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Wettanbieter: Keine anonymen Wetten möglich

Stefan Heinlein: Es ist ein Millionengeschäft. Wochenende für Wochenende setzen Glücksritter ihr Geld auf Sieg oder Niederlage. Die Fußballzocker haben längst die Hinterzimmer der Buchmacher verlassen. Das Internet ersetzt den Totoschein der Vergangenheit. Dass es beim Spiel mit den Millionen nicht immer mit rechten Dingen zuging, diesen Verdacht gab es schon lange. Doch der DFB hielt den Ball flach. Erst jetzt nach den schweren Manipulationsvorwürfen im Fall Hoyzer sind die Funktionäre wachgeworden und kündigen eine umfangreiche Aufklärung der immer zahlreicher werdenden Verdachtsfälle an. Inzwischen pfeift auch der Staatsanwalt. Immerhin geht es augenscheinlich um kriminelle Machenschaften. Betrugsvorwürfe, die kurz vor der WM 2006 nicht nur den deutschen Fußball in Verruf bringen, sondern auch die Branche der Wettanbieter ins Zwielicht geraten lassen. Am Telefon nun der Sprecher des zweitgrößten deutschen Wettanbieters Betandwin Hartmut Schulz. Herr Schulz, DFB-Präsident Meyer-Vorfelder hat erklärt, die Sportwetten seien eine Gefahr für den Fußball. Bekennen Sie sich schuldig? Machen Sie den Fußball kaputt?

Moderation: Stefan Heinlein |
    Hartmut Schulz: Mit Sicherheit machen die Wetten keinen Sport kaputt. Gewettet worden ist im Sport immer. Jeder weiß, dass man früher mit Freunden gewettet hat um eine Kiste Bier oder ähnliches. Das ist eine ganz normale Sache. Wenn etwas den Sport kaputt macht, sind es unlautere Wetten, und dort in der Tat muss man sich insbesondere bei den Verbänden überlegen, wie man sicherstellen kann, dass das nicht in der Form, wie es jetzt mutmaßlich geschehen ist, weiterhin passiert. Wir sind zum Beispiel mit der DFL dort in einem sehr engen Austausch, um unser Know-how und unsere Kenntnisse über Wetten dort zur Verfügung zu stellen und einzubringen.

    Heinlein: Nun geht es inzwischen um weit mehr als um eine Kiste Bier. Was wollen Sie denn gemeinsam mit dem DFB nun konkret unternehmen, um künftig Manipulationen zu verhindern?

    Schulz: Wir haben bei Betandwin.de - das ist die größte Privatwettenplattform, die in Deutschland zugelassen ist - einen sehr hohen Sicherheitsstandard. Wir haben uns die Spiele Oberhausen, Paderborn und auch die übrigen, die jetzt in der Diskussion stehen, angeschaut und haben festgestellt, dass bei uns kein erhöhtes oder ungewöhnliches Wettaufkommen zu verzeichnen war. Wir erklären uns das mit den bei uns von Anfang an im deutschen Markt gepflegten sehr hohen Sicherheitsstandards.

    Heinlein: Was sind denn die Sicherheitsstandards? Wann werden Sie denn aufmerksam? Was deutet auf Manipulation bei Spielen an den jeweiligen Spieltagen hin?

    Schulz: Zunächst einmal haben wir sichergestellt, dass bei uns nicht anonym gewettet werden kann. Das bedeutet, wenn Sie eine Wette setzen wollen, müssen Sie sich registrieren mit ihren persönlichen Daten, und Sie müssen sich zusätzlich legitimieren mit einer Kopie des Personalausweises, wenn Sie zum ersten Mal einen Gewinn ausgezahlt bekommen, so dass jemand, der mit schlechten und bösen Absichten Wetten setzt, sicherlich einen anderen Weg sucht zu wetten, um seine Spuren zu verwischen. Sie haben zum Beispiel die Möglichkeit, bei jeder Lottoannahmestelle einen Tipp abzugeben, bei dem Ihre Person nicht in dieser Form kenntlich werden muss.

    Heinlein: Gibt es auch eine Höchstgrenze?

    Schulz: Normalerweise wird eine bestimmte Summe, sagen wir 100 Euro, von der Kreditkarte auf ein Wettkonto gebucht, die dann der Wetter dort setzen kann. Wir haben diese Abbuchung von der Kreditkarte gedeckelt, das heißt, es können innerhalb von 24 Stunden nur 1000 Euro und innerhalb eines Monats nicht mehr als 5000 Euro auf das Wettkonto so transferiert werden.

    Heinlein: Kann man denn auch auf einzelne Spiele bei Ihnen wetten, zum Beispiel auf das Ergebnis Paderborn gegen den HSV im DFB-Pokal?

    Schulz: Ja, das können Sie.

    Heinlein: Ist da die Gefahr denn groß, dass man manipulieren kann? Bei Ihrem Konkurrenten gibt es nur Kombi-Wetten von drei, vier oder mehr Spielen.

    Schulz: Die gibt es bei uns auch. Ich sage mal, wenn Sie bei einem Spiel wissen würden, wie es ausgeht, haben Sie mit Sicherheit auch die Möglichkeit, dort mit intelligenten Kombi-Wetten sehr viel Geld zu verdienen. Wir haben einfach die Erfahrung gemacht, dass wir bisher in dieser Form jedenfalls in den diskutierten Fällen keinen Missbrauch bei uns auf der Plattform festgestellt haben. Insofern glauben wir, dass unser hoher Sicherheitsstandard dort auch entsprechend abschreckt.

    Heinlein: Reicht das aus, was Sie bisher unternehmen, oder braucht es neue rechtliche oder ganz praktische Regelungen, um künftig Manipulationen zu verhindern?

    Schulz: Sie können in keinem Lebensraum Kriminalität verhindern. Im Online-Bereich haben Sie genauso Betrugsdelikte wie im normalen Geschäftsleben. Ebay pflegt beispielsweise einen sehr hohen Sicherheitsstandard, obwohl auch dort Betrugfälle stattgefunden haben. Wir haben von Anfang an diese Gefahr gesehen und haben diese Standards auch sehr hoch gesetzt, zum einen aus Jugendschutzaspekten, aber auch um Missbrauch zu verhindern. Wir glauben, dass von unserer Seite sehr viel getan wurde, und die Tatsache, dass es solche Wetten bei uns bisher nicht gegeben hat, gibt uns dort auch Recht.

    Heinlein: Aber absolut ausschließen können Sie kriminelle Machenschaften nicht, also wer betrügen will, kann auch bei Ihnen betrügen?

    Schulz: In jedem Geschäftsleben kann es Betrug leben, und niemand kann sich dagegen versichern und kann es ausschließen. Wir haben aber sehr viel getan, um das zu verhindern und haben bisher jedenfalls in diesen diskutierten Fällen das nicht festgestellt. Zudem ist es so, dass die Buchmacher, die die Quoten machen - das sind Spezialisten in den jeweiligen Sportarten -, zum Beispiel 3,5, das heißt, wenn Bayern München 3,5 wäre und Sie setzen 10 Euro, bekommen Sie 35 Euro ausgezahlt, diese Buchmacher gucken sich sehr genau an, was dann in den jeweiligen Wetten geschieht, und wir haben die Möglichkeit, diese Wetten dann auch auszusetzen und kurzfristig zu sperren, wenn wir den Eindruck haben, dass dort in irgendeiner Weise merkwürdige oder nicht nachvollziehbare Einsätze getätigt werden.

    Heinlein: Ist das in der Vergangenheit schon öfter vorgekommen?

    Schulz: Nein.

    Heinlein: Also es gibt keine Manipulation, auf die Sie bisher aufmerksam geworden sind?

    Schulz: Wir sind beim Angebot von Betandwin.de in Deutschland bisher auf so eine Manipulation nicht aufmerksam geworden. Wir haben gelegentlich ungewöhnlich hohe Einsätze. Es hat aber damit zu tun gehabt, dass zum Beispiel morgens im Frühstücksfernsehen Günter Netzer oder Franz Beckenbauer in der Bild-Zeitung ein Tipp auf ein Spiel gegeben hat. Dort haben wir nachvollziehen können, dass das auch viele Wetter zum Anlass nehmen, diese Tipps entsprechend zu setzen.

    Heinlein: Der DFB überlegt jetzt ein komplettes Wettverbot für Spieler, Schiedsrichter und Funktionäre. Halten Sie ein solches Verbot für machbar?

    Schulz: Das ist eine Entscheidung, die der DFB treffen müssen. Wir haben in unseren allgemeinen Geschäftsbedingungen festgesetzt, dass niemand, der in ein sportliches Ereignis involviert ist, bei uns zu diesem Ereignis Wetten setzen darf.

    Heinlein: Sollten sich die Vorwürfe im Fall Hoyzer bestätigen, was ist Ihre Einschätzung, ist er das einzige schwarze Schaf, oder gibt es eine ganze Herde?

    Schulz: Das kann ich nicht sagen. Sie haben in jedem Lebensbereich Menschen, die auch kriminelle Energie haben und unlautere Dinge versuchen. Da sind weder Sportwetten noch irgendein anderes Geschäft davon ausgeschlossen. Wie groß die Dunkelziffer ist und ob es dort mehr schwarze Schafe im Bereich des deutschen Profisportes gibt, vermag ich nicht zu sagen.

    Heinlein: Befürchten Sie für Ihre Branche durch die aktuelle Entwicklung Umsatzeinbußen?

    Schulz: Das glaube ich nicht. Im Gegenteil: Ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere sich anguckt, was eigentlich Sportwetten sind. Wir sind sehr bemüht, trotzdem dort einen Imageschaden zu vermeiden und sind zum Beispiel mit der DFL in einem engen Kontakt, da man sich dort wie beim DFB überlegen muss, wie man damit umgeht.

    Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch.