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Wie bewerten Biobauern den EU-Agrarkompromiss?

    Spengler: Bei mir im Studio ist nun Thomas Dosch, er ist Bundesvorsitzender von Bioland, dem größten Anbauverband der Biobauern in Deutschland. Guten Tag, Herr Dosch.

    Dosch: Ich grüße Sie.

    Spengler: Herr Dosch, der Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner schimpft, lässt kein gutes Haar an dem Agrarkompromiss, er befürchtet bis zu zwei Milliarden Euro Einkommenseinbußen für die Bauern. Können Sie das nachvollziehen?

    Dosch: Ich weiß nicht, wie der Bauernverband auf diese Zahlen kommt. Agrarökonomen, mit denen wir heute morgen gesprochen haben, können sich das auch nicht erklären. Es ist so, jeder beurteilt das Ergebnis aufgrund seiner Vorstellungen, die er vor den Verhandlungen hatte. Unsere waren unterschiedlich von denen des Bauernverbandes.

    Spengler: Welche hatten Sie denn?

    Dosch: Es ist so, dass wir uns sehr wohl das gewünscht haben, was Fischler versprochen hat, nämlich mehr Transparenz, Klarheit auch für die Steuerzahler, was mit ihrem Geld gemacht wird, eine unabhängige Zahlung von Geldern, Aussteuertöpfen an die Bauern, aber unabhängig von der Produktionsmenge, sehr wohl abhängig von den gesellschaftlichen Leistungen, die landwirtschaftliche Betriebe erbringen?

    Spengler: Also nicht davon unabhängig, dass sie etwas tun oder ob sie nichts tun.

    Dosch: So ist es.

    Spengler: Sie müssen etwas tun, was denn?

    Dosch: Der landwirtschaftliche Betrieb erbringt sehr viele Leistungen, indem er beispielsweise Landwirtschaft pflegt, gesunde Lebensmittel produziert. Leider ist es so, dass bei uns die Preise ein derart niedriges Niveau haben, dass das ein normaler Betrieb heute fast nicht mehr vernünftig tun kann, das heißt, er braucht eine gewisse Kompensation aus Fördertöpfen.

    Spengler: Das nennt man Subvention, die anderswo abgebaut werden sollen.

    Dosch: Ich würde das bezeichnen als Honorierung von Leistung. Das ist letztendlich eine Subventionierung der Verbraucherpreise zugunsten der Verbraucher.

    Spengler: Das heißt, Sie sind mit dem Kompromiss in Luxemburg einverstanden?

    Dosch: Es gab große Widerstände und wir haben mit schlimmerem gerechnet, insofern sind wir mit diesem Kompromiss einverstanden.

    Spengler: Was halten Sie für das Grundlegende oder Beste an diesem Kompromiss?

    Dosch: Das Wesentliche ist der Systemwechsel dahingehend, dass heute nicht mehr alleine gilt 'wachse oder weiche', dass die Förderung nicht an den bezahlt wird, der möglichst viel produziert, dann auch viel Geld bekommt, sondern dass es ein Stück unabhängiger davon ist und der Berieb in der Tat mehr Möglichkeiten hat, auf Qualität zu setzen und sich am Markt zu orientieren.

    Spengler: Das heißt, man müsste das jetzt noch mal konkret machen, wenn man einen Bauernhof hat, wofür bekommt man dann Geld?

    Dosch: Für Leistungen, die man auf dem Betrieb bringt. Man muss dann unterscheiden, es gibt eine sogenannte erste und eine zweite Säule. In der ersten wurden die Gelder bisher bezahlt alleine dafür, dass er Masse produziert hat. Jetzt ist dieses ein Stücke abgekoppelt.

    Spengler: Also er bekam Prämien für Rinder, für Bullen, für die Produktion, die Aufzucht und so weiter.

    Dosch: Richtig. Künftig ist es so, dass er da auch noch Gelder bekommt, selbst wenn er mehr oder weniger produziert, die Summe, die er bekommt ist von dieser Menge unabhängig, er kann sich also auf Qualität konzentrieren. Schönes Beispiel: Schleswig-Holstein war früher berühmt für eine gute Ochsenmast, das Fleisch wurde in ganz Europa exportiert. Als die EU daherkam mit Fördergeldern war es einfach, Köpfe zu mästen, das heißt, man konnte auch weniger gutes Bullenfleisch großziehen und das war letztendlich auch für den Markt und die Umwelt kontraproduktiv.

    Spengler: Was heißt das denn dann für den Verbraucher, bekommt er wirklich besseres Fleisch?

    Dosch: Der Landwirt hat die Möglichkeit, hat mehr Spielraum, auf die Verbraucherwünsche einzugehen. Für die Verbraucher heißt das aber, das sage ich selbst auch ganz persönlich als Steuerzahler, dass man weiß, wohin die Gelder gehen, was damit gemacht wird. Ich denke, Subventionen im Sinne von Geld verteilen, kann sich heute niemand mehr leisten. Subventionen im Sinne von Honorierung von Leistungen, die für die Gesellschaft erbracht werden, machen Sinn, weil dadurch Einsparungen an anderen Stellen möglich sind.

    Spengler: Es war auch die Rede davon, dass es Abzüge von Prämien geben soll, also dann, wenn Bauern gegen Tierschutz verstoßen, gegen Umweltschutzauflagen, das halten Sie sicher auch für richtig, aber wer kontrolliert so was?

    Dosch: Letztendlich ist es eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Dieser Fachbegriff cross compliance, der da immer wieder verwendet wird, sagt eigentlich nichts anderes, als dass das bezahlte Geld an Umweltleistungen, an zusätzliche Leistungen gebunden sein soll. Was man jetzt gemacht hat, sieht so aus, dass man es daran bindet, dass sich jemand an die Gesetze hält, das halten wir für das Mindeste. Wir hätten uns zusätzliche Auflagen vorstellen können. Kontrolliert werden muss das im Grunde genommen genau wie alle anderen Verordnungen, die wir haben. Da muss man allerdings sehr genau hinsehen, wir haben es in diesen Verordnungsbereichen auch durchaus mit sogenannten Vollzugsdefiziten, also nicht immer mit einer tatsächlichen Umsetzung, zu tun.

    Spengler: Wenn Sie sagen, dass für den Verbraucher sich es vielleicht dadurch ändern wird, dass er nun mehr, bessere Auswahl hat, dass vielleicht die Qualität der landwirtschaftlichen Erzeugnisse besser wird, billiger wird es für den Verbraucher sicher nicht, oder?

    Dosch: Die Lebensmittelpreise sind bei uns heute schon auf einem Niveau angekommen, das es den landwirtschaftlichen Betrieben egal, ob konventionell oder ökologisch wirtschaftend, schwer mach, wirklich gute Qualität abzuliefern. Beim Biobereich ist ein Mindeststandard durch die EG-Ökoverordnung festgesetzt, nur muss man den Bertieben eine Chance geben. Man kann nicht von ihnen verlangen, Lebensmittel billiger zu verkaufen, als sie selbst an Kosten aufwenden müssen, um diese herzustellen.

    Spengler: Und wenn wir von billiger für den Steuerzahler ausgehen, also weniger Geld nach Brüssel werden wir auch nicht überweisen durch die Reform.

    Dosch: Das ist ganz interessant, es gibt das Instrument der sogenannten Modulation, das heißt also, Gelder, die an die Bauern bezahlt werden, werden noch mal gekürzt und einen bestimmten Prozentsatz. Dieses Geld kommt in einen Extratopf und soll für Umweltleistungen zur Verfügung gestellt werden. Hier war das Modell bisher so, dass dieses Geld europaweit verteilt wird. Künast hat es geschafft, dass 90 Prozent dieser Mittel in Deutschland bleiben. Auch das, denke ich, ist ein Erfolg, mit dem wir zunächst so nicht gerechnet hätten.

    Spengler: Wenn Sie das so positiv werten, das sehen Sie aber jetzt nicht nur für Ihre spezielle Klientel, nämlich die Biohöfe, sondern das sehen Sie auch für die konventionellen Bauern?

    Dosch: Ja, allerdings immer angesichts dessen, was uns sonst gedroht hätte. Was gelungen ist, sind die Ansprüche der alten Agrarlobby ein stückweit zurückzudrängen und zwar wirklich im Interesse und im Sinne der landwirtschaftlichen Betriebe, das muss man sehen. Wir hätten uns mehr vorstellen können, ganz kritisch ist es in der Tat im Milchsektor. Hier bekommen die Bauern Erzeugerpreise, die unter den Entstehungskosten liegen, das gilt für alle Betriebe. Das kann auf Dauer nicht gut gehen, die Konsequenz wäre, dass die Betriebe aufhören. Was Künast jetzt wiederum geschafft hat ist, nationalen Gestaltungsspielraum einzubauen. Sie hat die Möglichkeit, in Deutschland eine Grünlandprämie einzuführen, also wenn man möchte, dass Bauern auf Grünlandstandorten, wo nur Gras wächst und nichts anderes, weiterhin Kühe halten, dann kann man das auch wiederum honorieren über eine Grünlandprämie.

    Spengler: Alles zusammen, würden Sie sagen, das ist eine ökologische Wende, eine Agrarwende?

    Dosch: Es ist Teil davon, es ist aber wiederum der Ausgangspunkt für weitere Maßnahmen, nicht der Endpunkt.

    Spengler: Ich bedanke mich bei Thomas Dosch, er war im Studio, Bundesvorsitzender von Bioland.

    Link: Interview als RealAudio