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Wettbewerb um die besten Köpfe

Nordrhein-Westfalen dringt auf eine leichtere Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte nach Deutschland. Die bisherigen Einkommensgrenzen seien zu hoch und somit die Zahl der Einwanderer zu niedrig, sagte NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP).

Moderation: Christiane Kaess | 11.05.2007
    Christiane Kaess: Die Wirtschaft will es schon lange, und dort vor allem die High-Tech-Branche: einen leichteren Zugang ausländischer Fachkräfte zum deutschen Arbeitsmarkt. Wurde die Greencard-Lösung von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder von der Opposition damals noch abgelehnt, so mehren sich mittlerweile auch in der Union die Stimmen, die sich vorsichtig für eine leichtere Zuwanderung ausländischer Arbeitnehmer aussprechen und zwar sowohl aus den neuen EU-Staaten als auch aus Nicht-EU-Staaten.

    Das Bundesland Nordrhein-Westfalen möchte dies heute mit einer Initiative im Bundesrat beschleunigen. Ziel ist es, das Aufenthaltsgesetz zu ändern und damit die hohen Hürden für hochqualifizierte ausländische Arbeitskräfte herunterzusetzen. Am Telefon ist Ingo Wolf, FDP-Innenminister von Nordrhein-Westfalen, guten Morgen!

    Ingo Wolf: Schönen guten Morgen, Frau Kaess!

    Kaess: Herr Wolf, was genau wollen Sie verändern?

    Wolf: Wir wollen, dass nicht nur in Ausnahmefällen, sondern eben auch sozusagen als Regelfall Hochqualifizierte in unser Land kommen dürfen - das ist in einer globalisierten Welt, glaube ich, eine Selbstverständlichkeit -, und wir wollen unser Land ja auch voranbringen, nicht nur Nordrhein-Westfalen, sondern ganz Deutschland. Und dazu müssen die entsprechenden Grenzen angepasst werden. Bisher ist das Ausländerrecht dort sehr restriktiv. Ein Angestellter beispielsweise muss 94.500 Euro, das ist das Doppelte der Beitragsbemessungsgrenze zur Krankenversicherung, verdienen, damit er hier anfangen kann. Und das ist für einen Mittelständler beispielsweise kaum zu bezahlen. Ich denke, hier müssten die Hürden drastisch gesenkt werden.

    Kaess: Also wenn ich Sie richtig verstehe, dann geht es auf der einen Seite um weniger Gehalt als Bedingung, es geht aber zum anderen auch um einen schnelleren, unbefristeten Aufenthalt?

    Wolf: Das ist richtig. Das Ausländerrecht unterscheidet ja auch zwischen dem Aufenthaltsrecht, das sozusagen nicht unbefristet ist, und der Niederlassungserlaubnis. Und wir wollen, jedenfalls gestaffelt, auch die Niederlassungserlaubnis schneller möglich machen. Wenn also jemand die einfache Beitragsbemessungsgrenze verdient, das sind etwa 47.000 Euro, dann soll er nach drei Jahren eine dauerhafte Erlaubnis bekommen, und wenn er dann beispielsweise im ersten Anlauf schon 70.000 Euro verdient, dann sofort die Niederlassungserlaubnis bekommen. Das ist ein gewisser Anreiz dafür, dass eben auch Mittelständler nach draußen gehen können und von draußen Arbeitskräfte, qualifizierte Arbeitskräfte anwerben können. Denn wir wissen, dass es vielfach aus dem eigenen Satz nicht zu besetzen ist.

    Kaess: Das heißt aber auch, diese Arbeitskräfte sollen bleiben?

    Wolf: Das ist dann am Ende die Konsequenz, wenn wir das attraktiv gestalten wollen, wie das beispielsweise auch Länder wie die USA oder Kanada tun, dann muss man diesen, die wirklich ganz außergewöhnliche Qualifikationen mitbringen, auch einen entsprechenden Anreiz setzen.

    Kaess: Herr Wolf, um wen geht es da? Geht es vor allem um Informationstechnologen und Ingenieure oder auch zum Beispiel um Handwerker?

    Wolf: Das ist sicherlich der Schwerpunkt der Hochqualifikation im Bereich der studierten Informatiker und Techniker, das ist absolut klar. Wir wollen aber nicht nur im Bereich der Angestellten etwas tun, sondern wir wollen auch versuchen, dass Selbstständige, die von draußen kommen, nicht so hohe Hürden haben. Bislang musste man eine Million Euro praktisch mitbringen, um hier eine Unternehmensgründung zu tätigen. Und wir gehen davon aus, dass es reicht, wenn 250.000 Euro, was ja auch ein stolzer Betrag ist, von jemandem aufgebracht wird, der hier Arbeitsplätze schaffen will in Deutschland. Ich glaube, da brauchen wir mehr Flexibilität.

    Kaess: Warum sind denn diese Arbeitskräfte, von denen Sie sprechen, nicht in Deutschland zu finden?

    Wolf: Das ist natürlich eine Frage unseres Bildungssystems. Wir müssen dort nachsteuern, das tun wir ja auch, aber es ist ja auch in anderen Ländern so, dass eine gewisse Globalisierung auch im Bereich der Wissensgesellschaft stattgefunden hat, dass die besten Kräfte dort gewonnen werden müssen, wo man sie kriegen kann. Wir tun auf der einen Seite einiges in Nordrhein-Westfalen, um im Rahmen der Bildungslandschaft die Dinge zu verbessern. Nur wenn man eben händeringend nach außergewöhnlich Qualifizierten sucht, gerade in den Bereichen, die Sie genannt haben, dann ist es auch richtig, darauf zu schauen, gibt es die anderer Stelle am Markt? Nur dann muss auch geschaut werden, dass da die Hürden nicht so hoch gesetzt werden, und das gilt eben sowohl im Angestellten-Bereich als auch dann, wenn jemand als Unternehmer hier sich ansiedeln will, was ja auch in der Regel dann stattfinden wird mit Dingen, wie ich sie im Bereich der Hochqualifizierung absehe.

    Kaess: Aber ist Ihre Initiative nicht der falsche Ansatz, sollte man nicht lieber die Ausbildung in Deutschland an diese Bedürfnisse anpassen?

    Wolf: Frau Kaess, beides ist richtig. Wir tun das eine, und wir lassen das andere nicht. Ich glaube, das ist das Richtige. Abschottung ist in einer heutigen Wettbewerbssituation zwischen den Ländern der völlig falsche Weg. Sie wissen, dass zwischen den EU-Ländern die Dinge ja schon sehr weitgehend möglich sind, und ich glaube, wir müssen uns auch dahingehend öffnen, dass es außerhalb der EU gilt. Dass das nicht zu Schwemmen führt, das haben wir ja in der Vergangenheit gerade gesehen. Die Regelungen waren so restriktiv, dass sie praktisch kaum erfüllt werden konnten.

    Kaess: Aber diese Regelungen wollen Sie ja jetzt nach unten, weiter runtersetzen.

    Wolf: Genau, damit es jedenfalls etwas mehr wird. Es ist nicht zu befürchten, dass deswegen sozusagen Hunderttausende kommen. Es ist sehr schwierig.

    Kaess: Woran machen Sie das fest?

    Wolf: Weil natürlich die Attraktion anderer Länder auch groß ist. Man muss wissen, dass viele sich eben auch - beispielsweise, weil bisher die Zuwanderungsbedingungen günstiger waren - dann eher in Richtung USA bewegt haben, wo man leichter als Hochqualifizierter an eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis kommt. Und da müssen wir ein Stück gleichziehen, damit wir eben auch die bekommen, die bei uns mit ihren Höchstleistungen dann auch zur Steigerung unseres Sozialproduktes beitragen können.

    Kaess: Aber noch mal nachgefragt: Ist das wirklich der richtige Ansatz, diese Hochqualifizierten ins Land zu holen, und in ein paar Jahren, wenn Deutschland bei der Ausbildung eventuell nachgebessert hat, sind diese Arbeitsplätze dann besetzt.

    Wolf: Also erst mal haben wir in einer Demografie, wie sie bei uns ist, in einigen Jahren einen drastischen Mangel, auch an Auszubildenden. Auch bei den ganz einfachen Berufen muss man sehen, wird es dann schwieriger sein, die zu besetzen, das wird eine andere Situation sein. Wir haben mit Blick auf die Demografie eher die Sorge, dass in den nächsten Jahren wir zu wenig haben.

    Kaess: Wie hoch schätzen Sie denn den Bedarf ein?

    Wolf: Das kann man in Zahlen so nicht festlegen. Das ist ja eine ganz spezifische Frage der Entwicklung in gewissen Branchen. Im Bereich der Hochqualifizierten können wir ganz sicher sagen, dass wir jetzt einen Bedarf haben. Und ich gehe mal davon aus, dass die Wissensgesellschaft dazu führt, dass in den nächsten Jahren auch da immer noch weiterer Bedarf sein wird. Wir werden intensiv daran arbeiten, dass wir natürlich auch den Nachwuchs aus dem eigenen Lande rekrutieren können, aber es muss leichter, ich betone noch mal, leichter möglich sein, dass jemand auch von außen kommt. Noch mal, das sind Grenzen, die ja immerhin noch erreicht werden müssen. Wenn Sie 47.000 Jahresgehalt oder 70.000 Jahresgehalt erzielen wollen, auf Anhieb, aus dem Stand, als Anfänger, das ist schon sicherlich eine gewisse Hürde, die immer noch da ist. Aber es soll leichter sein als bisher, um im Wettbewerb um die besten Köpfe auch einen Schritt nach vorne zu tun.

    Kaess: Nun wird der Bundesrat heute diese Initiative beraten und entscheiden, ob sie in den Bundestag eingebracht wird. Was macht Ihnen Hoffnung, dass sie sich auf Bundesebene durchsetzen könnte?

    Wolf: Wir haben bislang in den vorberatenden Ausschüssen Unterstützung bekommen aus den Reihen anderer Länder, und das gibt ein Stück Hoffnung, dass wir auch da reüssieren. Dann muss das Ganze natürlich auch ein Stück im Bund natürlich umgesetzt werden, da muss auch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Aber ich denke, die bisher ganz, ganz geringen Fallzahlen haben gezeigt, dass die bisherigen rechtlichen Regelungen nicht ausreichen, um jedenfalls einen gewissen Zuzug zu ermöglichen, den wir brauchen, um unsere Wirtschaft eben auch weiter nach vorne zu bringen und damit natürlich auch Deutschland insgesamt nach vorne zu bringen.

    Kaess: Ingo Wolf, FDP-Innenminister in Nordrhein-Westfalen. Vielen herzlichen Dank.