Klose: Offenbar war das Nachdenken über den Tag danach doch nicht so intensiv und umfassend, wie uns das immer wieder gesagt worden ist und wie wir es zum Teil durch Diskussionen und Dialog auch nachprüfen konnten. Es gab auf irakischer Seite Vorbereitungen für verschiedene Fälle und das, was im Augenblick im Irak stattfindet, ist nicht Zufallswiderstand, sondern sieht sehr nach Organisation aus und das überrascht die Amerikaner.
Meurer: Sie glauben also, hinter den Angriffen stecken doch in der Hauptsache Getreue von Saddam Hussein und sie sind nicht Ausdruck allgemeiner Unzufriedenheit mit der US-amerikanischen Besatzung?
Klose: Nein, das zweite, wird es vermutlich auch geben, aber ich vermute schon, dass Saddam Hussein noch irgendwo im Land ist, dass er sich so lange verborgen halten kann, dass er offenbar geschützt wird, zeigt, dass er Unterstützung hat und er hat die Zeit vorher genutzt, um diese Art von Widerstand zu organisieren. Deshalb glaube ich, dass die Amerikaner, ohne dass ich das weiß, in den nächsten Tagen. Wochen, Monaten alles darauf konzentrieren werden, Saddam Hussein und die in seiner Nähe zu fassen und das ist auch wichtig.
Meurer: In Washington, Herr Klose, erwägt man, die NATO um Unterstützung für den Einsatz im Irak zu bitten. Sollten wir helfen?
Klose: Das ist eine schwierige Frage, die Sie stellen. Zunächst einmal kennen Sie den Standpunkt der Bundesregierung, der sich wieder mit der französischen Haltung deckt. Es wird gar nicht erwogen, dass wir oder die Franzosen helfen, es sei denn, es gibt eine UNO-Entschließung, die klare rechtliche Verhältnisse schafft, die wir gegenwärtig haben, die aber keinen NATO-Einsatz erlauben. Wenn es eine solche Legitimation gäbe, sollten wir immer die Frage stellen, wie unsere Interessenlage ist und wir haben ein hohes Interesse daran, dass Stabilität im Nahen Osten einkehrt, dass sich die Verhältnisse im Irak zum Besseren wenden und wir haben, um es deutlich zu sagen, kein Interesse daran, dass die Amerikaner im Irak in große Schwierigkeiten geraten, ich weiß, es gibt Leute, die verfolgen das mit einer gewissen Häme, aber man muss darüber hinausdenken und fragen, welche Konsequenzen es hätte, wenn sich zum Beispiel die Amerikaner zu früh aus der Region zurückziehen.
Meurer: Das heißt auch, dass wir Deutschen ein Interesse daran haben, den Amerikanern zu helfen, um das Verhältnis mit Washington wieder zu bereinigen?
Klose: Nein, das letztere nicht. Das ist ein Akzent, den ich nicht setzen würde, so im Sinne von Wiedergutmachung, nein. Wir sollten jenseits von solchen Erwägungen unsere und die europäischen Interessen definieren und feststellen, dass wir kein Interesse haben, dass die Amerikaner sich zurückziehen, weil wir, wenn Sie so wollen, ich übertreibe jetzt ein bisschen, ja die Amerikaner als globale Ordnungsmacht gebrauchen und wir haben kein Interesse daran, dass im Nahen Osten eine Situation hinterlassen wird, die gefährlicher, instabiler, unberechenbarer ist, als vorher.
Meurer: Stimmen Sie den beiden Bedingungen zu, die die Bundesregierung formuliert hat, wenn überhaupt ein Einsatz der NATO, dann nur mit UNO-Mandat und zweitens, wenn eine legitimierte irakische Übergangsregierung den Einsatz selbst erbittet?
Klose: Ich bin mit beiden einverstanden, würde jedenfalls nicht öffentlich daran herumkritisieren. Ich würde beide Positionen nicht absolut vertreten, weil man natürlich die Frage stellen kann, ob die UNO derzeit selbst in der Lage ist, die Verantwortung im Irak zu übernehmen und zweitens, ob es realistisch ist, zu erwarten, dass es in absehbarere Zeit eine anerkannte handlungsfähige irakische Autorität gibt, wir haben aber nicht beliebig Zeit, um still dazusitzen und zu sehen, wie die Dinge sich zum Schlechteren entwickeln.
Meurer: Also notfalls geht es auch ohne die beiden Bedingungen?
Klose: Das habe ich nicht gesagt, aber ich würde sie nicht absolut setzen, mehr sage ich dazu nicht.
Meurer: Herr Klose, Sie haben sich ja in Ihrer Partei ein bisschen unbeliebt gemacht während und vor dem Krieg, weil Sie sich doch eigentlich eher an die Seite der USA gestellt haben. Fühlen Sie sich jetzt eigentlich persönlich getäuscht, wenn Sie hören, dass wichtige Argumente für den Krieg in Washington sozusagen gefälscht waren?
Klose: Ja, die Sache ist schwierig, das gebe ich zu, weil im Nachhinein Tatsachen bekannt werden, die man vorher so nicht wusste, obwohl ich Ihnen sagen muss, dass dieses Gerücht, Saddam habe versucht, in Afrika nukleares Material zu kaufen, schon vor Beginn des Irak-Krieges in Zweifel gezogen worden, und das war zum Beispiel nicht mein Argument. Gleichwohl bleibt, das ist in einer Erklärung des amerikanischen Präsidenten enthalten, die Frage, ob unterschiedliche Akteure in der amerikanischen Administration entweder unkoordiniert spielen, oder ob koordiniert falsche Erkenntnisse verwendet werden. Das letztere unterstelle ich nicht, aber ich glaube schon, dass die Glaubwürdigkeit von geheimdienstlicher Information amerikanischer oder britischer Dienste mit Fragezeichen zu versehen ist.
Meurer: Fragezeichen auch bei der Glaubwürdigkeit von George Bush und Tony Blair?
Klose: Dazu kann ich nichts sagen, weil ich es nicht weiß und ich halte nichts davon, auf Personen zu zielen, wenn man sich im spekulativen Bereich betätigt.
Meurer: Nach dem, was man jetzt weiß und hört, glauben Sie, dass die Begründung, es geht um Massenvernichtungswaffen beim Irak-Krieg letztlich doch vorgeschoben war?
Klose: Nein. Ich glaube, dass das ein Grund neben anderen gewesen ist und zwar einer von dem ich Ihnen sage, ich halte ihn immer noch für stichhaltig, denn dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen hatte und angestrebt hat, weitere zu produzieren, das wussten wir alle, das war alles übereinstimmende Erkenntnis der Dienste.
Meurer: Und warum findet man jetzt überhaupt nichts?
Klose: Wenn man nicht weiß, wo sie hingeschafft worden sind, wird man sie in fünf Jahren noch nicht finden. Das Land ist groß, hat Höhlensysteme. Es gibt unendlich viele Verstecke, man kann sie nur finden, wenn man Hinweise hat. Im Übrigen brauchen wir uns doch gar nicht darüber streiten. Saddam Hussein ist ein Mann, der immer Massenvernichtungsmittel eingesetzt hat, das ist kein unbeschriebenes Blatt.
Meurer: Das war Hans-Ulrich Klose, SPD. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, heute morgen bei uns im Deutschlandfunk. Herr Klose, besten Dank und auf Wiederhören.
Klose: Nichts zu danken, machen Sie es gut, tschüs.
Link: Interview als RealAudio
Meurer: Sie glauben also, hinter den Angriffen stecken doch in der Hauptsache Getreue von Saddam Hussein und sie sind nicht Ausdruck allgemeiner Unzufriedenheit mit der US-amerikanischen Besatzung?
Klose: Nein, das zweite, wird es vermutlich auch geben, aber ich vermute schon, dass Saddam Hussein noch irgendwo im Land ist, dass er sich so lange verborgen halten kann, dass er offenbar geschützt wird, zeigt, dass er Unterstützung hat und er hat die Zeit vorher genutzt, um diese Art von Widerstand zu organisieren. Deshalb glaube ich, dass die Amerikaner, ohne dass ich das weiß, in den nächsten Tagen. Wochen, Monaten alles darauf konzentrieren werden, Saddam Hussein und die in seiner Nähe zu fassen und das ist auch wichtig.
Meurer: In Washington, Herr Klose, erwägt man, die NATO um Unterstützung für den Einsatz im Irak zu bitten. Sollten wir helfen?
Klose: Das ist eine schwierige Frage, die Sie stellen. Zunächst einmal kennen Sie den Standpunkt der Bundesregierung, der sich wieder mit der französischen Haltung deckt. Es wird gar nicht erwogen, dass wir oder die Franzosen helfen, es sei denn, es gibt eine UNO-Entschließung, die klare rechtliche Verhältnisse schafft, die wir gegenwärtig haben, die aber keinen NATO-Einsatz erlauben. Wenn es eine solche Legitimation gäbe, sollten wir immer die Frage stellen, wie unsere Interessenlage ist und wir haben ein hohes Interesse daran, dass Stabilität im Nahen Osten einkehrt, dass sich die Verhältnisse im Irak zum Besseren wenden und wir haben, um es deutlich zu sagen, kein Interesse daran, dass die Amerikaner im Irak in große Schwierigkeiten geraten, ich weiß, es gibt Leute, die verfolgen das mit einer gewissen Häme, aber man muss darüber hinausdenken und fragen, welche Konsequenzen es hätte, wenn sich zum Beispiel die Amerikaner zu früh aus der Region zurückziehen.
Meurer: Das heißt auch, dass wir Deutschen ein Interesse daran haben, den Amerikanern zu helfen, um das Verhältnis mit Washington wieder zu bereinigen?
Klose: Nein, das letztere nicht. Das ist ein Akzent, den ich nicht setzen würde, so im Sinne von Wiedergutmachung, nein. Wir sollten jenseits von solchen Erwägungen unsere und die europäischen Interessen definieren und feststellen, dass wir kein Interesse haben, dass die Amerikaner sich zurückziehen, weil wir, wenn Sie so wollen, ich übertreibe jetzt ein bisschen, ja die Amerikaner als globale Ordnungsmacht gebrauchen und wir haben kein Interesse daran, dass im Nahen Osten eine Situation hinterlassen wird, die gefährlicher, instabiler, unberechenbarer ist, als vorher.
Meurer: Stimmen Sie den beiden Bedingungen zu, die die Bundesregierung formuliert hat, wenn überhaupt ein Einsatz der NATO, dann nur mit UNO-Mandat und zweitens, wenn eine legitimierte irakische Übergangsregierung den Einsatz selbst erbittet?
Klose: Ich bin mit beiden einverstanden, würde jedenfalls nicht öffentlich daran herumkritisieren. Ich würde beide Positionen nicht absolut vertreten, weil man natürlich die Frage stellen kann, ob die UNO derzeit selbst in der Lage ist, die Verantwortung im Irak zu übernehmen und zweitens, ob es realistisch ist, zu erwarten, dass es in absehbarere Zeit eine anerkannte handlungsfähige irakische Autorität gibt, wir haben aber nicht beliebig Zeit, um still dazusitzen und zu sehen, wie die Dinge sich zum Schlechteren entwickeln.
Meurer: Also notfalls geht es auch ohne die beiden Bedingungen?
Klose: Das habe ich nicht gesagt, aber ich würde sie nicht absolut setzen, mehr sage ich dazu nicht.
Meurer: Herr Klose, Sie haben sich ja in Ihrer Partei ein bisschen unbeliebt gemacht während und vor dem Krieg, weil Sie sich doch eigentlich eher an die Seite der USA gestellt haben. Fühlen Sie sich jetzt eigentlich persönlich getäuscht, wenn Sie hören, dass wichtige Argumente für den Krieg in Washington sozusagen gefälscht waren?
Klose: Ja, die Sache ist schwierig, das gebe ich zu, weil im Nachhinein Tatsachen bekannt werden, die man vorher so nicht wusste, obwohl ich Ihnen sagen muss, dass dieses Gerücht, Saddam habe versucht, in Afrika nukleares Material zu kaufen, schon vor Beginn des Irak-Krieges in Zweifel gezogen worden, und das war zum Beispiel nicht mein Argument. Gleichwohl bleibt, das ist in einer Erklärung des amerikanischen Präsidenten enthalten, die Frage, ob unterschiedliche Akteure in der amerikanischen Administration entweder unkoordiniert spielen, oder ob koordiniert falsche Erkenntnisse verwendet werden. Das letztere unterstelle ich nicht, aber ich glaube schon, dass die Glaubwürdigkeit von geheimdienstlicher Information amerikanischer oder britischer Dienste mit Fragezeichen zu versehen ist.
Meurer: Fragezeichen auch bei der Glaubwürdigkeit von George Bush und Tony Blair?
Klose: Dazu kann ich nichts sagen, weil ich es nicht weiß und ich halte nichts davon, auf Personen zu zielen, wenn man sich im spekulativen Bereich betätigt.
Meurer: Nach dem, was man jetzt weiß und hört, glauben Sie, dass die Begründung, es geht um Massenvernichtungswaffen beim Irak-Krieg letztlich doch vorgeschoben war?
Klose: Nein. Ich glaube, dass das ein Grund neben anderen gewesen ist und zwar einer von dem ich Ihnen sage, ich halte ihn immer noch für stichhaltig, denn dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen hatte und angestrebt hat, weitere zu produzieren, das wussten wir alle, das war alles übereinstimmende Erkenntnis der Dienste.
Meurer: Und warum findet man jetzt überhaupt nichts?
Klose: Wenn man nicht weiß, wo sie hingeschafft worden sind, wird man sie in fünf Jahren noch nicht finden. Das Land ist groß, hat Höhlensysteme. Es gibt unendlich viele Verstecke, man kann sie nur finden, wenn man Hinweise hat. Im Übrigen brauchen wir uns doch gar nicht darüber streiten. Saddam Hussein ist ein Mann, der immer Massenvernichtungsmittel eingesetzt hat, das ist kein unbeschriebenes Blatt.
Meurer: Das war Hans-Ulrich Klose, SPD. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, heute morgen bei uns im Deutschlandfunk. Herr Klose, besten Dank und auf Wiederhören.
Klose: Nichts zu danken, machen Sie es gut, tschüs.
Link: Interview als RealAudio