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Widerstand gegen Testlauf
Der Streit um die Volkszählung

Gezählt, gewogen und gemessen. Bis ins Detail will der Staat mit einer Volkszählung erfassen, wie seine Bürger leben. Dagegen regt sich Widerstand - so zum Beispiel gegen den Testlauf für die nächste Volkszählung im Jahr 2021, der nächste Woche starten soll. Doch es geht vor allem ums Geld.

Von Arne Schulz |
    Ein Barcode spiegelt sich in einem Auge
    Was ist das eigentlich, eine Volkszählung? Durch den Zensus weiß der Staat, wie alt seine Bürger sind, ob sie arbeiten, verheiratet sind, wo sie wohnen und manches mehr. (imageBROKER / Christian Ohde)
    Eine Volkszählung ist ein Drama im Zentrum unseres politischen Lebens, schreibt der Politologe Kenneth Prewitt. Auf Deutschland trifft das ganz besonders zu. Unvergessen die 80er Jahre.
    "An die Achtziger Jahre erinnere ich mich, da waren wir alle dagegen."
    "Es gab sehr viel Unwillen in der Bevölkerung. Man fühlte sich, glaube ich, sehr kontrolliert."
    "Mir waren die Fragen teilweise zu privat. Wie viel Räume und wie wir die nutzen, ich fand das sehr privat."
    Tausende gehen auf die Straße, besonders in den großen Städten. Immer wieder berichtet die Tagesschau:
    "Bei den Abschlusskundgebungen warnten Sprecher der Boykottinitiativen vor den Gefahren einer totalen Erfassung der Bürger. Die Volkszählung sei ein weiterer Schritt auf dem Wege zum Überwachungsstaat."
    Allein in Hamburg rufen mehr als 90 Initiativen zum Boykott auf. Hinter den Protesten steht damals die Angst vor dem gläsernen Bürger. Volkszählung – nein danke.
    "Nee, finde ich nicht gut. Finde ich deshalb nicht gut, weil ich einfach überhaupt keinen Sinn darin sehe, nee ."
    "Registriert sind wir sowieso alle, ich weiß nicht was das soll."
    "Also ich werde wohl mit Sicherheit an dieser Volkszählung nicht teilnehmen. Nur was oder wie ich das mach, das will ich nun also auf jeden Fall nicht sagen."
    Bahnbrechendes Volkszählungsurteil fällt 1983
    Doch nicht nur die Proteste bleiben in Erinnerung. Kurz vor Weihnachten 1983 fällt das Bundesverfassungsgericht sein bahnbrechendes Volkszählungsurteil. Es setzt dem Staat enge Grenzen: Zwar darf er seine Bürger grundsätzlich zählen. Doch er darf nur das erfragen, was er unbedingt wissen muss. Und er darf nicht erfahren, was der einzelne Bürger geantwortet hat.
    "Also das Urteil zur Volkszählung damals ist im Prinzip die Geburtsstunde des Datenschutzes gewesen, so wie wir ihn dann kennen", sagt Johannes Caspar, Hamburgs Datenschutzbeauftragter. Erst etwa ein Vierteljahrhundert später wird wieder gezählt. Um die Grundrechte der Bürger zu schonen, wählen die Statistiker 2011 eine ganz neue Methode.
    "Das war das erste Mal, dass Deutschland gewagt hat, einen registergestützten Zensus durchzuführen", erklärt die Bevölkerungsforscherin Michaela Kreyenfeld von der Hertie School of Governance. 2011 griffen die Statistiker also auf Daten zurück, die in den Registern der Behörden schon gespeichert waren.
    "Und dazu wurde auch noch eine Haushaltsbefragung durchgeführt, um die Registerdaten abzuprüfen. Das war alles sehr, sehr komplex."
    Die Statistiker befragten umfangreich Haushalte in ganz Deutschland. Allerdings vor allem in größeren Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnern. Und so regte sich auch gegen die neue Volkszählung im Jahr 2011 schnell Protest. Viele große Gemeinden glaubten, dass ihre Einwohnerzahlen künstlich kleingerechnet wurden. Und je weniger Einwohner sie haben, desto weniger Geld erhalten sie aus dem Finanzausgleich. Berlin und Hamburg zogen bis vor das Bundesverfassungsgericht. Peter Tschentscher - heute Bürgermeister, damals Finanzsenator in Hamburg:
    "Es gibt ein sogenanntes Statistikgeheimnis, nach dem uns die Daten nicht zur Verfügung gestellt werden. Es können ja auch einmal technische Fehler passieren. Und insofern ist das also alles eine große Black Box, die nicht dazu führt, dass wir Vertrauen finden können."
    Klage erst im September 2018 abgewiesen
    Erst im September 2018 wies das Bundesverfassungsgericht die Klage ab. Da liefen längst die Vorbereitungen für die nächste Volkszählung. Mitte Januar will das Statistische Bundesamt einen Testlauf für 2021 starten. Vorhang auf für das nächste Drama? Fest steht: Hinter den Kulissen wird schon jetzt wieder gestritten. Wer in dieser verworrenen Auseinandersetzung eine eigene Haltung entwickeln möchte, sollte sich zunächst am besten die grundlegenden Fragen stellen. Zum Beispiel diese: Was ist das eigentlich, eine Volkszählung?
    "Eine Volkszählung ist, dass das Volk gezählt wird."
    "Ja wird da nicht die Einwohnerzahl erfasst, glaube ich?"
    "Also es wird festgestellt, wer wo in welcher Stadt, Land etc. wohnt."
    "Wie viel Altenheime bald gebraucht werden zum Beispiel."
    "Man versucht auf den Stand zu kommen, wie die Realität ist, weil ja nicht täglich gezählt wird, wie viele Einwohner Deutschland hat."
    Falsch ist das nicht, doch eine Volkszählung – ein Zensus – geht noch tiefer. Mathias Lerch vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock erklärt:
    "Ein Zensus ist ein regelmäßiges Bild von der Bevölkerung und der Gesellschaft, also wie ein Foto."
    Genau Bescheid wissen über jedes einzelne Gebäude
    Von mehr als 80 Millionen Menschen. Durch den Zensus weiß der Staat, wie alt seine Bürger sind, ob sie arbeiten, verheiratet sind, wo sie wohnen und manches mehr. Das heißt:
    "Zu einem bestimmten Tag möchte man die elementaren Charakteristiken der Bevölkerung kennen und zwar bis ins genauste Detail."
    Nicht nur über seine Bürger will der Staat so genau Bescheid wissen. Auch über seine Gebäude. So erheben die Statistiker über jedes einzelne Haus, wie viele Wohnungen es hat, wie alt es ist und wie es beheizt wird. Das führt zu der zweiten grundlegenden Frage: Wozu will der Staat das überhaupt wissen?
    "Ich nehme an, dass bestimmte Behörden gerne wissen wollen, wer welches Geschlecht, welche Nationalität, mit welchem Migrationshintergrund in einzelnen Bezirken, Ländern, Städten etc. wohnt."
    "Ja, um halt eben den wirtschaftlichen Stand von Deutschland zu ermitteln anhand der Statistiken.
    "Um 'ne Planung für den Wohnraum hinzukriegen bezüglich: Wo brauchen wir vielleicht Neubauwohnungen."
    Der Wohnungsbau ist tatsächlich ein gutes Beispiel, erklärt Robert Koschitzki von der NBank. Das ist die Förder- und Investitionsbank des Landes Niedersachsen.
    Klemmbrett mit Befrgaungsunterlagen, im Hintergrund ein Wohnhaus
    Zu Gebäude und Wohnhäusern wollte der Staat 2011 alles wissen (imago/Imagebroker)
    "Es geht um bezahlbaren Wohnraum. Das ist das, was im Moment tatsächlich alle umtreibt."
    Koschitzkis Job ist es, den Landespolitikern die nötigen Informationen für deren Förderprogramme zu beschaffen.
    "Einwohnerzahlen und Umzüge, Geburten und Sterbefälle. All das wird regelmäßig erfasst."
    Von den Kommunen oder von den Statistischen Landesämtern. Der Zensus liefere ihm jedoch besonders vielfältige Daten.
    "Ein Zensus zählt auch alle Haushalte. Und der misst, wie viele Personen in welchem Alter in einem Einfamilienhaus oder in einer Geschosswohnung zusammenwohnen. Und das ist für uns sehr wichtig."
    Erst durch die Volkszählung weiß Koschitzki zum Beispiel, wie Paare mit zwei Kindern in einer bestimmten Region typischerweise leben. Dadurch lässt sich am Ende viel gezielter entscheiden, welche Wohnungen gebaut werden müssen.
    Wohnungsmarkt-Experten fordern mehr Daten
    Allerdings: Der Stein der Weisen ist die Volkszählung nicht. Vieles, was Koschitzki und seine Kollegen interessieren würde, bleibt im Dunkeln.
    "Wir kennen zum Beispiel die Preisentwicklung für Mietwohnungen nur für das, was jeweils gerade im Internet angeboten wird oder, was Eingang findet in die Mietspiegel größerer Städte. Damit wissen wir über die Mieten in bestehenden Mietverhältnissen eben nur sehr wenig. Oder nur das, was dann zum Beispiel gerade größere Vermieter bei uns angeben, wenn wir sie selbst befragen."
    Koschitzki und auch andere Wohnungsmarkt-Experten haben deshalb einen Wunsch für die Volkszählung 2021: Mehr Daten!
    Noch wichtiger finden viele Experten und Forscher allerdings, dass die Daten schneller publik werden. Nach dem Zensus-Stichtag 2011 dauerte es ganze zwei Jahre, bis die ersten Ergebnisse veröffentlicht wurden. Manche Daten kamen erst nach vier Jahren. Sie waren also schon veraltet, bevor jemand damit arbeiten konnte. Das gibt auch Alexander Wagner vom Statistikamt Nord selbstkritisch zu:
    "Die Aktualität der Ergebnisse ist natürlich schon ein wichtiger Punkt, wenn wir dann auch gerade Strukturdaten erheben, die, wenn die dann mehrere Jahre alt sind, natürlich an Bedeutung bzw. an Sinnhaftigkeit für die Planung einfach verlieren."
    Das Verfahren sei nicht nur neu gewesen, sondern auch extrem aufwendig. Hinter der Volkszählung stehen alle Landesämter und das Statistische Bundesamt. Für die nächste Zählung habe sich der Verbund Einiges vorgenommen: "Wir wollen im Vergleich zum letzten Mal die Ergebnisse früher veröffentlichen, dass sie relativ nah an dem Zeitpunkt sind und dann halt einfach auch aktueller."
    Um das zu schaffen, sammeln die Statistiker schon jetzt Anschriften, schreiben Wohnungseigentümer an und beschäftigen sich mit der IT.
    Die Verantwortlichen versprechen sich durch so einen Testlauf herauszufinden, ob der neue Standard für die Datenübertragung von den Kommunen zu den Statistischen Ämtern funktioniert.
    "Um mögliche Probleme, die dann auftreten könnten, schon im Vorwege zu sehen und zu beheben."
    Probelauf mit datenschutzrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar
    Dafür schicken die Kommunen dem Statistischen Bundesamt schon jetzt umfangreiche Datensätze der Bürger. Der Bundestag hatte dieses Vorgehen Mitte Oktober im Schnellverfahren gebilligt. Doch jetzt, kurz vor dem Testlauf, gibt es Widerstand. Ein Verein von Juristen, die Gesellschaft für Freiheitsrechte, hat einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht gestellt, um den Testlauf zu stoppen. Ulf Buermeyer ist Richter in Berlin und Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte:
    "Die Bundesregierung verstößt gegen die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht für Volkszählungen aufgestellt hat, indem sie schon für einen Probelauf eben nicht anonyme oder pseudonyme Datensätze verwenden möchte, sondern die Originaldaten aller Menschen, die in Deutschland gemeldet sind."
    Das sei mit datenschutzrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar – und außerdem sei die Speicherung von Echtdaten für einen Test völlig überflüssig.
    "Denn dafür gibt es inzwischen eine ganze Reihe von technischen Maßnahmen, mit denen man dafür sorgen kann, dass man nicht die echten Daten verwenden muss für solche Testläufe, sondern eben Testdaten," erklärt Buermeyer.
    Die Statistischen Ämter halten eine Anonymisierung für unmöglich. Nur mit den Originaldaten ließe sich bei dem Test die Datenqualität beurteilen.
    Deshalb wurde das Bundesverfassungsgericht mit der Sache befasst und deshalb müssen sich die Statistiker jetzt rechtfertigen. Und nicht nur gegenüber Datenschützern und Juristen, sondern auch gegenüber einigen Kommunen - wobei die etwas ganz Anderes in Rage versetzt.
    Ein verregneter Wintertag an der Flensburger Förde: Auf dem Wasser schaukeln die Museumsschiffe. Gegenüber beginnt die Altstadt mit ihren schmalen Gassen und verwinkelten Häusern.
    Das Beispiel Flensburg
    Man sieht es ihr im Zentrum nicht an, aber die Stadt Flensburg muss kräftig sparen. Denn Flensburg erging es nach der Volkszählung 2011 wie Berlin und Hamburg: Flensburgs Einwohnerzahl wurde durch die Volkszählung deutlich nach unten korrigiert. Laut der Erhebung hatte Flensburg damals etwa 6500 Einwohner weniger als gedacht. Seitdem muss die Stadt auf viel Geld aus dem kommunalen Finanzausgleich verzichten.
    "Wir haben jedes Jahr ein sogenanntes strukturelles Defizit. Das ist das, was wir jedes Jahr Minus machen", erklärt die Oberbürgermeisterin Simone Lange von der SPD. Konkret lag das Defizit zuletzt bei etwa 12 Millionen Euro. Sieben Millionen Euro seien auf die Volkszählung zurückzuführen.
    "Nicht einmal, sondern jedes Jahr. Sieben Millionen Euro sind – bildlich gesprochen – eine Kindertagesstätte für 120 Kinder. Und die könnte ich jedes Jahr bauen. Kann ich aber nicht, weil mir die sieben Millionen Euro jedes Jahr fehlen."
    Nicht nur Flensburg, Hamburg und Berlin – insgesamt hunderte Kommunen fühlten sich durch die Methode der Volkszählung 2011 benachteiligt. Zum ersten Mal hatten die Statistiker nicht alle Bürger befragt, sondern vor allem die Daten von Behörden ausgewertet. Michaela Kreyenfeld, Professorin an der Hertie School of Governance in Berlin.
    "Es wurde das Einwohnermelderegister verwendet, es wurde auch das Beschäftigtenregister verwendet, das Rentenregister." Doch dieses Verfahren ist anfälliger für Fehler, als es zunächst klingt. In Deutschland führt jede Kommune ihr eigenes Melderegister. Und es sei schwierig, diese kommunalen Datenbanken korrekt zu führen, so Kreyenfeld.
    Briefmark mit Bundesadler
    Briefmarke zur Volkszählung im Jahr 1987 (imago/Schöning)
    "Durch die, vor allem internationale, Migration ergeben sich immer wieder Fehler in den Melderegistern. Das heißt: Es sind zu viele Ausländer vor allen Dingen in den Registern, da im Prinzip vor allen Dingen die Wegzüge ins Ausland nicht gelöscht werden, nicht in allen Fällen."
    "Karteileichen" nennt man Personen, die in einer Kommune registriert sind, obwohl sie dort längst nicht mehr leben. Die Statistiker suchten in den riesigen Datenbergen systematisch nach solchen Fehlern. Am Ende korrigierten sie die Einwohnerzahl Deutschlands um rund 1,5 Millionen Menschen nach unten. Doch auch diese Einwohnerzahl sei nur eine statistische Größe, sagt die Bevölkerungsforscherin Kreyenfeld:
    "Wenn Sie sich die Zensus-Zahl angucken, 2011, das waren 80.219.695. Das hört sich ja erst mal extrem exakt an. Aber wir wissen, dass das Amt eine exakte Zahl liefern muss, aber diese Exaktheit in der Realität gar nicht existiert. Es ist eigentlich ein Schätzwert."
    Musterverfahren vor dem Verwaltungsgericht Schleswig
    Die Statistiker nehmen also Daten ihrer stichprobenartigen Befragungen und rechnen diese hoch. Das Bundesverfassungsgericht hält das Hochrechnungsverfahren für verfassungskonform. Aber: Trotzdem ist es prinzipiell denkbar, dass die Statistiker einzelne Kommunen deutlich zu klein berechnet haben und andere zu groß. Flensburgs Oberbürgermeisterin Lange verdächtigt die Statistiker, bei der konkreten Datenerhebung in ihrer Stadt Fehler gemacht zu haben.
    "Es gab regelmäßig Ausfälle bei der Software, die dabei helfen sollte, die Zahlen zu erheben. Es gab geänderte Adresslisten, die wurden händisch geändert."
    Ob Flensburg Recht hat, soll in diesem Jahr ein Musterverfahren vor dem Verwaltungsgericht Schleswig klären. Das Urteil hat für mehr als 300 weitere Kommunen Signalwirkung. Doch darauf allein will sich Flensburg nicht verlassen. Die Stadtverwaltung bereitet sich schon heute gezielt auf die nächste Volkszählung vor:
    "Wir wollen vor allem selbst auch nachweisen können, dass unser Melderegister wirklich gut ist. Und führen jetzt bei uns in der Stadtverwaltung eine eigene Statistikstelle, die nichts anderes macht, als wirklich permanent nachzuvollziehen, wer in dieser Stadt lebt, wie das Melderegister geführt wird und so weiter und so fort."
    Auch die Volkszählung 2021 dürfte also umstritten sein. Es sei denn, das Bundesinnenministerium findet eine Lösung, die für alle Seiten tragbar ist. Simone Lange hat da einen radikalen Ansatz:
    "Also, wenn man wirklich feststellen will, wie viele Menschen in einer Kommune leben, muss man natürlich in Richtung Vollerhebung denken, sonst braucht man keinen Zensus machen."
    Volkszählung in anderen Ländern? - Wenig mehr als ein Knopfdruck
    Also jeden einzelnen Einwohner befragen – es wäre die Rückkehr zum umstrittenen Verfahren von 1987. Wesentlich realistischer erscheint allerdings eine andere Lösung, die in Fachkreisen zurzeit wieder diskutiert wird. In einigen Ländern ist eine Volkszählung nämlich schon heute wenig mehr als ein Knopfdruck.
    "Das ist in skandinavischen Ländern eher so. Es gibt da ein zentrales Einwohnerregister, aus dem die Bevölkerungszahlen tatsächlich relativ schnell und einfach abgerufen werden können", erklärt die Bevölkerungsforscherin Kreyenfeld. Oder in den Niederlanden: Dort wird jedem Bürger eine Servicenummer für Behördengänge zugewiesen. Alle Behördendaten werden in einer zentralen Datenbank gespeichert. Finanzämter oder Rentenkassen können dann nach bestimmten Regeln darauf zugreifen. Politische Gremien, wie der Normenkontrollrat, schlagen vor, dass auch Deutschland ein zentrales Register schafft. Ein Vorteil sei, dass die Ergebnisse der Volkszählung dann viel schneller veröffentlicht werden könnten, sagt Bevölkerungsforscher Lerch:
    "Es hat ja glaube ich Jahre gebraucht bis die definitiven Zahlen veröffentlich wurden beim letzten Zensus. Und das war genau aus dem Grund, weil man all diese verschiedenen Datensätze anschauen musste, vergleichbar machen musste."
    Mit einem gut gepflegten Zentralregister wäre das nicht mehr nötig. Der zweite Vorteil sei, so Alexander Wagner vom Statistikamt Nord, dass kein Bürger mehr persönlich befragt werden muss. Mit der möglichen Folge: "Dass man es kostenschonender macht. Aber das wäre dann tatsächlich die Frage, wie es dann ausgestaltet wird."
    Zentralregister als Lösung
    Einige Städte sehen noch einen dritten Vorteil: Ein Zentralregister könne auch den Streit zwischen Kommunen und Statistischen Ämtern befrieden. Natürlich nur unter einer Bedingung, ergänzt Mathias Lerch vom Max-Planck-Institut in Rostock:
    "Dieses System muss harmonisiert werden und zentral geführt werden. Das heißt, wenn jemand hinter dem Computer in einem Einwohnermelderegister jemand Neues aufnimmt, dass diese Daten genau auf die gleiche Weise aufgenommen werden in der Gemeinde X und Gemeinde Y. Ohne Harmonisierung werden wahrscheinlich die gleichen Diskussionen weitergehen, jedes Mal, wenn die Zensus-Daten rauskommen."
    Für die Gemeinden wäre das eine große Umstellung, alle Daten auf die gleiche Art und Weise einzutragen. Doch wer sich die Mühe macht, kann womöglich viele Fliegen mit einer Klappe schlagen. Viele Fliegen, nicht alle. Denn Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar sieht in der zentralen Erfassung von Bürgerdaten eine große Gefahr:
    "Die Möglichkeit, mit solchen Daten am Ende auch missbräuchlich umzugehen, die steht immer vor Augen. Es ist natürlich so, dass man übergreifende Recherchen über zentrale Datenbestände machen kann, auch, wenn man das möglicherweise erst mal ausschließt. Die Begehrlichkeiten sind ja immer hoch, gerade was die Sicherheitsbelange anbetreffen. Da muss man schauen, dass man in der Tat sich zurückhält."
    Wenn das Bundeskabinett in einigen Wochen über das Zensusanordnungsgesetz berät, wird ein zentrales Register deshalb keine Rolle spielen. Auch der Wunsch, dass mehr Daten erhoben werden, dürfte nicht in Erfüllung gehen. Stattdessen soll die nächste Volkszählung ganz ähnlich ablaufen wie 2011.
    "Dann weiß ich nicht, wie die nächste Klage sozusagen aussehen wird", sagt die Flensburger Oberbürgermeisterin. Immerhin: Für sie und die anderen wütenden Kommunen plant das Bundesinnenministerium ein Zugeständnis. Ob groß oder klein – alle Kommunen sollen künftig mit derselben Methode überprüft werden. Wird dieses Entgegenkommen für Ruhe sorgen? Vielleicht. Wahrscheinlicher ist, dass die Volkszählung bleibt, was sie zuletzt eigentlich immer war: Ein Drama aus dem Zentrum unseres politischen Lebens. Der nächste Akt ist gerade in Arbeit.