Althaus: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Althaus, wir haben die deutlichen Worte von Edmund Stoiber eben gehört. Sind Sie denn froh darüber, dass die Sozialdemokratisierung der Union jetzt zu Ende ist?
Althaus: Ich finde diesen Begriff von Friedrich Merz ziemlich unglücklich, auch falsch, denn das, was in den Sozialsystemen in den letzten Jahrzehnten aufgebaut worden ist, war eine maßgerechte Antwort auf die Situation in Deutschland und auch zum sozialen Ausgleich für soziale Sicherung. Jetzt haben wir nur eine andere Situation, deshalb muss man in neuen Situationen neue Antworten finden und ich glaube, die Union legt mit dem Herzog-Papier neue Antworten vor.
Müller: Das heißt die Union hat in den vergangenen Jahrzehnten das Sozialsystem ja unter anderem so mit aufgebaut, dass es jetzt radikal gekürzt werden muss?
Althaus: Nein, das ist ja nicht der Fall. Wenn man ins Detail schaut, geht es in zwei der vier Bereichen um einen Systemumbau, übrigens mittelfristig, nicht kurzfristig. Und in den anderen beiden Bereichen, in Rente und Arbeitslosenversicherung geht es um eine Veränderung im System. Das ist also kein radikaler Umbau, das ist schlicht neue Weichenstellung, um dauerhaft auch noch in zwanzig, dreißig Jahren soziale Sicherung zu haben, wenn wir das jetzt nicht tun, dann werden wir die Systeme an die Wand fahren und das ist weder sozial noch gerecht.
Müller: Also, Herr Althaus, es ist nicht so radikal, wie es teilweise dann dargestellt wird in den Medien. Warum hat Edmund Stoiber denn das nicht begriffen?
Althaus: Nein, Edmund Stoiber hat im Detail andere Auffassungen, ein Bereich ist die Krankenversicherung. Ich glaube, nachdem ich mich intensiv mit den Dingen beschäftigt habe, dass wir im System keine erfolgreiche Reform hinbekommen. Und ich bin sehr gespannt, was die CSU vorlegen wird. Denn natürlich ist auch im System eine Veränderung durchgerechnet worden durch die Experten in der Herzog-Kommission und es zeigt sich sehr genau, dass wir in den nächsten zwanzig, dreißig Jahren keine deutliche Entlastung bekommen, sondern wir eine Überlastung bekommen, dazu sind noch gar nicht die neuen medizinischen Möglichkeiten gerechnet. Ich glaube also, wir sollten bewerten, wenn ein Konzept vorliegt und uns nicht nur durch Überschriften in den Streit begeben.
Müller: Aber der bayerische Ministerpräsident ist damit völlig auf dem Holzweg?
Althaus: Nein, das weiß ich nicht. Ich höre immer nur, dass im System eine Reform möglich ist ...
Müller ... sagt er.
Althaus ... ich glaube das nicht und deswegen warte ich darauf, dass er ein Konzept vorlegt. Die Überschrift allein ist noch kein Konzept.
Müller: Haben Sie denn das Gefühl, dass die sozialpolitische Komponente, die ja auch immer wieder die Union ausgezeichnet hat, und viele haben auch immer darauf bestanden, dass diese Note ja nun akzentuiert wird von der Union, dass die nicht zu kurz kommt?
Althaus: Nein, auf gar keinen Fall, da muss man ins Detail gehen. Was ist denn sozial? Sozial ist, wenn auch zukünftig zum Beispiel alles, was medizinisch notwendig ist, für alle, egal wie alt, egal welches Geschlecht, egal welcher Gesundheitszustand oder welche finanzielle Leistungsfähigkeit, möglich wird. Das ist im Moment nicht gegeben. Und wenn wir nicht reformieren, wird es in Zukunft auch nicht mehr gegeben sein. Und dass man, um einen Sozialausgleich zu erreichen, dann diejenigen, die die eigenen Leistungen nicht umfassend erbringen können, steuerlich subventioniert, ist sozial. Wie sonst, wenn nicht durch das Steuersystem will man einen vernünftigen Sozialausgleich zukünftig erreichen und, das muss man deutlich sagen, in diesem Sozialausgleich zahlen selbstverständlich die Besserverdienenden mehr, denn sie sind auch im Steuersystem stärker beansprucht.
Müller: Kommen wir doch bei der Kopfpauschale noch einmal zum Punkt, Herr Althaus: Entlastung für die Reicheren, das hat Edmund Stoiber eben auch gesagt, Belastung für die Ärmeren. Ist das sozial?
Althaus: Nein, das ist mit einem Auge nur geschaut. Natürlich, Prämienmodell bringt erst einmal eine Gleichbehandlung, das ist richtig, weil wir wollen, dass zukünftig die Preise von Leistungen auch entsprechend sichtbar werden, das ist im Moment ebenfalls nicht der Fall. Wir brauchen Transparenz, um auch Wettbewerb zu organisieren im System. Und zweitens soll doch dann der soziale Ausgleich über Steuern erfolgen, natürlich kann man noch darüber diskutieren, ob das der richtige Weg ist, oder ob man beim Prämienmodell differenziert. Dazu denke ich, besteht die Möglichkeit in den nächsten Wochen, aber dann muss man auch wirklich mit einem konkreten Gegenkonzept kommen und nicht nur sagen, dass wäre unsozial. Ich glaube, unsozial ist wirklich, wenn man die Augen verschließt davor, dass diese Krankenversicherungsordnung, wie sie derzeit in Deutschland besteht und auch wie sie derzeit reformiert wird, überhaupt nicht zukunftsfähig ist. Wir würden in den nächsten Jahren den jungen Menschen ein kaputtes System übergeben und das ist eine unverantwortliche Handlung für Politiker.
Müller: Sie sagen, Herr Althaus, es ist nicht ungerecht, beziehungsweise sozial gerecht verteilt. Reden wir dann zumindest über eine Zahl, die bekannt ist: 264 Euro wird da genannt als Prämie sozusagen, als Beitrag für die Krankenkasse, als Kopfpauschale. Da fällt doch schon auf, dass viele Besserverdienende heute definitiv mehr einzahlen, das heißt die werden doch dann entlastet?
Althaus: Ja, aber über die Steuer wieder mehr belastet ...
Müller: .... aber die Steuer müssen sie ohnehin auch jetzt bezahlen und bezahlen ohnehin auch jetzt schon höhere Steuern. Wollen Sie dann die Steuern erhöhen, um das auszugleichen?
Althaus: Ich sage mal sehr deutlich, in dem jetzt vorhandenen Steuersystem, in dem Dickicht, in dem wir uns befinden ist überhaupt keine Kompensation möglich. Wir haben jetzt schon ein vollkommen überlastetes Steuersystem, wir brauchen natürlich auch die Reform im Steuerrecht, das ist doch vollkommen klar. Das macht doch die Union parallel, diese Debatte. Und insofern darf man nicht so tun, als wenn dieses System morgen greifen soll. Wir gehen hier in eine Dimension, die nach dem Jahr 2010 erst langsam dann auch in der Wirklichkeit greift. Das heißt, natürlich ist parallel zur Sozialstaatsreform auch die Steuerreform notwendig. Wir diskutieren seit Wochen darüber, dass wir in Deutschland das Steuerdickicht verlassen wollen, ein transparentes, gerechteres, das heißt auch für Einkommensstarke belastendes Steuersystem entwickeln müssen und beides gehört natürlich zusammen.
Müller: Um da noch einmal nachzuhaken, Herr Althaus, viele werden ja jetzt die Ohren spitzen. Das heißt, dass die besseren Einkommen in Zukunft steuerlich höher belastet werden?
Althaus: Was haben wir denn derzeit? Derzeit haben wir eine ganze Reihe von Schlupflöchern in Deutschland, wir haben große Unternehmen, die keine Steuern bezahlen, wir haben, wer sich gut auskennt, Möglichkeiten, sich aus dem Steuerzahlen herauszuwinden, indem man möglichst gut im Steuerrecht Schlupflöcher sucht. Nein, ich glaube, wir müssen ein Steuerrecht haben, das wieder transparent ist, das auch deutlich macht, dass jeder zur Steuer herangezogen wird, wenn er ein bestimmtes Einkommen sichert und das entsprechende Familienkomponenten enthält. Alles drei Ziele, die die Union ja verfolgt und ich glaube, das ist eine genauso wichtige Aufgabe, wie die Aufgabe, den Sozialstaat zu reformieren.
Müller: Aber das, was bis jetzt bekannt ist in punkto Steuerreform, unter anderem wird das ja von Friedrich Merz in wenigen Wochen vorgestellt, da ist doch auch die Rede davon, dass auch die Besserverdienenden und auch die höhere Mittelschicht von den Steuern entlastet wird. Dazu ja die Steuerreform.
Althaus: Na ja gut. Entlastung auf der einen Seite heißt nicht, dass automatisch weniger Steuern gezahlt werden. Ich sage noch einmal, dass zur Zeit existierende Steuerrecht entlastet nicht die Besserverdienenden, sondern es bringt eine ungleiche Belastung und viele Schlupflöcher, die nicht wirklich vernünftig sind. Also, das neue Steuerrecht, wenn es denn kommen würde, ob die Konzeption von Friedrich Merz oder eher die von Professor Kirchhoff, wird eine stärkere Gerechtigkeitskomponente enthalten. Und ich glaube, wir müssen auch etwas für den Wettbewerbsstandort in Deutschland tun. Und das können wir nur, indem wir auch entsprechende international gültige Steuersysteme haben, die auch unseren Wettbewerbsstandort bevorzugen. Wir wollen doch, dass die Menschen hier bleiben, dass die hier etwas unternehmen, hier auch ihr Einkommen realisieren, nur dann sind sie auch Steuerzahler in Deutschland. Wir leben doch nicht im luftleeren Raum und auch nicht in einem abgeschlossenen System, wir haben doch Nachbarn, bei denen ebenfalls gehandelt wird. Und ich will gerne, dass die, die viel verdienen auch in diesem Land bleiben und hier etwas unternehmen, weil nur dann der soziale Ausgleich dauerhaft gelingt.
Müller: Herr Althaus, wir haben mit einem Zitat von Friedrich Merz begonnen, damit wollen wir auch das Interview abschließen. Friedrich Merz hat gesagt, das Kopfpauschalenmodell ist gerecht, weil Pförtner und Firmenchefs das gleiche Krankheitsrisiko tragen, stimmen Sie da zu?
Althaus: Das ist ein schwieriger Satz. Natürlich, mit dem gleichen Krankheitsrisiko stimme ich ihm hundert Prozent zu. Sozial gerecht ist es, weil es uns gelingt, dass wir über einen steuerlichen Ausgleich soziale Härten abfedern können und es muss jeder zu den Leistungen kommen, die notwendig sind. Und insofern ist Gerechtigkeit im Ergebnis vorhanden.
Müller: Dieter Althaus war das, Ministerpräsident von Thüringen, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Erfurt.
Althaus: Auf Wiederhören.
Müller: Herr Althaus, wir haben die deutlichen Worte von Edmund Stoiber eben gehört. Sind Sie denn froh darüber, dass die Sozialdemokratisierung der Union jetzt zu Ende ist?
Althaus: Ich finde diesen Begriff von Friedrich Merz ziemlich unglücklich, auch falsch, denn das, was in den Sozialsystemen in den letzten Jahrzehnten aufgebaut worden ist, war eine maßgerechte Antwort auf die Situation in Deutschland und auch zum sozialen Ausgleich für soziale Sicherung. Jetzt haben wir nur eine andere Situation, deshalb muss man in neuen Situationen neue Antworten finden und ich glaube, die Union legt mit dem Herzog-Papier neue Antworten vor.
Müller: Das heißt die Union hat in den vergangenen Jahrzehnten das Sozialsystem ja unter anderem so mit aufgebaut, dass es jetzt radikal gekürzt werden muss?
Althaus: Nein, das ist ja nicht der Fall. Wenn man ins Detail schaut, geht es in zwei der vier Bereichen um einen Systemumbau, übrigens mittelfristig, nicht kurzfristig. Und in den anderen beiden Bereichen, in Rente und Arbeitslosenversicherung geht es um eine Veränderung im System. Das ist also kein radikaler Umbau, das ist schlicht neue Weichenstellung, um dauerhaft auch noch in zwanzig, dreißig Jahren soziale Sicherung zu haben, wenn wir das jetzt nicht tun, dann werden wir die Systeme an die Wand fahren und das ist weder sozial noch gerecht.
Müller: Also, Herr Althaus, es ist nicht so radikal, wie es teilweise dann dargestellt wird in den Medien. Warum hat Edmund Stoiber denn das nicht begriffen?
Althaus: Nein, Edmund Stoiber hat im Detail andere Auffassungen, ein Bereich ist die Krankenversicherung. Ich glaube, nachdem ich mich intensiv mit den Dingen beschäftigt habe, dass wir im System keine erfolgreiche Reform hinbekommen. Und ich bin sehr gespannt, was die CSU vorlegen wird. Denn natürlich ist auch im System eine Veränderung durchgerechnet worden durch die Experten in der Herzog-Kommission und es zeigt sich sehr genau, dass wir in den nächsten zwanzig, dreißig Jahren keine deutliche Entlastung bekommen, sondern wir eine Überlastung bekommen, dazu sind noch gar nicht die neuen medizinischen Möglichkeiten gerechnet. Ich glaube also, wir sollten bewerten, wenn ein Konzept vorliegt und uns nicht nur durch Überschriften in den Streit begeben.
Müller: Aber der bayerische Ministerpräsident ist damit völlig auf dem Holzweg?
Althaus: Nein, das weiß ich nicht. Ich höre immer nur, dass im System eine Reform möglich ist ...
Müller ... sagt er.
Althaus ... ich glaube das nicht und deswegen warte ich darauf, dass er ein Konzept vorlegt. Die Überschrift allein ist noch kein Konzept.
Müller: Haben Sie denn das Gefühl, dass die sozialpolitische Komponente, die ja auch immer wieder die Union ausgezeichnet hat, und viele haben auch immer darauf bestanden, dass diese Note ja nun akzentuiert wird von der Union, dass die nicht zu kurz kommt?
Althaus: Nein, auf gar keinen Fall, da muss man ins Detail gehen. Was ist denn sozial? Sozial ist, wenn auch zukünftig zum Beispiel alles, was medizinisch notwendig ist, für alle, egal wie alt, egal welches Geschlecht, egal welcher Gesundheitszustand oder welche finanzielle Leistungsfähigkeit, möglich wird. Das ist im Moment nicht gegeben. Und wenn wir nicht reformieren, wird es in Zukunft auch nicht mehr gegeben sein. Und dass man, um einen Sozialausgleich zu erreichen, dann diejenigen, die die eigenen Leistungen nicht umfassend erbringen können, steuerlich subventioniert, ist sozial. Wie sonst, wenn nicht durch das Steuersystem will man einen vernünftigen Sozialausgleich zukünftig erreichen und, das muss man deutlich sagen, in diesem Sozialausgleich zahlen selbstverständlich die Besserverdienenden mehr, denn sie sind auch im Steuersystem stärker beansprucht.
Müller: Kommen wir doch bei der Kopfpauschale noch einmal zum Punkt, Herr Althaus: Entlastung für die Reicheren, das hat Edmund Stoiber eben auch gesagt, Belastung für die Ärmeren. Ist das sozial?
Althaus: Nein, das ist mit einem Auge nur geschaut. Natürlich, Prämienmodell bringt erst einmal eine Gleichbehandlung, das ist richtig, weil wir wollen, dass zukünftig die Preise von Leistungen auch entsprechend sichtbar werden, das ist im Moment ebenfalls nicht der Fall. Wir brauchen Transparenz, um auch Wettbewerb zu organisieren im System. Und zweitens soll doch dann der soziale Ausgleich über Steuern erfolgen, natürlich kann man noch darüber diskutieren, ob das der richtige Weg ist, oder ob man beim Prämienmodell differenziert. Dazu denke ich, besteht die Möglichkeit in den nächsten Wochen, aber dann muss man auch wirklich mit einem konkreten Gegenkonzept kommen und nicht nur sagen, dass wäre unsozial. Ich glaube, unsozial ist wirklich, wenn man die Augen verschließt davor, dass diese Krankenversicherungsordnung, wie sie derzeit in Deutschland besteht und auch wie sie derzeit reformiert wird, überhaupt nicht zukunftsfähig ist. Wir würden in den nächsten Jahren den jungen Menschen ein kaputtes System übergeben und das ist eine unverantwortliche Handlung für Politiker.
Müller: Sie sagen, Herr Althaus, es ist nicht ungerecht, beziehungsweise sozial gerecht verteilt. Reden wir dann zumindest über eine Zahl, die bekannt ist: 264 Euro wird da genannt als Prämie sozusagen, als Beitrag für die Krankenkasse, als Kopfpauschale. Da fällt doch schon auf, dass viele Besserverdienende heute definitiv mehr einzahlen, das heißt die werden doch dann entlastet?
Althaus: Ja, aber über die Steuer wieder mehr belastet ...
Müller: .... aber die Steuer müssen sie ohnehin auch jetzt bezahlen und bezahlen ohnehin auch jetzt schon höhere Steuern. Wollen Sie dann die Steuern erhöhen, um das auszugleichen?
Althaus: Ich sage mal sehr deutlich, in dem jetzt vorhandenen Steuersystem, in dem Dickicht, in dem wir uns befinden ist überhaupt keine Kompensation möglich. Wir haben jetzt schon ein vollkommen überlastetes Steuersystem, wir brauchen natürlich auch die Reform im Steuerrecht, das ist doch vollkommen klar. Das macht doch die Union parallel, diese Debatte. Und insofern darf man nicht so tun, als wenn dieses System morgen greifen soll. Wir gehen hier in eine Dimension, die nach dem Jahr 2010 erst langsam dann auch in der Wirklichkeit greift. Das heißt, natürlich ist parallel zur Sozialstaatsreform auch die Steuerreform notwendig. Wir diskutieren seit Wochen darüber, dass wir in Deutschland das Steuerdickicht verlassen wollen, ein transparentes, gerechteres, das heißt auch für Einkommensstarke belastendes Steuersystem entwickeln müssen und beides gehört natürlich zusammen.
Müller: Um da noch einmal nachzuhaken, Herr Althaus, viele werden ja jetzt die Ohren spitzen. Das heißt, dass die besseren Einkommen in Zukunft steuerlich höher belastet werden?
Althaus: Was haben wir denn derzeit? Derzeit haben wir eine ganze Reihe von Schlupflöchern in Deutschland, wir haben große Unternehmen, die keine Steuern bezahlen, wir haben, wer sich gut auskennt, Möglichkeiten, sich aus dem Steuerzahlen herauszuwinden, indem man möglichst gut im Steuerrecht Schlupflöcher sucht. Nein, ich glaube, wir müssen ein Steuerrecht haben, das wieder transparent ist, das auch deutlich macht, dass jeder zur Steuer herangezogen wird, wenn er ein bestimmtes Einkommen sichert und das entsprechende Familienkomponenten enthält. Alles drei Ziele, die die Union ja verfolgt und ich glaube, das ist eine genauso wichtige Aufgabe, wie die Aufgabe, den Sozialstaat zu reformieren.
Müller: Aber das, was bis jetzt bekannt ist in punkto Steuerreform, unter anderem wird das ja von Friedrich Merz in wenigen Wochen vorgestellt, da ist doch auch die Rede davon, dass auch die Besserverdienenden und auch die höhere Mittelschicht von den Steuern entlastet wird. Dazu ja die Steuerreform.
Althaus: Na ja gut. Entlastung auf der einen Seite heißt nicht, dass automatisch weniger Steuern gezahlt werden. Ich sage noch einmal, dass zur Zeit existierende Steuerrecht entlastet nicht die Besserverdienenden, sondern es bringt eine ungleiche Belastung und viele Schlupflöcher, die nicht wirklich vernünftig sind. Also, das neue Steuerrecht, wenn es denn kommen würde, ob die Konzeption von Friedrich Merz oder eher die von Professor Kirchhoff, wird eine stärkere Gerechtigkeitskomponente enthalten. Und ich glaube, wir müssen auch etwas für den Wettbewerbsstandort in Deutschland tun. Und das können wir nur, indem wir auch entsprechende international gültige Steuersysteme haben, die auch unseren Wettbewerbsstandort bevorzugen. Wir wollen doch, dass die Menschen hier bleiben, dass die hier etwas unternehmen, hier auch ihr Einkommen realisieren, nur dann sind sie auch Steuerzahler in Deutschland. Wir leben doch nicht im luftleeren Raum und auch nicht in einem abgeschlossenen System, wir haben doch Nachbarn, bei denen ebenfalls gehandelt wird. Und ich will gerne, dass die, die viel verdienen auch in diesem Land bleiben und hier etwas unternehmen, weil nur dann der soziale Ausgleich dauerhaft gelingt.
Müller: Herr Althaus, wir haben mit einem Zitat von Friedrich Merz begonnen, damit wollen wir auch das Interview abschließen. Friedrich Merz hat gesagt, das Kopfpauschalenmodell ist gerecht, weil Pförtner und Firmenchefs das gleiche Krankheitsrisiko tragen, stimmen Sie da zu?
Althaus: Das ist ein schwieriger Satz. Natürlich, mit dem gleichen Krankheitsrisiko stimme ich ihm hundert Prozent zu. Sozial gerecht ist es, weil es uns gelingt, dass wir über einen steuerlichen Ausgleich soziale Härten abfedern können und es muss jeder zu den Leistungen kommen, die notwendig sind. Und insofern ist Gerechtigkeit im Ergebnis vorhanden.
Müller: Dieter Althaus war das, Ministerpräsident von Thüringen, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Erfurt.
Althaus: Auf Wiederhören.