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Whistleblower
Leben in Angst

Vier Jahre nach der Aufdeckung des größten Dopingskandals aller Zeiten durch die ARD ist Russland von den Sportverbänden weitgehend rehabilitiert worden. Maßgeblich beteiligt an den Enthüllungen waren Whistleblower, die für ihren Einsatz mit einem hohen Preis bezahlen mussten.

Von Josef Opfermann |
     Yuliya und Vitaly Stepanov mit Sohn Robert auf einem Spielplatz an einer Rutsche. Sie mussten ihre Heimat verlassen, leben heute an einem geheimen Ort in den USA.
    Yuliya und Vitaly Stepanov mit Sohn Robert. Sie mussten ihre Heimat verlassen, leben heute an einem geheimen Ort in den USA. (Yuliya und Vitaly Stepanov)
    Vitaliy und Yuliya Stepanov leben zurückgezogen an einem geheimen Ort – irgendwo in den USA. Sie hatten am 3. Dezember 2014 in der ARD erstmals öffentlich über russisches Staatsdoping berichtet. Vitaliy Stepanov erinnert sich: "Wir als Familie haben die Wahrheit gesagt. Und für Gerechtigkeit gekämpft."
    Er und seine Frau Yuliya befürchten, dass sie nie wieder nach Hause zurückkehren können – es sei zu gefährlich. "Vielleicht wollen sich die Russen an uns rächen. Ich weiß es nicht", erklärt Yuliya Stepanova.
    Auch der zweite Whistleblower im russischen Dopingskandal lebt versteckt in den USA. Grigory Rodchenkow. Er war einst Leiter des Moskauer Anti-Dopinglabors, hatte das staatlich Betrugssystem mit ausgeheckt. Heute ist er im Zeugenschutz des FBI: "Ich verstehe, dass ich das meist gehasste Ziel bin, weil ich einen Tsunami im russischen Sport ausgelöst habe. Deswegen soll ich bestraft werden", sagt Rodchenkow.
    Angst vor den eigenen Landsleuten
    Die Gefahr für Whistleblower wie Rodchenkow sei real, sagt der Historiker Yuri Felshtinsky: "Rodschenkow wird sein restliches Leben in Angst verbringen, denn aus ihrer Sicht hat er Verrat begangen und für einen großen und peinlichen politischen Skandal für die gesamte russische Regierung gesorgt, Putin eingeschlossen." Rodchenkows Familie lebt noch immer in Russland. "Sie müssem Russland umgehend verlassen", rät Felshtinsky.
    Auch vier Jahre nach Bekanntwerden des russischen Dopingskandals erfüllt Russland seine Verpflichtungen im Kampf gegen Doping nur lückenhaft. Recherchen der ARD-Dopingredaktion zeigen: die vielgelobten Reformvorschläge des russischen Anti-Doping-Systems wurden bisher kaum umgesetzt. Nach neuen Bestimmungen soll etwa jede Region in Russland einen Beauftragten einsetzen, der sich speziell mit Anti-Doping-Fragen befasst. Das passiere bisher nicht, sagt der russische Rechtsanwalt Andrey Shushko, der Datenbanken überprüfte: "Meine Recherche hat ergeben, dass von den Verwaltungen in den 85 Regionen von Russland, die für Sport zuständig sind, nur gerademal etwa zehn die gesetzlichen Vorgaben der Regierung von Putin umgesetzt haben."
    Auf eine Anfrage der ARD zu den demnach nicht konsequent umgesetzten Bestimmungen erklärt der Kreml, dieser Sachverhalt läge außerhalb seines Kompetenzbereichs. Neue Details im russischen Dopingskandal gibt es auch zur Rolle des WADA-Präsidenten Craig Reedie. Er wird durch Aussagen seines früheren Chefermittlers Jack Robertson belastet. Der behauptet, Reedie habe die vollumfänglichen Ermittlungen zum russischen Staatsdoping erst eingeleitet, nachdem der Skandal bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2016 öffentlich geworden war. Reedie weist diese Anschuldigungen entschieden zurück.
    Die Whistleblower hoffen auf Aufklärung – trotzdem bleiben Zweifel für die Zukunft. "Wir versuchen, vorsichtig zu sein, aber das ist alles. Wir leben an dem Ort, den wir mögen. Wir hoffen, dass wir hier bleiben können.", berichtet Vitaliy Stepanov.
    Fest steht: der russische Dopingskandal wird auch weiterhin die Sportwelt in Atem halten.