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Widersprüche zwischen ökologischem Wissen und Handeln

Ob Umweltbewusstsein zu Verhaltensänderung führt, das untersucht an der Uni Frankfurt eine Forschungsgruppe. Dabei gehen die Wissenschaftler auf Widerspruch von Wissen und Handeln in gesellschaftlichen Milieus ein.

Von Ingeborg Breuer | 17.02.2011
    "Also es gibt generell diese Diskrepanz zwischen Umweltbewusstsein, Umwelteinstellungen und Umweltwissen und einem mehr oder weniger konsequenten, sensiblen, nachhaltigen Konsum."

    So Professorin Birgit Blättel-Mink. Wir alle wissen es: Würden Menschen auf der ganzen Welt so leben wie wir, in großen Wohnungen, mit einer Menge Konsumgütern, Autos und vielen Flugreisen, dann würde die Biokapazität der Erde um ein Vielfaches überschritten. Aber welche Konsequenzen ziehen wir daraus? Na schön, wir trennen alle Müll, regeln auch mal die Heizung herunter. Möglicherweise kaufen wir auch noch Energiesparbirnen. Aber aufs eigene Auto - darauf will man nicht verzichten. Und solange ein Flug, sagen wir von Köln nach Berlin, billiger ist als die Deutsche Bahn - fliegt man eben.

    "Da haben wir immer wieder das Problem der Partialität, das heißt ich kaufe nachhaltigen Konsum, weil ich daran glaube, dass ich die Umwelt schonen muss. Aber ich fahre dennoch mit dem Auto oder ich fliege dennoch in Urlaub, weil es für die Familie eben praktischer ist, wenn man 14 Tage Urlaub hat, dann fliegt man eben, ist in der Sonne ."

    Nachhaltigkeit ist ein Forschungsthema von Prof. Birgit Blättel-Mink, Sozialwissenschaftlerin an der Universität Frankfurt. Warum haben so viele Menschen ein ökologisch korrektes Bewusstsein und handeln dennoch ökologisch unkorrekt? Und wie unterscheidet sich das Konsumverhalten verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, sogenannter "soziokultureller Milieus", wie sie vom Heidelberger Sinus Institut entwickelt worden sind? Da gibt es zum Beispiel die Gruppe der sogenannten "Konsummaterialisten". Eher der Unterschicht oder der unteren Mittelschicht zugehörig, kauffreudig, um ihren geringen sozialen Status aufzupolieren.
    "Die Konsummaterialisten müssen ja schauen, dass sie in irgendeiner Weise die Defizite, Bildung etc. kompensieren. Sie demonstrieren sozusagen, dass sie konsumkräftig sind und sie tun das, indem sie vor allem technische Güter haben, zum Beispiel Handys, Computer, MP3. Indem sie aber auch Autos fahren, indem sie demonstrativ konsumieren."

    Die sogenannten "Postmaterialisten" könnte man als Gegenbild zu dieser Gruppe bezeichnen. Gemeint ist damit das aufgeklärte Nach-68er-Milieu, mit hoher Bildung, hohem Einkommensniveau und liberaler Grundhaltung. Statt über Besitz und Konsum definiert diese Gruppe sich eher über Intellekt und Kreativität. Und hat ein hohes Gesundheits- und Umweltbewusstsein.

    "Postmaterielle sind Menschen, die ein hohes Wertbewusstsein haben, für die also auch nicht der krude Materialismus, als Konsumieren, Güter anschaffen auf Teufel komm raus, wichtig ist, sondern die einigermaßen verantwortlich konsumieren wollen. Aber Postmaterielle sind in der Regel mit ‘nem hohen Bildungsgrad, ‘nem guten Job ‘nem hohen Erwerbseinkommen. Das heißt sie können sich auch einiges leisten und die machen dann auch mal große Reisen. Da sind wir natürlich wieder bei der partiellen Nachhaltigkeit. Die trinken natürlich auch gern französischen Rotwein, der importiert werden muss. Die essen auch gern Rindfleisch aus Argentinien, weil es besser schmeckt. "

    Also: ob die Postmateriellen wirklich ökologisch korrekter leben, ist noch die Frage. Handys, Flachbildschirme, Laptops besitzen sie doch alle auch; nur ist es für sie nicht statusrelevant. Konsumieren sie wirklich weniger - oder einfach nur anders? Mit einem besonderen - aber nicht unbedingt nachhaltigeren - Geschmack?

    "Je höher das Einkommen ist, je größer die Chance zu konsumieren, jenseits von Bildung, jenseits von Familienstand, desto mehr konsumieren sie. Dazu gehören dann die Fernreisen, dazu gehört die Kleidung. Da kann man sagen, jemand hat nur Polyacrylklamotten, der andere hat dafür aber zehn Hosen, die vielleicht auch aus Wolle sind. Und da muss man überlegen, was ist nachhaltig und was ist nicht nachhaltig?"

    Wenn aber solche gut situierten, aufgeklärten Menschen eine Familie gründen, dann, so Birgit Blättel-Mink, fördert dies die Tendenz zu nachhaltigem Konsum.
    "Die große Gruppe der nachhaltig orientierten Menschen in Deutschland sind eigentlich Mütter zwischen 30 und 49 Jahren. Von denen wissen wir, dass sie versuchen, einigermaßen konsequent ökologisch zu handeln. Das hat aber auch immer etwas mit dem Bildungsniveau und mit der finanziellen Ausstattung und auch ein Stück weit mit der Lebensweise zu tun. Also Frauen die eher ein Stück außerhalb der Städte wohnen, nutzen ein Stück weit ein eigenes Auto, damit sie die Kinder in die Schule fahren können. Auch hier finden wir inkonsistentes Verhalten."

    Und auch eine andere Gruppe, weit entfernt davon Trendsetter zu sein, lebt ökologisch durchaus korrekt. Es sind die sogenannten "Traditionsverwurzelten", Menschen über 65, nicht besonders wohlhabend, noch zur Kriegsgeneration gehörend. Sie haben ihr Leben lang gespart und stets nur Sinnvolles und Notwendiges angeschafft. Und aufgrund ihrer Lebensgewohnheiten sind sie durchaus in "der Region" verwurzelt. Neuseelandlamm kommt bei ihnen eher selten auf den Tisch.

    "Es gibt Leute, die eigentlich kein Umweltbewusstsein haben und dennoch relativ umweltorientiert handeln. Also banal, die älteren Frauen die wenig Geld haben kein Auto fahren, regionale Produkte kaufen, die kleine Wohnungen haben, die handeln umweltorientiert."

    Das Konsumverhalten der Menschen ist also eng mit ihrem Lebensstil verknüpft. Dies gilt auch, so hat Birgit Blättel-Mink in einem Forschungsprojekt herausgefunden, für den Online-Gebrauchtwarenmarkt. Denn eigentlich sind solche Märkte - wie zum Beispiel EBay - sinnvoll, weil Produkte dadurch länger genutzt werden. Doch die wenigsten Menschen handeln bei EBay, weil sie die Umwelt schonen wollen. Sie machen dies aus Bequemlichkeit, aus Spaß und nicht zuletzt aus finanziellen Gründen. Egal, meint die Frankfurter Sozialwissenschaftlerin. Hauptsache es wirkt:

    "Eine deutlich größere Rolle spielt natürlich Geld sparen und Spaßhaben und es ist bequem. Mütter suchen da nach Kinderkleidung aber das ist ja kein Problem, wenn wir wissen, dass Handeln auf eBay hat nen gewissen ökologischen Wert dann stört es mich nicht, dass die Menschen nicht besonders umweltbewusst sind."

    Nur sieben Prozent der Deutschen übrigens sind überzeugte "Ökos". - Also bleibt die Frage: wie kann Konsum nachhaltiger werden? Ist mehr Aufklärung vonnöten, damit die Leute mehr über ihr Konsumverhalten nachdenken? Birgit Blättel-Mink appelliert an die Eigenverantwortung des mündigen Bürgers.

    "Im Prinzip müssen alle agieren. Wir wissen auch, dass Konsumenten viel eigenverantwortlicher geworden sind. Wir haben den Prozess der Individualisierung. Menschen müssen mehr für sich einstehen, das ist im Erwerbsleben so, das ist aber auch im Konsum so. D h. wir haben hier eine Bewegung zu mehr Selbstverantwortung."

    Die Soziologieprofessorin hofft, dass die Menschen dann hier und dort noch ein bisschen ökologischer werden, wenn es zum Beispiel noch mehr Biomärkte gibt, wenn Bioprodukte billiger werden. Oder dass man vielleicht doch auf die eine oder andere Flugreise verzichtet, wenn man weiß, wie viel CO2 dabei frei gesetzt wird. Vielleicht! Ob dies aber dann wirklich die schädlichen Emissionen - nachhaltig - reduziert? Wahrscheinlich eher nicht. Aber unser Gewissen, das können wir zumindest mit solchen Maßnahmen beruhigen.