Ein irakischer Diktator in unserer Nachbarschaft mit Massenvernichtungswaffen, das kann keiner akzeptieren.
Steinhage: Der Bundesnachrichtendienst hatte bereits Ende Januar mitgeteilt, er habe zahlreiche Informationen über die Waffenprogramme des Irak. Darüber hat man natürlich die Bundesregierung, und nicht nur die, in Kenntnis gesetzt. Aber auch der Bundesaußenminister hat sich ja in New York in dieser Weise eingelassen. Wird da seitens des Kanzlers und auch des Außenministers die irakische Bedrohung ignoriert, heruntergespielt?
Westerwelle: In der Öffentlichkeit spielt in der Tat die deutsche Bundesregierung die Bedrohung, auch von Mitteleuropa herunter. Das ist nicht gut für die Meinungsbildung, auch in unserem Volk. So wie ja die anderen Länder, zum Beispiel jetzt gerade in dieser Woche der spanische Ministerpräsident, ihre Erkenntnisse veröffentlicht haben, so muss endlich auch die deutsche Bundesregierung dem Bundesnachrichtendienst die Genehmigung erteilen, die eigenen Erkenntnisse zu veröffentlichen. Ich bin selbst als ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages, zusammen mit einigen anderen, informiert worden über die Erkenntnisse unserer deutschen Nachrichtendienste. Diese Erkenntnisse, die ich weiterhin vertraulich behandeln werde, sind aber entscheidungserheblich. Und ich glaube, man muss diese Kenntnisse jetzt endlich auch der deutschen Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, damit sie sich ein eigenes Bild machen kann - auch außenpolitisch ein eigenes Bild machen kann. Die Tatsache, dass das nicht geschieht, ist ausschließlich parteipolitisch und innenpolitisch motiviert. Der Bundesnachrichtendienst darf es nicht ohne eine entsprechende Genehmigung der Bundesregierung. Wir sind informiert worden. Wir wurden zur Vertraulichkeit verpflichtet. Wir dürfen also auch nicht die Fakten veröffentlichen. Man kann diese Fakten endlich veröffentlichen, ohne übrigens, dass irgendeine Quelle gefährdet wird.
Steinhage: Werden Sie versuchen, in dieser Hinsicht in der kommenden Woche im Parlament die Bundesregierung zu stellen?
Westerwelle: Ja, wir werden in der nächsten Woche - und das hat ja die FDP bereits Anfang der letzten Woche angekündigt - wir werden in der nächsten Woche eine Generaldebatte zur Lage unserer Nation natürlich auch initiieren. Ich weiß, dass auch die andere Oppositionspartei Union mittlerweile unsere Forderung teilt nach einer Generalaussprache im Deutschen Bundestag. Das ist auch dringender nötig denn je, denn wir haben einerseits in dieser Woche ja eine dramatische Lage auf dem Arbeitsmarkt geschildert bekommen - das ist ja die zweite große Katastrophe neben dem Desaster in der Außenpolitik, die wir in dieser Woche von der Bundesregierung erleben mussten -, mehr als 4,6 Millionen Arbeitslose. Lassen Sie es jetzt, was hoffentlich nicht passieren wird, noch einen harten kalten Februar geben, dann sind wir bei vielleicht fast 5 Millionen Arbeitslosen; das wird allmählich demokratiegefährdend. Zusammen mit dem, was wir jetzt in der Außenpolitik wissen, muss man sagen: Diese Regierung ist historisch gescheitert.
Steinhage: Sie sprachen selbst schon die Arbeitslosenzahlen an, Herr Westerwelle. Die Hoffnung auf ein neues und dann tatsächlich effizientes Bündnis für Arbeit ist verflogen. Die Gewerkschaften machen nicht mit, sie werfen den Arbeitgebern unzumutbare Bedingungen vor. - Die Not ist groß und wenig bewegt sich. Wird der Standort Deutschland zum hoffnungslosen Fall?
Westerwelle: Nein, die Hoffnung darf man nie aufgeben. Und da das ja auch hausgemachte Probleme sind, die wir in Deutschland haben, sind wir natürlich auch selber in der Lage, diese Probleme zu beseitigen. Wir haben einfach in Deutschland zu viel bürokratische Staatswirtschaft mit zu hohen Steuern, zu hohen Abgaben, mit zuviel Bürokratie. Und wir haben zu wenig soziale Marktwirtschaft mit echtem Wettbewerb, flexibleren Rahmenbedingungen - und das muss durchgesetzt werden. Ich fand in dem Zusammenhang übrigens interessant, dass der Wirtschaftsminister Clement dieses ja noch am Sonntagabend nach den beiden Landtagswahlen öffentlich in einer Sendung, an der ich selber teilgenommen habe, vorgeschlagen hat. Dass aber sofort unverzüglich danach die SPD ihn zurückgepfiffen hat. Vor allen Dingen Herr Müntefering ist ja wirklich ein echter Betonkopf der Politik geworden, zusammen mit seinen Abgeordneten. Das reiht sich ein in eine Haltung der deutschen Gewerkschaften, vor allem der Gewerkschaftsfunktionäre, die verantwortungslos ist. Ich habe in dieser Woche gesagt, nachdem die Gewerkschaften nicht einmal 70 Minuten gebraucht haben, um Vorschläge der Arbeitgeber vom Tisch zu wischen - bis hin zur Ausbildungsplatzgarantie, die ja die Arbeitgeber abgeben wollten -, dass diese Gewerkschaftsfunktionäre eine Plage für unser Land sind. Ich erneuere das. Ich glaube, dass diese Gewerkschaftsfunktionäre nicht mehr wissen, was in unserem Land wirklich vor sich geht. Sie vertreten nicht mehr die Interessen der Arbeitnehmerschaft, der Menschen, die Arbeit suchen. Und es wird eine Aufgabe der Politik sein, den Einfluss dieser Gewerkschaftsfunktionäre auf die Wirtschaftspolitik zu verringern. Wenn beispielsweise 75 Prozent der Abgeordneten der SPD im Deutschen Bundestag selber aus Gewerkschaften kommen, dann ist das kein vernünftiger Interessensausgleich mehr im Sinne von Tarifautonomie, wie er im Grundgesetz angelegt ist.
Steinhage: Der Finanzminister Eichel will an seinem Steuerpaket mit dem massiven Abbau von Steuervergünstigungen festhalten. Er fordert die Opposition auf, ihrerseits Vorschläge zu machen. - Herr Westerwelle, angesichts leerer Kassen und Maastricht-Kriterien vor dem Hintergrund lahmender Konjunktur und bedrückender Arbeitslosigkeit: Welchen Rat gibt die FDP Hans Eichel?
Westerwelle: Herr Eichel muss seine Politik um 180 Grad korrigieren. Herr Eichel erzählt uns, es gäbe nur zwei Alternativen: Schulden rauf oder Steuern rauf. Es gibt aber einen dritten Weg, und dieser dritte Weg heißt Steuern senken. Denn die Staatsfinanzen sind schlecht, weil die Steuern zu hoch sind. Sie wären besser, wären die Steuern niedriger. Das zeigt übrigens auch die Erfahrung, die wir in Deutschland hatten. Nicht nur Mitte der 80er Jahre - auch jetzt in ganz Europa - geht ja Europa einen anderen Weg wie wir es in Deutschland tun. Wir sind mittlerweile durch diese Steuer-, Finanz- und Wirtschaftspolitik in Europa das absolute Schlusslicht mit einem Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent. Wenn also alle anderen Europäer mehr Wirtschaftswachstum haben, besser mit den Veränderungen der Weltwirtschaft zurecht kommen, wie wir es in Deutschland derzeit tun, dann muss das etwas mit der falschen Weichenstellung der Politik unserer Regierung zu tun haben. Und deswegen will die FDP ihre Initiativen - für Steuersenkungen, für eine Reform der sozialen Sicherungssysteme, für eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, für eine Entbürokratisierung, für Subventionsabbau, für Privatisierungspolitik - mit dem gewachsenen Gewicht unserer Abgeordneten in den Ländern und im Deutschen Bundestag auch durchsetzen.
Steinhage: Stichwort ‚soziale Sicherungssysteme': In Fragen der Sozialpolitik ist für die Bundesregierung die Rürup-Kommission aktiv. Die Union antwortet nun mit ihrer Herzog-Kommission. - Kommissionen aller Orten: Sehen Sie Chancen, dass da wirklich was bei rumkommt?
Westerwelle: Ach, diese ganzen Kommissionen. Es sieht doch jeder, was notwendig ist. Wir brauchen nicht Kommissionen, wir brauchen nicht Denker, wir brauchen Macher. So wichtig auch die Kommission ist - und Herrn Professor Rürup mit seinen Kolleginnen und Kollegen schätze ich sehr, und ich weiß auch, dass tolle Experten in dieser Unionskommission jetzt sitzen - aber es ist doch alles bekannt, was zu tun ist. Wir wissen doch, was zu tun ist. Es ist doch nun in jedem Wirtschaftsgutachten jedes Jahr amtlich festgehalten, was endlich in diesem Land zu tun ist, damit es Wirtschaftswachstum gibt. Diese ‚Vertagungs-Diskussion' - ich habe dermaßen die Nase voll von dieser ‚Kommissionitis' in Deutschland. Es muss gehandelt werden. Wir müssen ein wettbewerbsfähiges Steuersystem bekommen mit drei einfachen Steuersätzen von 15, von 25, von 35 Prozent, damit wieder investiert wird, damit die Menschen wieder nachfragen, damit sie wieder Vertrauen haben auch in die Wirtschaft und wieder einkaufen gehen. Nur so kommt eine Wirtschaft wieder in Gang. Wir müssen bei der Gesundheitspolitik uns von dieser Planwirtschaft verabschieden und vor allen Dingen auch Anreize ins System einbauen - wie zum Beispiel Beitragsrückerstattungen auch für gesetzlich Versicherte, damit diejenigen, die dort versichert sind, verantwortungsvoll, wie jeder andere auch, mit dem System und den Mitteln des Systems umgehen. Wir müssen, und das wissen wir längst, die vielen Hundert Unternehmensbeteiligungen des Staates allesamt auf den Prüfstand stellen, weil sie zum Teil auch noch dem Mittelstand Konkurrenz machen. Wir müssen Gesetze beschließen in der Wirtschaft, die künftig nur noch ein Verfallsdatum haben, damit sie auch mal irgendwann wieder außer Kraft treten, und nicht jedes Jahr Dutzende von neuen Gesetzen den Mittelstand mehr und zusätzlich belasten. Wir müssen in der Rente den demographischen Faktor, also den Faktor der Rentenformel erweitern, der sich an der Altersstruktur unserer Bevölkerung orientiert. Das ist alles jetzt seit Jahren durchgekaut. Dazu gibt es unendliche Papiere, unendliche Kommissionsergebnisse. Es muss jetzt endlich mal gehandelt werden. Und das ist das Problem in diesem Lande.
Steinhage: Es schreckt Sie nicht, wenn jetzt das Wort die Runde macht von der informellen Großen Koalition im Bund vor dem Hintergrund, dass die SPD schwere Schlappen erlitten hat bei zwei Wahlen, dass sie im Bundesrat weiter geschwächt ist und auf die Union sich zubewegen will. Sie hat natürlich die Union im Fokus. Da haben Sie nicht die Sorge, dass die FDP da etwas vom Wagen runterfällt?
Westerwelle: Nein, denn ich weiß ja, dass im Bundesrat die FDP eine Schlüsselstellung hat, übrigens auch in der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt, eine Schlüsselstellung hat. Also, wenn da der Eindruck erweckt wird, die eine große Seite Rot-Grün oder die andere größere Oppositionspartei könnten alleine etwas ausmachen, dann ist das vielleicht in den Medien ein bisschen so der Versuch, sich auch wichtiger zu nehmen, als es dann tatsächlich der Fall ist. Die FDP wird in aller Bescheidenheit, aber doch mit großer Konsequenz das Programm, das wir ja schließlich vom Wähler bestätigt bekommen haben, durchsetzen. Und das Programm heißt: Marktwirtschaftliche Erneuerung gegen diese zunehmende Staatswirtschaft. Und da werden wir sicherlich den anderen auch ein bisschen auf die Sprünge helfen müssen, wenn Sie so wollen. Die FDP, die ja nicht nur mit der CDU in den Ländern zusammen regiert, sondern in Rheinland-Pfalz auch mit der SPD zusammen - übrigens sehr erfolgreich -, wir werden ein "Scharnier der Vernunft" sein. Denn die Grünen fallen aus, sie sind kaum noch in Landesregierungen beteiligt. Die FDP ist in fünf Landesregierungen beteiligt, und dementsprechend haben wir ein gewachsenes Gewicht, das wir sehr verantwortungsvoll einsetzen werden.
Steinhage: Herr Westerwelle, nun ist es ja in der Politik manchmal so wie im richtigen Leben: Man hat eine andere Wahrnehmung von sich selbst, als andere dieses haben. Worauf ich hinaus will, ist, dass die Medien geschrieben haben - nach dem vorläufigen Verbleib Möllemanns in der nordrhein-westfälischen FDP-Landtagsfraktion -, dies sei eine Niederlage für Parteichef Westerwelle gewesen. Sie selbst haben gesagt: "Nein, nein, das war ärgerlich, aber keine Niederlage". - Zur Erklärung für die Hörerinnen und Hörer: Sie waren eigens nach Düsseldorf gefahren, haben dort lange mit den Abgeordneten gesprochen, und dann fehlt doch die eine entscheidende Stimme. Hand auf's Herz: Wirklich keine Niederlage?
Westerwelle: Ich finde, das ist ärgerlich. Das habe ich auch unumwunden zugegeben. Aber ich empfehle wirklich große Gelassenheit. FDP und Bundestagsfraktion werden ihren Weg weiter gehen, das ist bekannt. Das haben wir auch in dieser Woche mehrfach und wiederholt gesagt. Ich muss Ihnen sagen, ich glaube, dass dieses Land wirklich wichtigere Probleme hat.
Steinhage: Trotzdem, wenn Sie gestatten, würde ich kurz noch dabei bleiben . . .
Westerwelle: . . . gerne . . .
Steinhage: . . . Das Übrige im Falle Möllemann soll ja jetzt das Parteiausschlussverfahren richten. Das könnte sich aber über Monate, vielleicht sogar über Jahre hinziehen - das brauche ich Ihnen nicht zu erzählen - Landesschiedsgericht, Bundesschiedsgericht, ordentliche Gerichte, wer weiß, was da alles kommt. Und ein Ausgang des Verfahrens ist ja vielleicht dann am Ende doch ungewiss. Das Thema wird Sie also doch noch, ob Sie es wollen oder nicht, eine Weile beschäftigen. Möllemann kann Ihnen noch viel Ärger machen. Da sind Sie ganz gelassen?
Westerwelle: Ja, da bin in sehr gelassen. Vor allen Dingen bin ich deshalb gelassen, weil ich gesehen habe, dass die Wählerinnen und Wähler unseren Kurs offensichtlich stärker machen. Das waren ja jetzt nicht mal gerade eben so zufällig zwei Wahlen, die wir irgendwie knapp gewonnen hätten. Sondern das waren in Hessen und Niedersachsen die besten Wahlergebnisse seit 30 oder 40 Jahren für die FDP. Und das waren jetzt in Folge hintereinander neun Wahlen, bei denen die FDP jedes Mal zugelegt hat. Wir haben in den letzten zwei Jahren von 55 Landtagsabgeordneten unseren Anteil in den Landesparlamenten auf 110 Landtagsabgeordnete verdoppeln können. Wir haben bei sämtlichen Kommunalwahlen richtig deutlich zugelegt...
Steinhage: ...Aber den Big Point haben Sie nicht gemacht: Bei der Bundestagswahl zugelegt, aber es hat nicht gereicht.
Westerwelle: Wo Sie recht haben, haben Sie recht. Und ich ärgere mich darüber, dass wir die Regierungsverantwortung verpasst haben. Ich kenne übrigens viele, viele Menschen, die sich mittlerweile auch darüber ärgern, denn es werden ja immer weniger, die zugeben, Rot-Grün gewählt zu haben.
Steinhage: Im Mai ist Bundesparteitag in Bremen. Dann sind Sie zwei Jahre im Amt. Wie fest sitzt Guido Westerwelle im Sattel? Unangefochten, konkurrenzlos?
Westerwelle: Ja.
Steinhage: Bei zwei Jahren Parteivorsitz mit Ups und Downs, mit zahlreichen Wahlerfolgen einerseits - Sie haben darauf hingewiesen -, einer verpassten Chance auf den Regierungswechsel im Bund andererseits, mit Möllemann-Frust und sicherlich auch teilweise Oppositions-Lust, das sind eine Menge Erfahrungen. - Haben Sie die zwei Jahre verändert?
Westerwelle: Ja, die haben mich verändert, weil es einfach einen Unterschied macht, ob man als Parteivorsitzender für alles letzten Endes verantwortlich ist, auch wenn man an einigen Dingen weiß Gott nicht mal ein kleinen Beitrag dazu geleistet hat. Also, wenn Sachen schiefgehen, ist man als Parteivorsitzender für alles verantwortlich. Wenn Sachen gutgehen, gibt es immer ganz viele, die den Erfolg für sich reklamieren. Das ist menschlich, das ist in der Politik nicht anders. Die Niederlage ist ein Waisenkind, der Sieg hat viele Väter. Aber unterm Strich: In den zwei Jahren bin ich sicherlich ein gutes Stück auch vorangekommen - politisch, aber auch natürlich ganz persönlich. Es sind so ziemlich die lehrreichsten beiden Jahre meines Lebens bisher gewesen. Und man wächst an den Aufgaben. Und ich glaube auch, dass man wirklich das erkennen kann. Wenn man relativ jung - und ich bin ja mit noch nicht mal vierzig Jahren dann Parteivorsitzender der FDP geworden -, wenn man relativ jung in so ein Amt kommt, dann soll man auch zugeben, dass man in dieser Zeit richtig viel gelernt hat. Und ich hoffe, dass ich noch weiter lernen werde.
Steinhage: Sie betonen stets die Unabhängigkeit der FDP, haben etwa beim Dreikönigstreffen in Stuttgart gesagt: "Wir sind nicht das Stützrad einer anderen Partei". Tatsächlich aber haben die Wähler bei den jüngsten Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen ausweislich aller Analysen die Liberalen als Korrektiv, als Funktionspartei gewählt. - Wie verträgt sich dies mit dem von Ihnen postulierten Anspruch?
Westerwelle: Nun, das widerspricht sich ja nun wirklich nicht. Wir haben übrigens auch in Hessen über fünf Prozent Erststimmen bekommen. Das zeigt ja, dass die FDP - wenn sie in allen Wahlkreisen übrigens, in Niedersachsen und in Hessen, über fünf Prozent lag, in vielen, vielen Wahlkreisen zweistellig war -, dass die FDP ja mit ihrem Programm akzeptiert wird. Dass wir gleichzeitig auch für eine Regierungsbildung gebraucht werden, und dass die Wähler eine erfolgreiche Regierung in Hessen fortsetzen wollten mit einer augenscheinlich auch gestärkten FDP, das ist doch völlig richtig. Oder dass wir in Niedersachsen als FDP mit einem Ministerpräsidenten Gabriel, der ja die Steuererhöhungen zu seinem Wahlkampfthema gemacht hat, nicht zusammenarbeiten konnten als Steuersenkungspartei, das versteht sich aus meiner Sicht auch von selbst. Und die FDP hat, so wie die Grünen bei der Bundestagswahl, eben eine konsequente Zweitstimmenkampagne gemacht. Und viele Wähler, die zum zweiten mal nachdenken bei einer Wahl, wissen, dass sie mit einer Zweitstimme für die FDP zwei Fliegen mit einer Klappe manchmal schlagen können, und haben damit ja auch genau das bewirkt, was sie bewirken wollten, nämlich ein richtiges Ausrufezeichen auch in Berlin gegen Rot-Grün, und gleichzeitig eine Verhinderung von Rot-Grün in Hessen und in Niedersachsen.
Steinhage: Sie sagen stets, Herr Westerwelle - das haben Sie beispielsweise auch in Stuttgart beim Dreikönigstreffen so formuliert -, die FDP will wachsen. Da kann man natürlich nur sagen: Was denn sonst? Das muss ein Parteivorsitzender hoffen. - Meine Frage: Das ‚Projekt 18' ist tot?
Westerwelle: Die Strategie bleibt unverändert. Die ‚18' war ein Wahlziel. Welches Wahlziel wir uns in der nächsten Bundestagswahl setzen, das muss man dann entscheiden. Es kann diese Zahl sein, es kann eine andere Zahl sein. Wir haben dieses Ziel verpasst, und das habe ich nun klar und oft genug auch zugegeben. Dass wir aber zugelegt haben gegenüber den beiden Wahlergebnissen 1994 und 1998, das soll ja nicht verschwiegen werden. Und dass wir jetzt zwei Jahre lang immer bei den Wahlen erfolgreicher geworden sind und mit richtig großartigen Wahlergebnissen abgeschnitten haben, das zeigt, dass die Unabhängigkeits-, Eigenständigkeitsstrategie der FDP als Partei für das ganze Volk, als eine Partei, die sich dem Wohlstand für alle verpflichtet fühlt, dass das richtig ist. Und dass wir diesen Weg fortsetzen werden, dafür garantiere ich auch persönlich.
Steinhage: Ganz kurz noch vielleicht ein Satz: In einer der größten deutschen Städte, in Köln, gibt es jetzt ein schwarz-grünes Bündnis. Lässt Sie das völlig kalt?
Westerwelle: Das ist eher ein Grund für viele frühere CDU-Wähler, dann die klare Oppositionspartei zu wählen - FDP !
Steinhage: Um ein Argument des Außenministers aufzunehmen: Wir können natürlich auch kein Interesse daran haben, dass es im Nahen Osten zu einem Flächenbrand -möglicherweise - kommt mit entsprechenden Auswirkungen auch auf Europa.
Westerwelle: Sehr einverstanden. Diese Zielsetzungen, eine kriegerische Auseinandersetzung im Nahen Osten zu verhindern, haben alle, die in Deutschland politische Verantwortung tragen, alle Parteien. Über den Weg zum Frieden und über den Weg, wie wir den Frieden erhalten können, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Wir als FDP sind der Meinung, dass wir die gute Außenpolitik von Persönlichkeiten wie Walter Scheel, von Hans-Dietrich Genscher, von Klaus Kinkel fortsetzen sollten. Und das bedeutet, dass wir eingebettet sein müssen in unseren wesentlichen Handlungen in das europäische Bündnis, in das NATO-Bündnis insgesamt, denn diese Isolation Deutschlands führt ja nur dazu, dass unser Wort in Washington gar nicht mehr ernst genommen wird. Wir haben überhaupt keinen Einfluss mehr in Amerika, auch bei unseren anderen Bündnispartnern. Die deutsche Regierung hat zudem mit ihrer Vorfestlegung - anders als alle anderen Länder - sich einer Möglichkeit entzogen, auch noch Druck auszuüben zur Entwaffnung auf den irakischen Diktator. Und diesen Druck, den brauchen wir. Wir brauchen einen gehörigen Druck der Völkergemeinschaft gegen den irakischen Diktator, damit er die Massenvernichtungswaffen abgibt, damit er entwaffnet wird. Und deswegen brauchen ja auch die Waffeninspekteure noch etwas mehr Zeit.
Steinhage: Zur deutschen Außenpolitik möchte ich gleich noch kommen. Eine Frage noch: Wäre nach Ihrer Einschätzung ein Krieg bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt gerechtfertigt?
Westerwelle: Nein, weil zum jetzigen Zeitpunkt uns die Waffeninspekteure sagen, sie brauchen noch mehr Zeit, und diese Zeit müssen sie auch bekommen. Wenn Herr Blix sagt - er hat ja bisher schon sehr gute Arbeit gemacht -, er braucht noch etwas mehr Zeit, dann soll er diese Zeit auch bekommen. Diese kleine Chance für den Frieden ist es wert, denn eine kleine Chance für den Frieden ist mit Sicherheit besser als ein tatsächlich dann stattfindender Krieg. Wir wollen, dass Herr Blix diese Zeit auch dann bekommt, und so hat sich ja bisher auch die Mehrheit der Europäer eingelassen, übrigens auch derer, die sehr nah mit den Vereinigten Staaten von Amerika zusammenarbeiten.
Steinhage: Sie haben es schon angesprochen, Herr
Westerwelle: Wegen der Haltung der Bundesregierung im Irakkonflikt und vor allem wegen der Festlegung des Bundeskanzlers auf ein kategorisches ‚Nein' zu einer deutschen Kriegsbeteiligung sind die USA arg verstimmt, um es mal zurückhaltend auszudrücken. Und Frankreich scheint sich ja von der zuvor mit Berlin formulierten Anti-Kriegs-Position auch allmählich zu distanzieren. Deutschland droht damit neben dem abgekühlten Verhältnis zu Amerika auch noch die außenpolitische Isolierung in Europa. Wie groß ist tatsächlich der Schaden nach Ihrer Einschätzung?
Westerwelle: Der Schaden der deutschen Außenpolitik ist bis jetzt schon immens. Wir werden Jahre, viele Jahre brauchen, um uns von diesem dramatischen Fehler der rot-grünen Regierung zu erholen. Hier hat die rot-grüne Regierung, um Wahlen zu gewinnen - was, wie wir wissen, in Hessen und Niedersachsen ja nicht einmal mehr geklappt hat -, ein wesentliches Gesetz der deutschen Außenpolitik gebrochen, nämlich dass Fragen der nationalen Sicherheit, dass Außenpolitik niemals ein einfaches Wahlkampfmanöver sein darf, sondern dass es sich hierbei immer um verantwortungsvolle Politik handeln muss - über die Parteigrenzen hinweg. So haben frühere große Staatsmänner immer wieder gehandelt. Denken Sie übrigens auch an Sozialdemokraten wie Willy Brandt und auch an Helmut Schmidt. Willy Brandt und Helmut Schmidt - das sind sozialdemokratische Kanzler gewesen, die haben für die Einbettung Deutschlands in der Völkergemeinschaft gestanden. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder wird in die Geschichte eingehen als derjenige, der Deutschland in die außenpolitische Isolation geführt hat - mit dem Ergebnis, dass der Frieden unsicherer wird und nicht sicherer. Weil ja einfach auch ein nationaler Alleingang der Vereinigten Staaten von Amerika - den wir nicht wollen als FDP - nur verhindert werden kann, wenn wir Deutsche gesprächsfähig bleiben, wenn unser Wort überhaupt Gewicht hat. Aber wie soll denn unser Wort Gewicht haben, wenn Deutschland öffentlich erklärt hat: ´Ganz egal, was sonst noch rauskommt, wir sind auf alle Fälle gegen alles`. Das unterhöhlt übrigens auch die Rolle der Vereinten Nationen, und die müssen das erste und das letzte Wort haben.
Steinhage: Nun kann ja der Herr Bundeskanzler ohne völligen Gesichtsverlust von seiner Position im Grunde genommen gar nicht mehr weg. Wie aber kann man das zerschlagene Porzellan wieder kitten? Kann da nur die Zeit die Wunden heilen?
Westerwelle: Ich glaube, dass das zerschlagene Porzellan nur gekittet werden kann durch neue Leute. Ich glaube, dass der Bundeskanzler hier auch mit seiner außenpolitischen Torheit, zusammen mit dem Außenminister, sein eigenes Ende nach und nach eingeleitet hat. Es hat noch kein einziger Regierungschef in irgendeinem Lande eine Rolle auf Dauer gespielt, der in so einer wesentlichen Frage sein Land ins Abseits gestellt hat. Das sehen ja auch immer mehr Menschen. Immer mehr Menschen schauen ja auch genau hin und wissen, dass jeder den Krieg verhindern will. Aber die große Mehrheit der Deutschen weiß auch: Ein irakischer Diktator in unserer Nachbarschaft mit Massenvernichtungswaffen, das kann keiner akzeptieren.
Steinhage: Der Bundesnachrichtendienst hatte bereits Ende Januar mitgeteilt, er habe zahlreiche Informationen über die Waffenprogramme des Irak. Darüber hat man natürlich die Bundesregierung, und nicht nur die, in Kenntnis gesetzt. Aber auch der Bundesaußenminister hat sich ja in New York in dieser Weise eingelassen. Wird da seitens des Kanzlers und auch des Außenministers die irakische Bedrohung ignoriert, heruntergespielt?
Westerwelle: In der Öffentlichkeit spielt in der Tat die deutsche Bundesregierung die Bedrohung, auch von Mitteleuropa herunter. Das ist nicht gut für die Meinungsbildung, auch in unserem Volk. So wie ja die anderen Länder, zum Beispiel jetzt gerade in dieser Woche der spanische Ministerpräsident, ihre Erkenntnisse veröffentlicht haben, so muss endlich auch die deutsche Bundesregierung dem Bundesnachrichtendienst die Genehmigung erteilen, die eigenen Erkenntnisse zu veröffentlichen. Ich bin selbst als ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages, zusammen mit einigen anderen, informiert worden über die Erkenntnisse unserer deutschen Nachrichtendienste. Diese Erkenntnisse, die ich weiterhin vertraulich behandeln werde, sind aber entscheidungserheblich. Und ich glaube, man muss diese Kenntnisse jetzt endlich auch der deutschen Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, damit sie sich ein eigenes Bild machen kann - auch außenpolitisch ein eigenes Bild machen kann. Die Tatsache, dass das nicht geschieht, ist ausschließlich parteipolitisch und innenpolitisch motiviert. Der Bundesnachrichtendienst darf es nicht ohne eine entsprechende Genehmigung der Bundesregierung. Wir sind informiert worden. Wir wurden zur Vertraulichkeit verpflichtet. Wir dürfen also auch nicht die Fakten veröffentlichen. Man kann diese Fakten endlich veröffentlichen, ohne übrigens, dass irgendeine Quelle gefährdet wird.
Steinhage: Werden Sie versuchen, in dieser Hinsicht in der kommenden Woche im Parlament die Bundesregierung zu stellen?
Westerwelle: Ja, wir werden in der nächsten Woche - und das hat ja die FDP bereits Anfang der letzten Woche angekündigt - wir werden in der nächsten Woche eine Generaldebatte zur Lage unserer Nation natürlich auch initiieren. Ich weiß, dass auch die andere Oppositionspartei Union mittlerweile unsere Forderung teilt nach einer Generalaussprache im Deutschen Bundestag. Das ist auch dringender nötig denn je, denn wir haben einerseits in dieser Woche ja eine dramatische Lage auf dem Arbeitsmarkt geschildert bekommen - das ist ja die zweite große Katastrophe neben dem Desaster in der Außenpolitik, die wir in dieser Woche von der Bundesregierung erleben mussten -, mehr als 4,6 Millionen Arbeitslose. Lassen Sie es jetzt, was hoffentlich nicht passieren wird, noch einen harten kalten Februar geben, dann sind wir bei vielleicht fast 5 Millionen Arbeitslosen; das wird allmählich demokratiegefährdend. Zusammen mit dem, was wir jetzt in der Außenpolitik wissen, muss man sagen: Diese Regierung ist historisch gescheitert.
Steinhage: Sie sprachen selbst schon die Arbeitslosenzahlen an, Herr Westerwelle. Die Hoffnung auf ein neues und dann tatsächlich effizientes Bündnis für Arbeit ist verflogen. Die Gewerkschaften machen nicht mit, sie werfen den Arbeitgebern unzumutbare Bedingungen vor. - Die Not ist groß und wenig bewegt sich. Wird der Standort Deutschland zum hoffnungslosen Fall?
Westerwelle: Nein, die Hoffnung darf man nie aufgeben. Und da das ja auch hausgemachte Probleme sind, die wir in Deutschland haben, sind wir natürlich auch selber in der Lage, diese Probleme zu beseitigen. Wir haben einfach in Deutschland zu viel bürokratische Staatswirtschaft mit zu hohen Steuern, zu hohen Abgaben, mit zuviel Bürokratie. Und wir haben zu wenig soziale Marktwirtschaft mit echtem Wettbewerb, flexibleren Rahmenbedingungen - und das muss durchgesetzt werden. Ich fand in dem Zusammenhang übrigens interessant, dass der Wirtschaftsminister Clement dieses ja noch am Sonntagabend nach den beiden Landtagswahlen öffentlich in einer Sendung, an der ich selber teilgenommen habe, vorgeschlagen hat. Dass aber sofort unverzüglich danach die SPD ihn zurückgepfiffen hat. Vor allen Dingen Herr Müntefering ist ja wirklich ein echter Betonkopf der Politik geworden, zusammen mit seinen Abgeordneten. Das reiht sich ein in eine Haltung der deutschen Gewerkschaften, vor allem der Gewerkschaftsfunktionäre, die verantwortungslos ist. Ich habe in dieser Woche gesagt, nachdem die Gewerkschaften nicht einmal 70 Minuten gebraucht haben, um Vorschläge der Arbeitgeber vom Tisch zu wischen - bis hin zur Ausbildungsplatzgarantie, die ja die Arbeitgeber abgeben wollten -, dass diese Gewerkschaftsfunktionäre eine Plage für unser Land sind. Ich erneuere das. Ich glaube, dass diese Gewerkschaftsfunktionäre nicht mehr wissen, was in unserem Land wirklich vor sich geht. Sie vertreten nicht mehr die Interessen der Arbeitnehmerschaft, der Menschen, die Arbeit suchen. Und es wird eine Aufgabe der Politik sein, den Einfluss dieser Gewerkschaftsfunktionäre auf die Wirtschaftspolitik zu verringern. Wenn beispielsweise 75 Prozent der Abgeordneten der SPD im Deutschen Bundestag selber aus Gewerkschaften kommen, dann ist das kein vernünftiger Interessensausgleich mehr im Sinne von Tarifautonomie, wie er im Grundgesetz angelegt ist.
Steinhage: Der Finanzminister Eichel will an seinem Steuerpaket mit dem massiven Abbau von Steuervergünstigungen festhalten. Er fordert die Opposition auf, ihrerseits Vorschläge zu machen. - Herr Westerwelle, angesichts leerer Kassen und Maastricht-Kriterien vor dem Hintergrund lahmender Konjunktur und bedrückender Arbeitslosigkeit: Welchen Rat gibt die FDP Hans Eichel?
Westerwelle: Herr Eichel muss seine Politik um 180 Grad korrigieren. Herr Eichel erzählt uns, es gäbe nur zwei Alternativen: Schulden rauf oder Steuern rauf. Es gibt aber einen dritten Weg, und dieser dritte Weg heißt Steuern senken. Denn die Staatsfinanzen sind schlecht, weil die Steuern zu hoch sind. Sie wären besser, wären die Steuern niedriger. Das zeigt übrigens auch die Erfahrung, die wir in Deutschland hatten. Nicht nur Mitte der 80er Jahre - auch jetzt in ganz Europa - geht ja Europa einen anderen Weg wie wir es in Deutschland tun. Wir sind mittlerweile durch diese Steuer-, Finanz- und Wirtschaftspolitik in Europa das absolute Schlusslicht mit einem Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent. Wenn also alle anderen Europäer mehr Wirtschaftswachstum haben, besser mit den Veränderungen der Weltwirtschaft zurecht kommen, wie wir es in Deutschland derzeit tun, dann muss das etwas mit der falschen Weichenstellung der Politik unserer Regierung zu tun haben. Und deswegen will die FDP ihre Initiativen - für Steuersenkungen, für eine Reform der sozialen Sicherungssysteme, für eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, für eine Entbürokratisierung, für Subventionsabbau, für Privatisierungspolitik - mit dem gewachsenen Gewicht unserer Abgeordneten in den Ländern und im Deutschen Bundestag auch durchsetzen.
Steinhage: Stichwort ‚soziale Sicherungssysteme': In Fragen der Sozialpolitik ist für die Bundesregierung die Rürup-Kommission aktiv. Die Union antwortet nun mit ihrer Herzog-Kommission. - Kommissionen aller Orten: Sehen Sie Chancen, dass da wirklich was bei rumkommt?
Westerwelle: Ach, diese ganzen Kommissionen. Es sieht doch jeder, was notwendig ist. Wir brauchen nicht Kommissionen, wir brauchen nicht Denker, wir brauchen Macher. So wichtig auch die Kommission ist - und Herrn Professor Rürup mit seinen Kolleginnen und Kollegen schätze ich sehr, und ich weiß auch, dass tolle Experten in dieser Unionskommission jetzt sitzen - aber es ist doch alles bekannt, was zu tun ist. Wir wissen doch, was zu tun ist. Es ist doch nun in jedem Wirtschaftsgutachten jedes Jahr amtlich festgehalten, was endlich in diesem Land zu tun ist, damit es Wirtschaftswachstum gibt. Diese ‚Vertagungs-Diskussion' - ich habe dermaßen die Nase voll von dieser ‚Kommissionitis' in Deutschland. Es muss gehandelt werden. Wir müssen ein wettbewerbsfähiges Steuersystem bekommen mit drei einfachen Steuersätzen von 15, von 25, von 35 Prozent, damit wieder investiert wird, damit die Menschen wieder nachfragen, damit sie wieder Vertrauen haben auch in die Wirtschaft und wieder einkaufen gehen. Nur so kommt eine Wirtschaft wieder in Gang. Wir müssen bei der Gesundheitspolitik uns von dieser Planwirtschaft verabschieden und vor allen Dingen auch Anreize ins System einbauen - wie zum Beispiel Beitragsrückerstattungen auch für gesetzlich Versicherte, damit diejenigen, die dort versichert sind, verantwortungsvoll, wie jeder andere auch, mit dem System und den Mitteln des Systems umgehen. Wir müssen, und das wissen wir längst, die vielen Hundert Unternehmensbeteiligungen des Staates allesamt auf den Prüfstand stellen, weil sie zum Teil auch noch dem Mittelstand Konkurrenz machen. Wir müssen Gesetze beschließen in der Wirtschaft, die künftig nur noch ein Verfallsdatum haben, damit sie auch mal irgendwann wieder außer Kraft treten, und nicht jedes Jahr Dutzende von neuen Gesetzen den Mittelstand mehr und zusätzlich belasten. Wir müssen in der Rente den demographischen Faktor, also den Faktor der Rentenformel erweitern, der sich an der Altersstruktur unserer Bevölkerung orientiert. Das ist alles jetzt seit Jahren durchgekaut. Dazu gibt es unendliche Papiere, unendliche Kommissionsergebnisse. Es muss jetzt endlich mal gehandelt werden. Und das ist das Problem in diesem Lande.
Steinhage: Es schreckt Sie nicht, wenn jetzt das Wort die Runde macht von der informellen Großen Koalition im Bund vor dem Hintergrund, dass die SPD schwere Schlappen erlitten hat bei zwei Wahlen, dass sie im Bundesrat weiter geschwächt ist und auf die Union sich zubewegen will. Sie hat natürlich die Union im Fokus. Da haben Sie nicht die Sorge, dass die FDP da etwas vom Wagen runterfällt?
Westerwelle: Nein, denn ich weiß ja, dass im Bundesrat die FDP eine Schlüsselstellung hat, übrigens auch in der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt, eine Schlüsselstellung hat. Also, wenn da der Eindruck erweckt wird, die eine große Seite Rot-Grün oder die andere größere Oppositionspartei könnten alleine etwas ausmachen, dann ist das vielleicht in den Medien ein bisschen so der Versuch, sich auch wichtiger zu nehmen, als es dann tatsächlich der Fall ist. Die FDP wird in aller Bescheidenheit, aber doch mit großer Konsequenz das Programm, das wir ja schließlich vom Wähler bestätigt bekommen haben, durchsetzen. Und das Programm heißt: Marktwirtschaftliche Erneuerung gegen diese zunehmende Staatswirtschaft. Und da werden wir sicherlich den anderen auch ein bisschen auf die Sprünge helfen müssen, wenn Sie so wollen. Die FDP, die ja nicht nur mit der CDU in den Ländern zusammen regiert, sondern in Rheinland-Pfalz auch mit der SPD zusammen - übrigens sehr erfolgreich -, wir werden ein "Scharnier der Vernunft" sein. Denn die Grünen fallen aus, sie sind kaum noch in Landesregierungen beteiligt. Die FDP ist in fünf Landesregierungen beteiligt, und dementsprechend haben wir ein gewachsenes Gewicht, das wir sehr verantwortungsvoll einsetzen werden.
Steinhage: Herr Westerwelle, nun ist es ja in der Politik manchmal so wie im richtigen Leben: Man hat eine andere Wahrnehmung von sich selbst, als andere dieses haben. Worauf ich hinaus will, ist, dass die Medien geschrieben haben - nach dem vorläufigen Verbleib Möllemanns in der nordrhein-westfälischen FDP-Landtagsfraktion -, dies sei eine Niederlage für Parteichef Westerwelle gewesen. Sie selbst haben gesagt: "Nein, nein, das war ärgerlich, aber keine Niederlage". - Zur Erklärung für die Hörerinnen und Hörer: Sie waren eigens nach Düsseldorf gefahren, haben dort lange mit den Abgeordneten gesprochen, und dann fehlt doch die eine entscheidende Stimme. Hand auf's Herz: Wirklich keine Niederlage?
Westerwelle: Ich finde, das ist ärgerlich. Das habe ich auch unumwunden zugegeben. Aber ich empfehle wirklich große Gelassenheit. FDP und Bundestagsfraktion werden ihren Weg weiter gehen, das ist bekannt. Das haben wir auch in dieser Woche mehrfach und wiederholt gesagt. Ich muss Ihnen sagen, ich glaube, dass dieses Land wirklich wichtigere Probleme hat.
Steinhage: Trotzdem, wenn Sie gestatten, würde ich kurz noch dabei bleiben . . .
Westerwelle: . . . gerne . . .
Steinhage: . . . Das Übrige im Falle Möllemann soll ja jetzt das Parteiausschlussverfahren richten. Das könnte sich aber über Monate, vielleicht sogar über Jahre hinziehen - das brauche ich Ihnen nicht zu erzählen - Landesschiedsgericht, Bundesschiedsgericht, ordentliche Gerichte, wer weiß, was da alles kommt. Und ein Ausgang des Verfahrens ist ja vielleicht dann am Ende doch ungewiss. Das Thema wird Sie also doch noch, ob Sie es wollen oder nicht, eine Weile beschäftigen. Möllemann kann Ihnen noch viel Ärger machen. Da sind Sie ganz gelassen?
Westerwelle: Ja, da bin in sehr gelassen. Vor allen Dingen bin ich deshalb gelassen, weil ich gesehen habe, dass die Wählerinnen und Wähler unseren Kurs offensichtlich stärker machen. Das waren ja jetzt nicht mal gerade eben so zufällig zwei Wahlen, die wir irgendwie knapp gewonnen hätten. Sondern das waren in Hessen und Niedersachsen die besten Wahlergebnisse seit 30 oder 40 Jahren für die FDP. Und das waren jetzt in Folge hintereinander neun Wahlen, bei denen die FDP jedes Mal zugelegt hat. Wir haben in den letzten zwei Jahren von 55 Landtagsabgeordneten unseren Anteil in den Landesparlamenten auf 110 Landtagsabgeordnete verdoppeln können. Wir haben bei sämtlichen Kommunalwahlen richtig deutlich zugelegt...
Steinhage: ...Aber den Big Point haben Sie nicht gemacht: Bei der Bundestagswahl zugelegt, aber es hat nicht gereicht.
Westerwelle: Wo Sie recht haben, haben Sie recht. Und ich ärgere mich darüber, dass wir die Regierungsverantwortung verpasst haben. Ich kenne übrigens viele, viele Menschen, die sich mittlerweile auch darüber ärgern, denn es werden ja immer weniger, die zugeben, Rot-Grün gewählt zu haben.
Steinhage: Im Mai ist Bundesparteitag in Bremen. Dann sind Sie zwei Jahre im Amt. Wie fest sitzt Guido Westerwelle im Sattel? Unangefochten, konkurrenzlos?
Westerwelle: Ja.
Steinhage: Bei zwei Jahren Parteivorsitz mit Ups und Downs, mit zahlreichen Wahlerfolgen einerseits - Sie haben darauf hingewiesen -, einer verpassten Chance auf den Regierungswechsel im Bund andererseits, mit Möllemann-Frust und sicherlich auch teilweise Oppositions-Lust, das sind eine Menge Erfahrungen. - Haben Sie die zwei Jahre verändert?
Westerwelle: Ja, die haben mich verändert, weil es einfach einen Unterschied macht, ob man als Parteivorsitzender für alles letzten Endes verantwortlich ist, auch wenn man an einigen Dingen weiß Gott nicht mal ein kleinen Beitrag dazu geleistet hat. Also, wenn Sachen schiefgehen, ist man als Parteivorsitzender für alles verantwortlich. Wenn Sachen gutgehen, gibt es immer ganz viele, die den Erfolg für sich reklamieren. Das ist menschlich, das ist in der Politik nicht anders. Die Niederlage ist ein Waisenkind, der Sieg hat viele Väter. Aber unterm Strich: In den zwei Jahren bin ich sicherlich ein gutes Stück auch vorangekommen - politisch, aber auch natürlich ganz persönlich. Es sind so ziemlich die lehrreichsten beiden Jahre meines Lebens bisher gewesen. Und man wächst an den Aufgaben. Und ich glaube auch, dass man wirklich das erkennen kann. Wenn man relativ jung - und ich bin ja mit noch nicht mal vierzig Jahren dann Parteivorsitzender der FDP geworden -, wenn man relativ jung in so ein Amt kommt, dann soll man auch zugeben, dass man in dieser Zeit richtig viel gelernt hat. Und ich hoffe, dass ich noch weiter lernen werde.
Steinhage: Sie betonen stets die Unabhängigkeit der FDP, haben etwa beim Dreikönigstreffen in Stuttgart gesagt: "Wir sind nicht das Stützrad einer anderen Partei". Tatsächlich aber haben die Wähler bei den jüngsten Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen ausweislich aller Analysen die Liberalen als Korrektiv, als Funktionspartei gewählt. - Wie verträgt sich dies mit dem von Ihnen postulierten Anspruch?
Westerwelle: Nun, das widerspricht sich ja nun wirklich nicht. Wir haben übrigens auch in Hessen über fünf Prozent Erststimmen bekommen. Das zeigt ja, dass die FDP - wenn sie in allen Wahlkreisen übrigens, in Niedersachsen und in Hessen, über fünf Prozent lag, in vielen, vielen Wahlkreisen zweistellig war -, dass die FDP ja mit ihrem Programm akzeptiert wird. Dass wir gleichzeitig auch für eine Regierungsbildung gebraucht werden, und dass die Wähler eine erfolgreiche Regierung in Hessen fortsetzen wollten mit einer augenscheinlich auch gestärkten FDP, das ist doch völlig richtig. Oder dass wir in Niedersachsen als FDP mit einem Ministerpräsidenten Gabriel, der ja die Steuererhöhungen zu seinem Wahlkampfthema gemacht hat, nicht zusammenarbeiten konnten als Steuersenkungspartei, das versteht sich aus meiner Sicht auch von selbst. Und die FDP hat, so wie die Grünen bei der Bundestagswahl, eben eine konsequente Zweitstimmenkampagne gemacht. Und viele Wähler, die zum zweiten mal nachdenken bei einer Wahl, wissen, dass sie mit einer Zweitstimme für die FDP zwei Fliegen mit einer Klappe manchmal schlagen können, und haben damit ja auch genau das bewirkt, was sie bewirken wollten, nämlich ein richtiges Ausrufezeichen auch in Berlin gegen Rot-Grün, und gleichzeitig eine Verhinderung von Rot-Grün in Hessen und in Niedersachsen.
Steinhage: Sie sagen stets, Herr Westerwelle - das haben Sie beispielsweise auch in Stuttgart beim Dreikönigstreffen so formuliert -, die FDP will wachsen. Da kann man natürlich nur sagen: Was denn sonst? Das muss ein Parteivorsitzender hoffen. - Meine Frage: Das ‚Projekt 18' ist tot?
Westerwelle: Die Strategie bleibt unverändert. Die ‚18' war ein Wahlziel. Welches Wahlziel wir uns in der nächsten Bundestagswahl setzen, das muss man dann entscheiden. Es kann diese Zahl sein, es kann eine andere Zahl sein. Wir haben dieses Ziel verpasst, und das habe ich nun klar und oft genug auch zugegeben. Dass wir aber zugelegt haben gegenüber den beiden Wahlergebnissen 1994 und 1998, das soll ja nicht verschwiegen werden. Und dass wir jetzt zwei Jahre lang immer bei den Wahlen erfolgreicher geworden sind und mit richtig großartigen Wahlergebnissen abgeschnitten haben, das zeigt, dass die Unabhängigkeits-, Eigenständigkeitsstrategie der FDP als Partei für das ganze Volk, als eine Partei, die sich dem Wohlstand für alle verpflichtet fühlt, dass das richtig ist. Und dass wir diesen Weg fortsetzen werden, dafür garantiere ich auch persönlich.
Steinhage: Ganz kurz noch vielleicht ein Satz: In einer der größten deutschen Städte, in Köln, gibt es jetzt ein schwarz-grünes Bündnis. Lässt Sie das völlig kalt?
Westerwelle: Das ist eher ein Grund für viele frühere CDU-Wähler, dann die klare Oppositionspartei zu wählen - FDP !