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Wie geht es weiter mit der Telekom?

    Zagatta: Seit die Informationen über die Ablösung von Telekomchef Ron Sommer die Runde machen und die Namen potenzieller Nachfolger gehandelt werden, geht es mit der T-Aktie wieder etwas aufwärts. Dies alles kann aber nicht über den steilen Absturz hinwegtäuschen. Die T-Aktie hat eine ungeheure Talfahrt hinter sich. Millionen von Aktionären sind sauer, und über all das wollen wir nun mit Wolfgang Bötsch sprechen. Der CSU-Politiker hat unter Helmut Kohl als Post- und Telekommunikationsminister die Umwandlung des staatlichen Telefonbetriebes in eine Aktiengesellschaft bewerkstelligt, und ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Bötsch.

    Bötsch: Guten Morgen.

    Zagatta: Herr Bötsch, haben Sie Ihre eigenen Telekom-Aktien jetzt rechtzeitig verkauft, oder sitzen Sie auch noch auf diesen Verlustpapieren?

    Bötsch: Ich sitze auch drauf. Ich habe allerdings damals beim Einstieg keine Aktien gekauft. Rechtlich hätte ich das zwar gekonnt, aber ich war damals noch in der Rolle des Regulierers. Ich bin dann später zu einem noch höheren Kurs eingestiegen als der Einstiegskurs bei der Gründung der Telekom als Aktiengesellschaft gewesen ist.

    Zagatta: Aber die vielen, die damals gleich eingestiegen sind, ärgern sich heute gewaltig über ihren Verlust. Sie haben damals regelrecht dazu aufgerufen, die T-Aktie zu kaufen. Ist Ihnen das heute ein bisschen peinlich?

    Bötsch: Das ist mir nicht peinlich, weil das aus der damaligen Sicht sicherlich richtig war, zu sagen: wenn wir einen Staatsbetrieb privatisieren, dann wollen wir möglichst Streuaktien haben, das heißt auf möglichst breiter Basis. Ich gebe zu, dass es natürlich für viele ärgerlich ist - auch für mich als Privatmann - , dass die Aktie einen solchen Verlauf genommen hat.

    Zagatta: Haben Sie sich das vorstellen können, dass die T-Aktie derart auf Talfahrt geht?

    Bötsch: Um ehrlich zu sein, eigentlich nicht. Ich hatte erstens nicht damit gerechnet, dass sich der Aktienmarkt insgesamt in dieser Weise nach unten entwickelt wie er das getan hat - wir dürfen nicht vergessen, dass der DAX mal bei über 8000 Punkten lag und heute liegt er bei knapp über 4000 -, und insbesondere im Telekommunikationsbereich haben sicher alle unterschätzt, dass natürlich, wenn viele Teilnehmer auf den Markt kommen, die Margen und die Anteile der einzelnen Unternehmen am Markt natürlich sinken.

    Zagatta: Jetzt steht aber vor allem auch der Telekomchef, Ron Sommer, heftig in der Kritik. Sie haben, wenn man das so sagen darf, Ron Sommer als Telekomchef mit ausgesucht. Bleibt denn Sommer, nach all dieser Kritik und Demontage, die damit verbunden ist, überhaupt noch eine andere Wahl als zurückzutreten?

    Bötsch: Wissen Sie, ich bin der Meinung, dass das natürlich jetzt wohlfeil, es an einem Mann, nämlich am Vorstandsvorsitzenden, festzumachen. Ich gebe zu, dass er in erster Linie in der Verantwortung steht, und wie der Aktienmarkt da auf eine mögliche Ablösung reagiert hat, das hat man ja gesehen. Natürlich sucht man sich da in der Breite ein Bauernopfer, aber im übrigen bitte ich um Verständnis: So detailliert will ich mich zu der Person nicht äußern, weil - wie Sie richtig gesagt haben - ich damals an der Auswahl natürlich maßgeblich beteiligt war.

    Zagatta: Deshalb müsste man aber gerade Sie fragen können: War es damals vielleicht eine Fehlentscheidung?

    Bötsch: Fragen kann man schon, aber ich bitte um Verständnis, wenn ich jetzt nicht sage: Er soll zurücktreten oder abgelöst werden. Ich bin sowieso der Meinung, dass die Politik zwar Meinungen äußern kann, sich aber in der Handlung da sehr zurückhalten sollte. Wir haben damals die Auswahl des Aufsichtsrates so getroffen, dass wir bewusst die Politik da nur sehr wenig in den Aufsichtsrat geschickt haben. Wir haben damals eine Reihe an Leuten aus der Wirtschaft damals berufen, und so ist es ja auch heute noch.

    Zagatta: Das ist auch die Frage. Auf der einen Seite geht es um die Verantwortung von Ron Sommer, zum anderen eben um die Rolle der Politik und der Bundesregierung. Wie bewerten Sie denn, wie sich die Regierung im Moment oder auch in den zurückliegenden Monaten gegenüber der Telekom verhält?

    Bötsch: Ach, wissen Sie, im Augenblick ist es ja so: Es gibt Gerüchte, Eichel und Schröder hätten sich geeinigt, Ron Sommer abzulösen. Das ist gestern nun wieder dementiert worden. Ich bin der Meinung, dass die Politik nur zweierlei tun kann: Sie kann entweder sagen, wir privatisieren einen Betrieb. Dann muss ich aber auch den gewählten und berufenen Gremien überlassen, wie sie dann reagieren. Oder ich muss das Ganze als Staatsbetrieb führen. Ich bin immer noch der Meinung, dass es richtig war, die Privatisierung durchzuführen, weil im Grunde genommen nur in einem privatisierten Wettbewerb Marktteilnehmer da sind und der Verbraucher - ich rede jetzt nicht vom Akteininhaber - dann davon profitiert. Und der Verbraucher hat davon profitiert. Sie brauchen ja nur die Telekommunikationspreise heute mit denen von 1996 oder 1997 vergleichen.

    Zagatta: Reagiert die Bundesregierung also im Moment vollkommen richtig, da sie gestern erklärt hat, dass es ein Privatunternehmern sei und nicht ihre Entscheidung sei, den Chef abzulösen, das sei eine Geschichte des Aufsichtsrats.

    Bötsch: Es ist mit Sicherheit richtig, dass sich der Aufsichtsrat die Gedanken darüber zu machen hat, und die Bundesregierung ist in dem Aufsichtsrat - allerdings sehr wenig - vertreten. Darüber hinaus ist es nach dem Aktiengesetz so, dass der Anteilseigner - und das ist zu 43 Prozent, indirekt über die KfW eingerechnet, noch die Bundesregierung - sich da in seinen Aktionen sehr zurückhalten sollte.

    Zagatta: Jetzt fällt aber doch auf, dass Kanzler Schröder und auch Finanzminister Eichel in den zurückliegenden Tagen keine Ehrenerklärung für Sommer auf Rücktrittsforderungen mehr abgegeben haben. In der Vergangenheit haben sie das ja immer gemacht. Schadet das nicht dem Unternehmen auch schon?

    Bötsch: Entweder oder. Jetzt überhaupt nichts zu tun, das ist auch so eine Geschichte. Entweder oder. Der Bundeskanzler müsste dann schon ein Wort vielleicht in der einen oder anderen Richtung sagen. Sonst tut er das ja auch bei Themen, die seiner Meinung nach etwas populär sind.

    Zagatta: Hätte die Bundesregierung denn Möglichkeiten gehabt, zu verhindern, dass die Telekom in diese prekäre Lage gekommen ist, das heißt, hätte sie irgendwie eingreifen müssen, so wie das ein Teil der Aktionäre immer wieder gefordert hat?

    Bötsch: Das mit dem Eingreifen ist so eine Sache, aber mit Sicherheit liegt ein Casus knacksus in den hohen UMTS-Erlösen, die zwar für den Haushalt interessant waren - und Herr Eichel hat ja da nun etwas tun können, nämlich Schuldenabbau im allgemeinen -, aber da liegt im Grunde genommen der Anfang der Misere vor knapp zwei Jahren, dass hier fast 100 Milliarden erlöst worden sind. Ich bin der Meinung, dass die Versteigerung an sich richtig war, aber was da dann nach oben entwickelt wurde, das ist sicherlich nicht günstig für das Unternehmen und übrigens auch nicht für die übrigen Teilnehmer am Markt gewesen.

    Zagatta: Was sagen Sie denn jetzt den Millionen enttäuschten Aktionären, die sagen, dass der Bund immerhin noch 43 Prozent der Aktien besitzt und sich da doch einmischen müsste?

    Bötsch: Das ist der Unterschied zwischen dem Aktiengesetz und dem, was politisch im Parlament entschieden wird. Ich muss noch mal sagen: Man kann das nicht alles in der gleichen Form, als sei das noch ein Staatsunternehmen machen. Es ist eine privatisierte Aktiengesellschaft, und da kann eben nur nach den Möglichkeiten des Aktiengesetzes vorgegangen werden.

    Zagatta: Herr Bötsch, hinterher ist man immer schlauer, aber wenn man das jetzt im nachhinein betrachtet: War das der richtige Weg, die Telekom mit einem so großen Aktienanteil in staatlicher Hand so zu privatisieren, denn wenn man das aus Sicht der Allgemeinheit betrachtet, dann ist dem Staat jetzt ungeheurer finanzieller Verlust zugefügt worden?

    Bötsch: Ja, selbstverständlich, und zwar weil die Aktie, die der Staat hält, natürlich auch nach unten gefahren wurde. Aber ich weiß nicht, wie man das sonst hätte machen sollen, wenn man einen Betrieb privatisiert. Mit Sicherheit ist auch der eine oder andere strategische Fehler, vielleicht auch bei der Internationalisierung, gemacht worden. Das will ich jetzt nicht abschließend bewerten. Aber ich weiß nicht, welcher anderer Weg hätte gegangen werden können. Ich habe auch noch nichts gehört. Es wird nur Kritik geübt, aber wie man es hätte machen sollen, das wird wenig in der Öffentlichkeit kundgetan.

    Zagatta: Was machen Sie jetzt mit Ihren Telekomaktien?

    Bötsch: Ich halte sie noch und hoffe, dass es vielleicht doch wieder etwas nach oben geht.

    Zagatta: Und das raten Sie anderen auch?

    Bötsch: Das würde ich auch raten, ja.

    Zagatta: Wolfgang Bötsch war das, der frühere Post- und Telekommunikationsminister. Herr Bötsch, ich bedanke mich für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio