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WHO-Mitarbeitet Raman Velayudhan
"Wir zielen gar nicht darauf ab, wirklich alle Mücken zu töten"

Die Anzahl der Tickermücken verringern, indem man gentechnisch veränderte Artgenossen auf sie loslässt - diesen Ansatz verfolgt eine Firma namens Oxitech. Die Weltgesundheitsorganisation WHO beobachtet die Versuche mit Interesse. Ziel sei keinesfalls die totale Ausrottung der Art, sagte WHO-Mitarbeiter Raman Velayudhan im Deutschlandfunk. "Uns geht es um eine signifikante Kontrolle der Mückenpopulation."

Raman Velayudhan im Gespräch mit Christiane Knoll |
    Christiane Knoll: Dr. Raman Velayudhan, 80 Prozent weniger Mücken – werten Sie das als Erfolg?
    Raman Velayudhan: Oxitech hat Daten an die Mückenkontroll-Gruppe der WHO geschickt, wir haben das inzwischen geprüft und können bestätigen, dass es einen signifikanten Rückgang gab in diesen Freisetzungsversuchen. Die Experten sind der Meinung, dass jetzt weiter geprüft werden sollte, ob sich das auch auf die Krankheitsrate in den Versuchsgebieten auswirkt. Das ist schwer zu beweisen. Sie müssen dafür Versuche zu machen, die über mindestens drei oder vier Jahre gehen, um sicher zu sein, dass wirklich auch ein Rückgang der Infektionen beobachtet wird, und zwar gleichzeitig mit dem Verschwinden der Mücken.
    Knoll: Es gab viel Kritik. Könnten Sie kurz erklären, welche unerwünschten Effekte Gentech-Mücken in der Natur haben könnten?
    Velayudhan: Dazu kann ich nichts sagen, weil das die Aufgabe von Oxitech ist. Sie müssen jetzt eine Risikoanalyse einreichen. Wir werden die Firma auffordern, alle bis dahin vorliegenden Ergebnisse unserer Expertengruppe bis März zur Verfügung zu stellen.
    Knoll: Ist das wirklich eine gute Idee, diese Analyse der Firma selbst zu überlassen? Sollten das nicht besser unabhängige Experten machen?
    Velayudhan: Die WHO-Experten sind unabhängig. Sie unterschreiben, dass sie keine Interessenkonflikte haben und wir überprüfen das auch. Danach wird die Gruppe zusammengestellt. Für das Treffen im März ist das bereits geschehen, die Experten-Gruppe ist zusammengestellt und sie wird den Fortschritt von Oxitech bewerten.
    Knoll: Mücken wurden früher mit Giften und Netzen unschädlich gemacht. Es ist damit tatsächlich gelungen, die Malaria Mücke Anopheles gambiae aus Südamerika zu verbannen. Wie hat die Natur den Verlust dieser Art damals verkraftet. Welche Folgen hatte das – für die Malaria-Zahlen aber auch für die Ökosysteme?
    Velayudhan: Dazu gibt es eine historische Veröffentlichung und sie bezieht sich auf ein Programm aus den 40er-Jahren. Aus Sicht der Gesundheitssysteme war es tatsächlich ein Erfolg. Mit den Mücken ging auch die Malaria in Südamerika zurück. Zu den Folgen für die Ökosysteme kann ich nichts sagen, weil es keine Angaben gibt. Es ist eine sehr alte Studie.
    Knoll: Bis heute konnten Sie diesen Erfolg nicht wiederholen, zumindest nicht dauerhaft. Jetzt haben Sie neue biologische Methoden: brauchen wir da die gentechnisch veränderten Mücken überhaupt noch?
    Velayudhan: Schwierige Frage. Ganz ehrlich: Wir kennen die Antwort nicht. Das hängt davon ab, wie viele dieser neuen Verfahren sich bewähren. Es geht ja nicht nur um die Mücken, sondern letztlich müssen sie auch beweisen, dass sie in der Lage sind, die Zahl der Krankheitsfälle einzudämmen. Wenn wir das mit den biologischen Verfahren schaffen, würden wir natürlich die einsetzen. Wolbachia, Fallen, ein anderer Ansatz arbeitet mit sterilen Insekten, dann noch die kombinierten Fallen – wir haben jetzt viele Ansätze und wir wissen einfach noch nicht, welche die besten sind. Aber im März werden wir bei der WHO die Daten sichten und dann Empfehlungen aussprechen.Alle neuen Verfahren sind im Moment auf demselben Stand und schauen jetzt auf die Gesundheitswirkung.
    Knoll: Was meinen Sie, werden Sie es demnächst schaffen, die Tigermücke auszurotten – Wollen Sie sie ausrotten?
    Velayudhan: Wir sprechen im Moment nur von Kontrolle, weil wir wissen, dass Ausrotten eine große Herausforderung ist. Gerade in einer städtischen Umgebung. Die Eier können monatelang im Trockenen überdauern. Wir zielen gar nicht darauf ab, wirklich alle Mücken der Art zu töten. Uns geht es um eine signifikante Kontrolle der Mückenpopulation.
    Knoll: Danke für das Gespräch.