Sonntag, 12. Mai 2024

Archiv

Widerstände gegen Französische Arbeitsgesetze
Aktivisten und Konservative im Schulterschluss

Die sozialistische Regierung will die geplante Arbeitsgesetz-Reform heute Nachmittag durchsetzen. Es geht darum, mehr Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen, unter anderem durch die Erleichterung von Kündigungen. Die Konservativen wollen das Gesetz verhindern. Auch die Protestbewegung Nuit Debout ist dagegen. Sie haben drei von vier Franzosen hinter sich.

Von Suzanne Krause | 12.05.2016
    Premierminister Manuel Valls während der Beratungen über die Arbeitsrechtsreform in der französischen Nationalversammlung am 3.5.2016.
    Premierminister Manuel Valls während der Beratungen über die Arbeitsrechtsreform in der französischen Nationalversammlung am 3.5.2016. (picture alliance / dpa / Thomas Padilla)
    Am Rande der Place de la République sitzt eine Art menschlicher Raupe am Boden, sieben Männer und Frauen, mit Händen und Füssen aneinander gehakt. Sie trainieren für eine gewaltlose Protestaktion, angeleitet von Remi Filliau. Filliau ist Mitglied der Bewegung Les Désobeissants. "Die Ungehorsamen", so die deutsche Übersetzung, veranstalten regelmäßig medienwirksame Aktionen zu gesellschaftlich relevanten Problem-Themen. Und nun schulen die erfahrenen Aktivisten Sympathisanten der Bewegung Nuit Debout, erklärt Remi Filliau.
    "Mit diesem Workshop wollen wir Techniken für direkte gewaltlose Widerstandsaktionen und für zivilen Ungehorsam vermitteln. Damit die Mitstreiter von Nuit Debout bei einem Polizeieinsatz weniger Schläge abbekommen. Und auch wissen, welchen juristischen Risiken sie sich aussetzen, wie sie sich am geschicktesten der polizeilichen Repression widersetzen."
    Hollande: Verkrustete Strukturen aufbrechen
    Ein Thema, das auch gerade bei der Hauptversammlung der Bewegung Nuit debout einige Schritte diskutiert wird. Da berichtet ein junger Mann von der Kundgebung Montag Abend vor der Nationalversammlung.
    "Beim Polizeieinsatz wurden zahllose Demonstranten verletzt. In den Medien taucht das nirgendwo auf, aber ich habe viele Verletzte gesehen."
    Die Kundgebung war sehr spontan organisiert worden, nachdem Premierminister Manuel Valls angekündigt hatte, das geplante Gesetz zur Reform des Arbeitsrechts durchdrücken zu wollen. Der Artikel 49-3 erlaubt es der Regierung, ein Gesetz ohne Parlamentsabstimmung zu verabschieden. Für den sozialistischen Staatspräsidenten François Hollande dient das Gesetz dazu, die verkrusteten Strukturen der französischen Wirtschaft aufzubrechen. Doch seit der Reformtext im März präsentiert wurde, gehen Gewerkschaften, Schüler und Studenten auf die Straße.
    Und das Gesetz war so etwas wie die Initialzündung für die Bewegung Nuit debout. Seit dem 31. März besetzen hunderte junger Leute allabendlich die Place de la République und diskutieren in Themenkommissionen über aktuelle gesellschaftliche Probleme.
    Französischer Arbeitgeberverband will mit Deutschland gleichziehen
    Bei der Hauptversammlung ergreift nun ein Student das Wort:
    "An meiner Uni streiken wir seit zwei Monaten. Und bislang hat sich die Regierung nicht dafür interessiert, warum? Ihr geht es nur darum, die Ziele des Arbeitgeberverbands umzusetzen. Der französische Arbeitgeberverband steckt in der Krise, er hinkt den Verbänden in Deutschland, Italien und Spanien hinterher. Denen ist es schon gelungen, für Gesetze zur Arbeitsmarktflexibilisierung zu sorgen, die Kündigungen und Betriebsverlagerungen erleichtern. Da möchte der hiesige Arbeitgeberverband nun aufholen."
    Seit sechs Wochen praktizieren die Mitstreiter von Nuit Debout in Paris und anderen französischen Städten nun täglich Basisdemokratie. Dass Premierminister Valls das Reformgesetz einfach so am Parlament vorbeischleusen will, stößt nicht nur bei Jules, einem 25-jährigen Angestellten, auf großes Unverständnis.
    "Wir sind sehr angewidert, empört. Wir bei Nuit Debout wollen niemandem unseren Willen aufdrücken, wir wollen einfach nur Lösungsansätze diskutieren. Dass nun sogar das Parlament beim Arbeitsreformgesetz seines Mitspracherechts beraubt wird, ist wirklich ein Unding."
    Eine Aktivistin verweist auf den Aufruf zu einer Kundgebung, der nun ausliege. Sieben Gewerkschaften planen kommende Woche an zwei Tagen Protestmärsche und Streiks, landesweit. Die Mitstreiter von Nuit Debout werden heute nachmittag wieder zum Gebäude des Nationalversammlung pilgern, sagt Jules.
    "Das Voranpreschen der Regierung bekräftigt nur unseren Willen, das Gesetz, das man uns mit immer stärkerer Macht aufzwingen will, zurückzuweisen. Es stärkt unsere Entschlossenheit!"