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Wider die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen

Der US-amerikanische Autor Richard Heinberg gehört zur Peak-Oil-Bewegung. Sie prognostiziert den Zusammenbruch der Wirtschaft, wenn die weltweite Ölproduktion ihren Höhepunkt erreicht. Mit drastischen Beispielen fordert er die Leser zu einem radikalen Umdenken auf.

Von Wiebke Lehnhoff |
    Der Gipfel ist überschritten. Finden wir uns damit ab, und gehen wir an die Arbeit.

    Diese Worte aus der Einleitung bezeichnen die Haltung, mit der Richard Heinberg sein Buch "Jenseits des Scheitelpunkts" verfasst hat. Die erste Ausgabe erschien bereits 2007 auf Englisch, wurde von Heinberg drei Jahre später überarbeitet und ist nun auch auf Deutsch zu lesen. Darin erklärt der US-Autor, Peak Oil – also das Ölförder-Maximum - werde allerspätestens in 20, 30 Jahren erreicht. Auch die anderen fossilen Brennstoffe seien bald erschöpft, und das werde für die Menschheit eine "fundamentale kulturelle Zäsur sein, mindestens so wichtig wie die industrielle Revolution oder die Entstehung der Landwirtschaft". Geradezu brutal beschreibt Heinberg, wie schlecht es seiner Meinung nach um die Energieversorgung der Welt steht und was das für die Zukunft bedeutet.

    Wir vergrößern unsere Bevölkerung, zerstören unseren Lebensraum, gefährden die Stabilität des Erdklimas und verschwenden Ressourcen auf so viele Arten und in einem solchen Ausmaß, dass diese Verschwendung durch kein neues Werkzeug und keine neue Energiequelle gebremst werden kann. Der einzige Weg, der nicht mit dem Aussterben des Menschen und Tausender oder gar Millionen anderer Arten enden wird, besteht im Zurückschrauben des gesamten Projekts Mensch, sowohl was die Bevölkerungszahlen als auch was den Pro-Kopf-Verbrauch betrifft.

    Dabei betont Richard Heinberg, dass Öl, Gas oder Kohle sich nicht völlig erschöpfen werden. Er geht vielmehr davon aus, dass ihre leicht und billig zu gewinnenden Anteile an der Spitze der Rohstoffpyramide schwinden. In den breiteren Schichten darunter liegen demnach die teuren, qualitativ minderwertigen und schwerer zu fördernden Ressourcen - wie unkonventionelles Erdgas, das durch Fracking gewonnen wird. Bei dieser umstrittenen Tiefbohrtechnik werden Chemikalien in den Boden gespritzt, um das Gestein aufzubrechen. Heinberg erklärt, dass es unrealistisch ist, jemals die ganze Rohstoffpyramide verwerten zu können. Dann würden sowohl die Preise steigen als auch die Umweltschäden und die Kosten, um sie zu beseitigen. Deshalb lautet seine These:

    Das Problem unserer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist zentral für das Überleben der Menschheit, und solange diese Abhängigkeit so gravierend ist, müssen wir die Befreiung von ihr zum Kernstück all unserer gemeinsamen Anstrengungen machen, gleichgültig ob es um die Bekämpfung des Hungers, die Lösung von Konflikten oder die Aufrechterhaltung einer funktionierenden Wirtschaft geht.

    Obwohl der eindringliche Ton des Autors durchaus eine gewisse Endzeitstimmung heraufbeschwören kann, bleibt seine Argumentation doch immer schlüssig. Seine Gedanken und Lösungsvorschläge hat er in elf thematisch unterschiedlichen Essays aufgeschrieben, die in sich abgeschlossen sind. Dabei geht es zum Beispiel um Landwirtschaft, technische Entwicklungen oder um die Zusammenarbeit zwischen Peak-Oil-Bewegung und Klimaschützern. Vorangestellt ist eine lange informative Einleitung mit vielen Grafiken und Verweisen. Allerdings bietet "Jenseits des Scheitelpunkts" keine Einführung in die "Peak Oil"- oder Klima-Debatte; Heinberg betont, dass er ein gewisses Grundwissen voraussetzt. - Und er geht ebenfalls davon aus, dass die ganze Tragweite der Ressourcenerschöpfung den meisten Menschen erst langsam klar wird. Deshalb will er sie mit seinen negativen Zukunftsvisionen zum Handeln bringen.

    "Leute aus der Industrie und der Regierung erzählen uns ständig, dass alle Probleme gelöst werden und die Zukunft gut sein wird. Und wenn die Menschen das glauben, werden sie mehr Kinder haben, mehr Schulden machen und einen Lebensstil führen, den sie sich eigentlich nicht leisten können. Aber in unserer Zukunft wird es von fast allem weniger geben. Wenn wir verstehen, dass harte Zeiten kommen, dann werden wir uns darauf vorbereiten: weniger Kinder haben, unsere Schulden abzahlen, unseren Konsum verringern. Und indem wir das tun, federn wir den Absturz ab und reduzieren gleichzeitig die Auswirkungen auf die Umwelt."

    Zur Vorbereitung ruft der Autor den Leser auch dazu auf, er solle seine Überlebenschancen verbessern, indem er praktische Fertigkeiten lernt, darunter "die Herstellung und Verwendung altsteinzeitlicher Werkzeuge". Das wirkt übertrieben und unfreiwillig komisch. Auch wenn die Aussage sicher einen wahren Kern hat. Heinberg erhofft sich einen Wandel im Denken und in der Gesellschaft vor allem durch Bürgerbewegungen und Umweltinitiativen wie etwa "Transition Town Movement" aus Großbritannien, von der inzwischen weltweit Gruppen existieren. Sie versuchen, den Übergang aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen selbst zu gestalten, indem sie gezielt ihren Energieverbrauch senken und gleichzeitig versuchen, die lokale und regionale Wirtschaft zu stärken: Eigeninitiative statt staatlicher Regelungen. Von Politikern erwartet Heinberg wenig:

    "Politiker sind sehr gut darin, sich an die Spitze einer Parade zu stellen, die schon die Straße hinunterzieht. Aber die Veränderungen, die jetzt nötig sind, werden nicht viele Leute glücklich machen: Es wird sehr schwer sein, höhere Energiepreise zu verkaufen, während die Weltwirtschaft schwach ist. Das kann nur funktionieren, wenn viele Menschen tief besorgt über den Klimawandel sind und das in Bürgerbewegungen ausdrücken. Wenn wir auf die Politiker warten, wird das sehr lange dauern."

    Es ist schwer zu beurteilen, ob Richard Heinbergs pessimistischer Ton angemessen oder übertrieben ist. Einerseits ist klar, dass fossile Brennstoffe wirklich zur Neige gehen und das zusammen mit dem Klimawandel deutliche Auswirkungen auf die Welt haben wird oder schon hat. Folgen von Veränderungen sind erst mit Verzögerung zu spüren. Andererseits wirken die Schreckensszenarien teilweise so, als setze der Autor sie allzu gezielt ein, um die Menschen aufzurütteln. Schließlich ist der Umweltgedanke hier stärker verankert als in den USA. Aber vielleicht lassen sich Menschen besser durch drastische Zukunftsvisionen zum Umdenken bewegen als durch zurückhaltend formulierte Warnungen.

    Richard Heinberg: Jenseits des Scheitelpunkts.
    Aufbruch in das Jahrhundert der Ressourcenerschöpfung.

    Manuscriptum Verlag, 228 Seiten, 19,80 Euro
    ISBN: 978-3-937-80188-9