Köhler: Die Exzellenzoffensive für deutsche Hochschulen von Bundesbildungsministerin Bulmahn ist zunächst einmal gestoppt worden. Die Eliteförderung für deutsche Unis mit 1,9 Milliarden Euro ist am Veto einiger unionsgeführter Länder zunächst gescheitert, die darin eine Einmischung des Bundes in Länderfragen sehen. Die Politik blockiert die Wissenschaft, sagt dazu Hochschulrektorenpräsident Peter Gaehtgens. Morgen kommt die Hochschulrektorenkonferenz zur Jahresversammlung zusammen und hat ein Schwerpunktthema, nämlich die Finanzierung der Hochschulen. Darüber möchte ich nun mit dem Arzt und Gründungspräsident, langjährigen Vorstandsvorsitzenden des Universitätsvereins und Universitätspräsident der Privatuniversität Witten/Herdecke, Konrad Schily sprechen. Herr Schily, Fachleute haben sich ja auf Initiative der Volkswagenstiftung Berlin am vergangenen Freitag getroffen und gefordert: Mehr Selbständigkeit für Hochschulen. Das hören wir jetzt schon lange und oft, um international wettbewerbsfähig zu sein. Wollen Sie uns in einem ersten Schritt sagen, wo eigentlich die Unis unselbstständig sind?
Schily: Die deutsche Universität ist eine Einrichtung der Regierung, ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes und wird über Gesetze und Verordnungen gesteuert. Und da ist nicht viel Selbstständigkeit darin. Also wir wollen mal sagen, der alte Postbeamte vor Ort, der konnte auch noch bis um fünf Uhr weitermachen, wenn er schon um viertel vor fünf hätte aufhören können. Aber das ist so die Bewegungsfähigkeit, die man dann vor Ort hat. Oder Sie können es auch anders ausdrücken: die Unis haben die gesamte Verantwortung und die Rechte liegen im Wesentlichen bei der Regierung. Also wer es dann tun soll und wie es gemacht werden soll, sagt die Regierung, und was dann dabei rauskommt, dafür werden die Unis verantwortlich gemacht.
Köhler: Also im Bereich Management, Berufungen, Studentenauswahl und - unser Gespräch soll sich um Finanzierungen drehen - auch bei Studiengebühren sind Ihnen die Hände gebunden?
Schily: Ja, das ist alles Verordnungsfrage oder Gesetzesfrage. (…) Die Unis sind nicht die eigene Firma, die eigene Firma hat die eigene Grundstücke, hat die eigenen Rechte und kann damit optimieren und manchmal auch nicht optimieren, das ist klar, aber es ist dann ein Wettbewerb.
Köhler: Seit bald einem Vierteljahrhundert gibt es die Privatuniversität Witten/Herdecke, deren Gründungspräsident Sie sind. Immer wieder haben Privatunternehmer Ihnen unter die Arme gegriffen. Vor etwa zehn Jahren gab es mal ein größere finanzielle Krise. Wie sind Sie da rein und wie sind Sie wieder rausgekommen?
Schily: Na ja, wir sind ja vermögenslos reingegangen. Es ist nicht so, dass wir eine Milliarde D-Mark Vermögen damals gehabt hätten und dann hätten wir angefangen, sondern wir haben eigentlich mit nichts angefangen. Führend waren die Ideen und darum haben wir auch Unterstützung bekommen. Und dann haben wir halt mehr und mehr eigene Einnahmen gemacht. Ziemlich bald hatten wir 50 Prozent am Budget eigener Einnahmen...
Köhler: Woraus haben die sich zusammengesetzt?
Schily: Aus Forschung, Entwicklung, Engineering Consulting, Einnahmen aus der Zahnmedizin, etc.. Wissen Sie, wenn sie selbstständig sind, dann fällt Ihnen natürlich auch was ein. Und wenn das Wasser dann manchmal steigt - Sie sagten, die Situation vor zehn Jahren, als das Wasser uns wirklich am Halse stand - dann werden Sie munter, ja, also Angst ist ja nicht immer hinderlich für das Denken, sondern sie macht manchmal auch beweglich, dass einem mal was Neues einfällt, wo man noch Geld herbekommen könnte.
Köhler: Geht so etwas nur bei einer kleinen Privat-Uni mit tausend Studenten und nicht bei einer Massen-Uni wie, sagen wir mal München, Düsseldorf, Berlin oder Hamburg?
Schily: Ja, natürlich ist die kleinere Einheit beweglicher, aber wenn denn Berlin oder Hamburg oder Düsseldorf oder München - sehen Sie, die TU-München ist schon ein gutes Beispiel, dass auch eine größere Uni bewegt werden kann. Eine solche große Einheit würde versuchen, sich aufzuspalten und dann würde das gleiche eintreten, was bei den Konzernen in den 60er Jahren eingetreten ist, als solche riesen Institutionen wie Siemens sich aufgeteilt haben in managementfähige Einzelteile. Das ist im Prinzip übertragbar, ja.
Köhler: Gibt es so etwas wie einen Königsweg? Ich sage mal das viel beschworene Stichwort der Drittmitteleinwerbung oder etwas anspruchsvoller formuliert, eine Offenheit der Karrierewege aus der Uni in die Wirtschaft, aus der Wirtschaft in die Uni, also hin und her?
Schily: Ja, das ist einer, aber das ist nicht der Königsweg. Der Königsweg für die Regierung hieße meines Erachtens, "Ich geb' die Sache frei und lasse einen echten Wettbewerb zu". Jetzt im Moment geben wir Standardvorgaben und wir machen wie in der DDR Planerfüllung: Wer ist der beste Planerfüller? Aber der Königsweg gibt die Sache frei, so dass eine echte Freiheit oder Autonomie oder Selbständigkeit und Selbstverantwortung entsteht und dann müssen viele Wege gefunden werden und welcher dann der Königsweg ist, das ist vielleicht in Osnabrück ganz anders als in München.
Köhler: Aber es gibt ja im Moment den Wettbewerb zwischen Ländern und Bund und nicht den, der sinnvoll wäre, nämlich der zwischen den Hochschulen, oder?
Schily: Ja, genau, die Länder haben sich bisher durch ein Kartell gebunden, das heißt, sie machen keinen Wettbewerb, das steht im Gesetz, aber sie haben sich durch das Kartell der Kultusministerkonferenz gebunden. Da ist Einstimmigkeit erforderlich und ein wirklicher Wettbewerb findet nicht statt. Die Unis können nicht miteinander wettbewerben, denn Osnabrück, um das noch einmal zu sagen, kann nicht die ganz andere Lösung wählen, wie zum Beispiel München, da steht das Gesetz dazwischen.
Köhler: "Staatsferne Qualitätssicherung autonomer Hochschulen", das ist auch so eine Formulierung, die man immer wieder hört und jetzt auch am vergangenen Freitag der Hochschulfachleute. Sie haben früh angefangen mit Studiengebühren. Jemand wie Peter Glotz hat das auch immer zum Missfallen seiner Partei auch früh gefordert. Da führt über kurz oder lang kein Weg mehr dran vorbei?
Schily: Ich glaube auch. Und schauen Sie, eine Uni definiert sich ja nicht über Studiengebühren, sondern eine Uni definiert sich über ihre Qualität und über ihr Sein. Das heißt, wie weit können sie wirklich das lebendig machen, was wir seit Humboldt die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden nennen. Und für Witten/Herdecke war das nicht eine Frage der Finanzen, das auch, aber es war auch eine Frage, "Sind die Studierenden, die an allen Stellen mitreden wollen - sie sind ja auch erwachsen und wir haben so den Slogan "unwiederbringlich Erwachsene", sind die auch bereit, mitzuhelfen und einen Teil des Problems mitzustemmen? Sie sind ja bereit nachzudenken mit uns, was Uni ist und was Uni sein soll. Und das ist ein Teil der Studiengebühren, also der Qualität der Studiengebühren, die man gar nicht unterschätzen soll.
Köhler: Herzlichen Dank für ermunternde Worte der Hochschulen, der Gründungspräsident der Privatuniversität Witten/Herdecke, Konrad Schily war das.
Schily: Die deutsche Universität ist eine Einrichtung der Regierung, ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes und wird über Gesetze und Verordnungen gesteuert. Und da ist nicht viel Selbstständigkeit darin. Also wir wollen mal sagen, der alte Postbeamte vor Ort, der konnte auch noch bis um fünf Uhr weitermachen, wenn er schon um viertel vor fünf hätte aufhören können. Aber das ist so die Bewegungsfähigkeit, die man dann vor Ort hat. Oder Sie können es auch anders ausdrücken: die Unis haben die gesamte Verantwortung und die Rechte liegen im Wesentlichen bei der Regierung. Also wer es dann tun soll und wie es gemacht werden soll, sagt die Regierung, und was dann dabei rauskommt, dafür werden die Unis verantwortlich gemacht.
Köhler: Also im Bereich Management, Berufungen, Studentenauswahl und - unser Gespräch soll sich um Finanzierungen drehen - auch bei Studiengebühren sind Ihnen die Hände gebunden?
Schily: Ja, das ist alles Verordnungsfrage oder Gesetzesfrage. (…) Die Unis sind nicht die eigene Firma, die eigene Firma hat die eigene Grundstücke, hat die eigenen Rechte und kann damit optimieren und manchmal auch nicht optimieren, das ist klar, aber es ist dann ein Wettbewerb.
Köhler: Seit bald einem Vierteljahrhundert gibt es die Privatuniversität Witten/Herdecke, deren Gründungspräsident Sie sind. Immer wieder haben Privatunternehmer Ihnen unter die Arme gegriffen. Vor etwa zehn Jahren gab es mal ein größere finanzielle Krise. Wie sind Sie da rein und wie sind Sie wieder rausgekommen?
Schily: Na ja, wir sind ja vermögenslos reingegangen. Es ist nicht so, dass wir eine Milliarde D-Mark Vermögen damals gehabt hätten und dann hätten wir angefangen, sondern wir haben eigentlich mit nichts angefangen. Führend waren die Ideen und darum haben wir auch Unterstützung bekommen. Und dann haben wir halt mehr und mehr eigene Einnahmen gemacht. Ziemlich bald hatten wir 50 Prozent am Budget eigener Einnahmen...
Köhler: Woraus haben die sich zusammengesetzt?
Schily: Aus Forschung, Entwicklung, Engineering Consulting, Einnahmen aus der Zahnmedizin, etc.. Wissen Sie, wenn sie selbstständig sind, dann fällt Ihnen natürlich auch was ein. Und wenn das Wasser dann manchmal steigt - Sie sagten, die Situation vor zehn Jahren, als das Wasser uns wirklich am Halse stand - dann werden Sie munter, ja, also Angst ist ja nicht immer hinderlich für das Denken, sondern sie macht manchmal auch beweglich, dass einem mal was Neues einfällt, wo man noch Geld herbekommen könnte.
Köhler: Geht so etwas nur bei einer kleinen Privat-Uni mit tausend Studenten und nicht bei einer Massen-Uni wie, sagen wir mal München, Düsseldorf, Berlin oder Hamburg?
Schily: Ja, natürlich ist die kleinere Einheit beweglicher, aber wenn denn Berlin oder Hamburg oder Düsseldorf oder München - sehen Sie, die TU-München ist schon ein gutes Beispiel, dass auch eine größere Uni bewegt werden kann. Eine solche große Einheit würde versuchen, sich aufzuspalten und dann würde das gleiche eintreten, was bei den Konzernen in den 60er Jahren eingetreten ist, als solche riesen Institutionen wie Siemens sich aufgeteilt haben in managementfähige Einzelteile. Das ist im Prinzip übertragbar, ja.
Köhler: Gibt es so etwas wie einen Königsweg? Ich sage mal das viel beschworene Stichwort der Drittmitteleinwerbung oder etwas anspruchsvoller formuliert, eine Offenheit der Karrierewege aus der Uni in die Wirtschaft, aus der Wirtschaft in die Uni, also hin und her?
Schily: Ja, das ist einer, aber das ist nicht der Königsweg. Der Königsweg für die Regierung hieße meines Erachtens, "Ich geb' die Sache frei und lasse einen echten Wettbewerb zu". Jetzt im Moment geben wir Standardvorgaben und wir machen wie in der DDR Planerfüllung: Wer ist der beste Planerfüller? Aber der Königsweg gibt die Sache frei, so dass eine echte Freiheit oder Autonomie oder Selbständigkeit und Selbstverantwortung entsteht und dann müssen viele Wege gefunden werden und welcher dann der Königsweg ist, das ist vielleicht in Osnabrück ganz anders als in München.
Köhler: Aber es gibt ja im Moment den Wettbewerb zwischen Ländern und Bund und nicht den, der sinnvoll wäre, nämlich der zwischen den Hochschulen, oder?
Schily: Ja, genau, die Länder haben sich bisher durch ein Kartell gebunden, das heißt, sie machen keinen Wettbewerb, das steht im Gesetz, aber sie haben sich durch das Kartell der Kultusministerkonferenz gebunden. Da ist Einstimmigkeit erforderlich und ein wirklicher Wettbewerb findet nicht statt. Die Unis können nicht miteinander wettbewerben, denn Osnabrück, um das noch einmal zu sagen, kann nicht die ganz andere Lösung wählen, wie zum Beispiel München, da steht das Gesetz dazwischen.
Köhler: "Staatsferne Qualitätssicherung autonomer Hochschulen", das ist auch so eine Formulierung, die man immer wieder hört und jetzt auch am vergangenen Freitag der Hochschulfachleute. Sie haben früh angefangen mit Studiengebühren. Jemand wie Peter Glotz hat das auch immer zum Missfallen seiner Partei auch früh gefordert. Da führt über kurz oder lang kein Weg mehr dran vorbei?
Schily: Ich glaube auch. Und schauen Sie, eine Uni definiert sich ja nicht über Studiengebühren, sondern eine Uni definiert sich über ihre Qualität und über ihr Sein. Das heißt, wie weit können sie wirklich das lebendig machen, was wir seit Humboldt die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden nennen. Und für Witten/Herdecke war das nicht eine Frage der Finanzen, das auch, aber es war auch eine Frage, "Sind die Studierenden, die an allen Stellen mitreden wollen - sie sind ja auch erwachsen und wir haben so den Slogan "unwiederbringlich Erwachsene", sind die auch bereit, mitzuhelfen und einen Teil des Problems mitzustemmen? Sie sind ja bereit nachzudenken mit uns, was Uni ist und was Uni sein soll. Und das ist ein Teil der Studiengebühren, also der Qualität der Studiengebühren, die man gar nicht unterschätzen soll.
Köhler: Herzlichen Dank für ermunternde Worte der Hochschulen, der Gründungspräsident der Privatuniversität Witten/Herdecke, Konrad Schily war das.