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Wettervorhersage für Vögel

Ein bestimmtes Verhaltensmuster von Mauerseglern stellt Zoologen vor Rätsel: Die Vögel steigen in der Abenddämmerung und zum Tagesanbruch langsam in etwa drei Kilometer Höhe auf. Ein Erklärungsansatz: Weit oben bietet ihnen die Atmosphäre mehr Informationen über das Wetter.

Von Joachim Budde | 26.02.2013
    Ab Anfang Mai ist es wieder soweit. Dann sind die Mauersegler zurück in den Städten, um in unseren Breiten ihre Jungen aufzuziehen. Vor allem abends fallen Gruppen von Mauerseglern auf, weil sich die Vögel laut kreischend in wilden Flugmanövern über die Dächer und durch die Straßen jagen.

    "Man kann beobachten, dass diese Gruppen kreischender Vögel sich im Laufe der Dämmerung langsam in die Höhe schrauben. Wir haben sie dabei mit dem Radar genau verfolgen können. Die Vögel steigen binnen einer halben Stunde auf zwei, drei Kilometer Höhe, um dann wieder ein Stück abzusinken. Unsere erstaunlichste Erkenntnis aber war, dass die Vögel bei Tagesanbruch erneut auf drei Kilometer Höhe klettern, um in der Morgendämmerung wieder zum Boden zurückzukehren."

    Das Abendritual sei lange bekannt gewesen, sagt Dr. Adriaan Dokter, der als Ökologe an der Universität Amsterdam forscht. Bisher habe man angenommen, dass die Mauersegler aufstiegen, um eine gute Höhe für ihre Nachtruhe zu finden. Denn anders als die meisten anderen Arten landen Mauersegler nur, um ihre Eier abzulegen und zu brüten. Fressen, schlafen und sich paaren – alles machen sie im Flug. Die neue Beobachtung deute darauf hin, dass die abendlichen und morgendlichen Manöver eine andere Funktion haben.

    "Offenbar haben diese Aufstiege etwas mit der Dämmerung zu tun. Nur zu dieser Tageszeit können die Vögel einerseits Dinge auf dem Boden und Polarisationsmuster des Sonnenlichts erkennen, andererseits sind aber auch schon Sterne sichtbar. Die Vögel können sich gerade dann besonders gut orientieren. Darum ist eine unserer Hypothesen, dass sie bei ihrem Aufstieg Daten sammeln über die Atmosphäre."

    Auch von anderen Vogel- und Tierarten ist bekannt, dass sie solche Informationen nutzen können. Für die Mauersegler könnten die Daten besonders wichtig sein, vermutet Adriaan Dokter.

    "Der Mauersegler ist ein Vogel, der immer fliegt, auch beim Futter ist er auf Fluginsekten angewiesen. Die sind aber vor allem bei gutem Wetter unterwegs. Wir wissen, dass Mauersegler während der Brutperiode schon mal Ausflüge nach Frankreich machen können, wenn in den Niederlanden oder Deutschland das Wetter schlecht ist. Sie sind sehr flexibel, müssen dafür aber die Wetterentwicklung gut einschätzen. Weit oben bietet ihnen die Atmosphäre mehr Informationen übers Wetter als am Boden."

    Adriaan Dokter hat bei seinen Beobachtungen mit Forschern des Koninklijk Nederlands Meteorologisch Instituut, der niederländischen Luftwaffe und der schwedischen Universität Lund zusammengearbeitet. Die Wissenschaftler haben für die Studie einen ganz normalen Niederschlagsradar verwendet, auf dem auch Vögel schwache Echos erzeugen. Normalerweise filtern die Meteorologen diese Echos als Störsignale aus ihren Messungen heraus. Mauersegler eignen sich für Beobachtungen per Radar besonders gut, weil sie mit einer charakteristischen Frequenz mit den Flügeln schlagen. Die erkennen die Wissenschaftler auf dem Radar und wissen so, dass sie wirklich die richtigen Tiere beobachten.

    Noch sind viele Beobachtungen nötig, um herauszufinden, auf welche Informationen die Mauersegler tatsächlich aus sind. Dann aber, sagt Adriaan Dokter, liefere dieser Ansatz auch seinen Kollegen wichtige Erkenntnisse.

    "Ich denke, dass es für Meteorologen sehr wichtig ist zu verstehen, warum die Vögel abends und morgens aufsteigen. Um das Verhalten zu entschlüsseln, müssen wir weiter zusammenarbeiten."

    Und zwar nicht nur innerhalb der Niederlande.

    "Wir wollen in Zusammenarbeit mit Meteorologen in ganz Europa den Vogelzug auch anderer Vogelarten und dieses besondere Verhalten der Mauersegler beobachten. Dieser Vogel überrascht uns immer wieder aufs Neue."

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