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Widerstand gegen Kongo-Einsatz in der SPD-Fraktion

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs hat die Planungen für einen Kongo-Einsatz der Bundeswehr scharf kritisiert. "Das ist alles schwammig", sagte Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises. Die genannten 1500 Soldaten könnten eine Stabilisierung des Landes nicht erreichen. Er werde deshalb unter den derzeit diskutierten Bedingungen in der SPD-Fraktion für eine Ablehnung des Einsatzes werben.

Moderation: Oliver Thoma |
    Oliver Thoma: Klar ist, der Bundestag muss zustimmen, wenn deutsche Soldaten in den Kongo sollen. Im Moment gibt es aber noch Widerstand quer durch die Parteien. Auch in der großen Koalition, in der CDU, vor allem viele bei der CSU. Und bei der SPD sind es vor allem die vom Seeheimer Kreis, wo die so genannten Rechten in der SPD versammelt sind. Johannes Kahrs ist einer der Sprecher des Seeheimer Kreises. Schönen guten Morgen!

    Johannes Kahrs: Schönen guten Morgen!

    Thoma: Gäbe es denn im Moment keine Mehrheit im Bundestag für den Kongo-Einsatz? Wie ist Ihr Eindruck?

    Kahrs: Darum geht es mir erst einmal nicht. Mir geht es darum, ob es eine Mehrheit innerhalb der SPD-Fraktion gibt, und ich werde dafür kämpfen, wir Seeheimer werden dafür kämpfen, dass es dort keine Mehrheit gibt.

    Thoma: Nun gibt es ja Bedingungen, die möglicherweise erfüllt werden könnten. Sind Sie auf jeden Fall gegen diesen Einsatz, auch wenn die Bedingungen erfüllt werden?

    Kahrs: Es gibt zwei Punkte, von denen ich glaube, dass man darüber reden muss. Zum einen ist ja eine der Bedingungen, dass die Soldaten nach vier Monaten wieder rausgehen. Wenn man sich die Begründung für diesen Einsatz anguckt, Stabilisierung des Kongo und ein Test für die Glaubwürdigkeit der europäischen Sicherheitspolitik, dann glaube ich nicht, dass 1500 Soldaten, von denen 700 nachher nur im Kongo ankommen, beides gewährleisten können. Das passt nicht zueinander.

    Thoma: Hier geht es ja sicherlich auch um einen symbolischen Akt. Reicht der dann nicht aus, um deutsche Soldaten dort hinzuschicken und die möglicherweise in Gefahr zu bringen?

    Kahrs: Wenn sie sagen, dass sie den Kongo stabilisieren wollen – und das ist das politische Ziel -, dann reichen 1500 Soldaten nicht aus und schon gar nicht, wenn nur die Hälfte davon wirklich im Kongo ankommt und die dann auch nur im - in Anführungsstrichen - "sicheren" Kinshasa sind. Das wäre so, als würden sie 750 Soldaten in Lissabon landen und sagen, damit würden sie ganz Westeuropa stabilisieren. Das sind so ungefähr die Größenordnungen.

    Thoma: Welche weiteren Bedingungen müssten denn sonst noch auf jeden Fall erfüllt werden?

    Kahrs: Ich glaube, dass man auf jeden Fall ehrlich sein muss. Ehrlichkeit bedeutet, dass man den Einsatz, den man plant, also die Ziele, in Übereinstimmung mit den Mitteln bringt. Mit 750 Soldaten im Land oder insgesamt 1500 kriege ich vielleicht die Wahlbeobachter geschützt. Wenn man sagt, das ist ein besserer Polizeiauftrag, um die Wahlbeobachter zu schützen – und das nur in Kinshasa -, dann finde ich, kann man das akzeptieren. Wenn man aber davon redet, dass man den Kongo stabilisieren will, dann bedeutet das, dass man in einen weiteren Konflikt reingezogen wird, denn wenn die Wahlen nicht erfolgreich sind, die Regierung angefochten wird, das Wahlergebnis angefochten wird, dann sehe ich die große Gefahr, dass wir mehr Soldaten nachschieben müssen. Wir sind immer noch auf dem Balkan, immer noch in Afghanistan. Es gibt viele Offiziere, die sagen "einmal Kongo, immer Kongo", und das würde ich für einen Fehler halten.

    Thoma: Das hört sich aber dann schon nach einer Grundsatzdiskussion an, dass endlich mal geklärt werden muss, wofür soll die Bundeswehr eigentlich da sein. Im Koalitionsvertrag steht drin, nach Afrika wollen wir schon Verantwortung übernehmen. Ja, was soll die Bundeswehr machen, was soll sie nicht machen?

    Kahrs: Natürlich, und ich glaube, dass man das klären muss, bevor die Bundeswehr nach Afrika geht. Das heißt, ich glaube, wir müssen klären, was wollen wir dort überhaupt erreichen. Die Ziele, nämlich die Glaubwürdigkeit der europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik oder die Stabilisierung des Kongos, die kriegen sie mit 750 Mann im Kongo bei weitem nicht hin. Das ist unredlich.

    Thoma: Sollte man also dann besser 5000 Soldaten dort hinschicken?

    Kahrs: Man sollte das, was man sagt, auch tun. Ich finde, wenn man 750 Mann schickt, dann soll man sagen, das ist ein begrenzter Polizeieinsatz zum Schutz der dort eingesetzten Wahlbeobachter. Dann kann ich damit leben, weil ich dann auch weiß, das ist danach vorbei. Wenn man aber salamitaktikmäßig immer weiter in den Kongo reinrutscht und, wie einige Kollegen jetzt schon fordern, auch noch in den Südsudan geht, dann ist erstens das Ende nicht absehbar. Zweitens werden dann immer neue Mandate kommen, wo immer mehr Soldaten nachgeschoben werden müssen. Das haben sie vorher nie diskutiert. Ich verlange einfach nur Ehrlichkeit und Offenheit.

    Thoma: Nun sagen ja alle, es ist wirklich wichtig, dass man in Afrika Verantwortung übernimmt. Auch Albrecht Conze, der ja die UN-Truppen dort im Kongo leitet, sagt, wir brauchen diese EU-Soldaten, um in der Hauptstadt Kinshasa vor allem die Wahlen abzusichern. Es wird wahrscheinlich ein Mandat der Vereinten Nationen auf jeden Fall geben. Tun Sie sich dann nicht schwer damit, sich letzten Endes dagegen zu stellen?

    Kahrs: Ich glaube, dass man sich immer überlegen muss, was man als Land leisten kann. Wir leisten viel auf dem Balkan. Wir leisten viel in Afghanistan. Ich glaube, bevor man in den Kongo geht, muss man genau definieren ,was man will. Gerhard Schröder hat mal gesagt, wenn man irgendwo reingeht, muss man auch sagen, wie man wieder rauskommt. Das fehlt hier zurzeit. Das ist alles schwammig. Eine Begründung, die immer davon ausgeht, dass man den Kongo stabilisieren will und die Glaubwürdigkeit der europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik beweisen will, kann man nicht mit 750 Mann hinbekommen.

    Thoma: Sie sind ja der Bundeswehr schon selber verbunden: zwei Jahre Zeitsoldat steht in Ihrem Lebenslauf, Reserveoffizier, immer noch Mitglied des Verbandes der Reservisten der deutschen Bundeswehr. Führt das dazu, dass Sie eher mehr Mitgefühl und Sorge für die Soldaten selber haben?

    Kahrs: Ich glaube, ich weiß, was Soldaten können, und ich glaube ich weiß auch, wie man Soldaten gegenübertreten muss. Die verlangen, wenn sie in einen Einsatz gehen, dass sie wissen, worum es geht, wie lange es geht. Das heißt, man muss sich auch im Notfall auf den Exerzierplatz stellen können und muss den Kameraden in die Augen gucken können und ihnen sagen können, was von ihnen verlangt wird. Ich glaube, einige von den Entwicklungshilfepolitikern und Außenpolitikern, die an der Debatte beteiligt sind, denken in ihren Kategorien, aber nicht darüber, wen sie da hinschicken und zu welchen Bedingungen. Deswegen ist es zum Beispiel auch so, dass der Bundeswehrverband mit Oberst Gertz an der Spitze diesen Einsatz ablehnt.

    Thoma: Gut, aber vielleicht braucht man einfach mehr Informationen über die Situation dort, ob tatsächlich gewährleistet werden kann, dass die Soldaten nach vier Monaten wieder zurückkommen, ob gewährleistet werden kann, dass sie nicht in Kampfhandlungen verwickelt werden. Wenn man darüber mehr Informationen hat, würden Sie dann vielleicht doch zustimmen?

    Kahrs:! Ich würde erst mal in der SPD-Fraktion darauf dringen, dass man besser informiert wird. Wir haben letzte Woche erst angefangen, darüber zu diskutieren, und sollen nächste Woche schon entscheiden. Wenn es um Informationen geht, dann geht es mir nicht darum, dass auch ein Einsatz gefährlich sein kann. Jeder, der Soldat ist, weiß, dass Einsätze gefährlich sein können. Wenn man laufend beteuert, dass Kinshasa sicher sei und dass man deswegen Soldaten dort hinschicken könne, dann frage ich mich unter anderem auch, warum man gerade Soldaten da hin schickt, wo es sicher ist. Das ist vielleicht nicht Sinn und Zweck der ganzen Veranstaltung.
    Hier geht es darum, die Mittel, die man einsetzt, in Übereinstimmung zu bringen mit den Zielen. Ansonsten besteht bei uns Parlamentariern weiterhin der Verdacht, dass mehr dahinter steckt, als am Anfang gesagt wird.

    Thoma: Aber nun sagt auch SPD-Fraktionschef Struck, das Ganze könnte gefährlich werden. Er ist skeptisch, aber letzten Endes wird er wahrscheinlich dafür stimmen. Die Diskussion wird also laufen und dann möglicherweise auch dazu führen, dass Sie noch umgestimmt werden?

    Kahrs: Natürlich. Deswegen führt man ja Diskussionen. Ich gehe ja nicht in Diskussionen hinein und sage "das ist so". Wir hatten das bei uns Seeheimern ja auch diskutiert. Ich glaube, man muss natürlich gucken, ob man die Bedenken ausräumen kann. Dann muss man das in der SPD-Fraktion diskutieren. Wenn die Mehrheit in der SPD-Fraktion dann für Zustimmung plädiert, dann wird der Rest auch zustimmen. Ich glaube, aber im Moment sind wir noch nicht so weit. Ich glaube, im Moment fehlt noch jede Menge an Information. Im Moment muss man auch noch die Truppe überzeugen, und das ist vordringlich, weil die geht letztendlich dahin.

    Thoma: Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises. Noch ist er wie viele andere SPD-Bundestagsabgeordnete gegen einen Kongo-Einsatz der Bundeswehr. Vielen Dank für das Gespräch.

    Kahrs:! Glück auf.