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Wie gut ist die Ausrüstung der Truppe?

Müller: Es hat gleich nach dem Unglück heftige Kritik auch aus Teilen der Opposition geben. Wir haben es eben auch bei der Reportage aus Rheine gehört. Da steht der Vorwurf von altem Material für die Bundeswehrsoldaten vor Ort in Afghanistan zur Diskussion. Sie sind Mittwoch aus Afghanistan aus Kabul zurückgekehrt. Ist da etwas dran?

    Clement: Also, dass diese CH-53, um die es hier geht, ein altes Gerät ist, das ist bekannt. Die werden schon seit 30 Jahren in der Bundeswehr geflogen, aber sie werden immer wieder modernisiert. Lebenszeitverlängerung nennt man das bei der Bundeswehr. Da werden also neue technische Errungenschaften eingebaut. Ich habe bei dem Kommandowechsel, der letzte Woche stattfand, mit dem scheidenden Kommandeur, dem Brigadegeneral, Manfred Schlenker, auch über die Frage der Ausrüstung seiner Truppe gesprochen. Ich habe ihm auch vor dem Vorhalt der innenpolitischen Diskussion um den Zustand der Bundeswehr gefragt, wie es denn mit der Ausrüstung dort sei. Er sagte dazu:

    Schlenker: Ich habe eigentlich alles, was ich für den Einsatz brauche. Ich bin ja mit einem Drittel der Kräfte aus meinen eigenen Brigade in diesen Einsatz gegangen und von daher weiß ich, dass ich dort über alles verfüge, was ich brauche. Deshalb kann ich nur feststellen, dass ich all die Ausrüstung und Ausstattung habe, die ich benötige. Insofern sind da alle Wünsche offen geblieben.

    Clement: Ich habe mit den Heeresfliegern dort sprechen können. Die Heeresflieger haben drei von diesen Flugzeugtypen dort. Davon fliegen aber immer nur zwei bzw. sind geflogen. Eine Maschine war immer in der Wartung. Damit wird auch den veränderten klimatischen Bedingungen vor Ort Rechnung getragen. Die Frage des Zustandes des Flugzeuges hat ihnen keine Sorge gemacht. Ihnen hat vielmehr die Tatsache Sorgen gemacht, dass der Auftrag riskant ist. Sie müssen in einem Radius von 25 Kilometer um Kabul herum Erkundungsflüge machen, um festzustellen, ob sich dort irgendwelche Gruppen zusammenrotten. Das sind zum Beispiel Taliban-Gruppen oder andere versprengte Milizen. Sie hatten auch immer vor den Flugabwehrraketen Angst, die die möglicherweise haben. Sie haben großes Vertrauen in ihr Material gehabt. Sie haben auch, nach dem was wir beobachten konnten, die Wartungsintervalle dort so gestaltet, dass es den klimatischen Bedingungen angemessen ist.

    Müller: Heißt das, dass es nur gutes Material für diejenigen gibt, die im Auslandseinsatz sind?

    Clement: So ist es. Man muss auch da schon unterscheiden. Denn Afghanistan bekommt zur Zeit innerhalb der Bundeswehr natürlich das Beste vom Besten, was die Bundeswehr hat. Auf dem Balken, in den Einsätzen in Bosnien, im Kosovo und in Mazedonien hört man schon mal, dass es da bereits Materialmängel gibt. Über die Materiallage des Gerätes, was hier zu Hause bei den Truppen bleibt, wird ja schon seit langem sehr heftig drüber diskutiert. Das wird auch zu recht diskutiert. Da ist vieles veraltet, vieles im Argen. Da ist vieles auch nicht mehr brauchbar. Aber das nehmen die eben auch nicht mit in die Auslandseinsätze, vor allen Dingen nicht mit nach Afghanistan. Deswegen finde ich die Diskussion, die gerade über den Afghanistan-Einsatz geführt wird, nicht besonders fair. Der ehemalige Verteidigungsminister Rühe hat das ja heute Morgen bei uns auf dem Sender auch ein bisschen gerade gerückt. Ein politische Diskussion verbietet sich meiner Meinung nach auch deswegen, weil die Beschaffung eines Hubschraubers natürlich auch länger als vier Jahre insgesamt dauert. Insofern sitzen da alle im Boot mit drin.

    Müller: Blicken wir, vielleicht losgelöst von dem aktuellen Ereignis, nach vorne. Es gibt Materialdefizite bei der Bundeswehr insgesamt. Die Ausnahme sind die Auslandseinsätze. Aber selbst da haben Sie einige Einschränkungen gemacht. Nun hat Peter Struck vor wenigen Wochen ja ein radikales Sparpaket vorgelegt. Heißt das, dass sich die Materialsituation für die Bundeswehr in den nächsten Jahren nicht wesentlich verbessern wird?

    Clement: Es wird sich nichts wesentlich ändern, solange sich nichts im Haushalt tut. Es hat ja selber gesagt, dass das, was er da vorgeschlagen hat, an ersten Schritten für die Haushaltsentwicklung des nächsten Jahres und auch für die der darauffolgenden zwei bis drei Jahre eher marginal ist. Die Reduzierungen, die er gemacht hat, greifen erst dann, wenn die Beschaffungen zulaufen. Das ist ab 2006, 2008 und 2010. Bis dahin ist der Rahmen immer noch sehr eng. Wenn die Bundesregierung nicht bereit ist, mehr Geld dafür auszugeben, wird das so bleiben. Aber das ist eine politische Prioritätensetzung. Ich sage immer, wenn man die Bundeswehr stärker in das Ausland schickt und zu einem Instrument der deutschen Außenpolitik macht, dann muss man sie auch entsprechend ausrüsten, sonst darf man sie nicht schicken. Losgelöst von diesem Unfall und mit Blick auf Afghanistan habe ich da aus meinen Erkenntnissen und meinem Wissen im Moment noch keine Bedenken. Es beginnt aber, auf dem Balkan zu bröckeln. Wenn noch etwas anderes hinzukommen sollte, dann ist die Bundeswehr materiell nicht mehr in der Lage, so etwas noch zu gewährleisten, wenn sie nicht irgendwo anders Aufträge abgibt.

    Müller: Das heißt, um das politisch noch einmal zusammen zu fassen: Mit Blick auf die personelle und materielle Lage ist jetzt bei Auslandseinsätzen das Ende der Fahnenstange erreicht.

    Clement: Das Ende ist absolut erreicht. Wenn wir jetzt hören, dass die Amerikaner zum Schutz ihrer Objekte in Deutschland wegen eines möglichen Irak-Krieges im Februar rund 2000 Bundeswehrsoldaten angefordert haben. Da möchte ich gerne mal wissen, wie das noch geleistet werden kann. Hier sind wir wirklich an eine Grenze angekommen. Auch das Personal blutet irgendwann einmal aus. Sie können nicht permanent in solche Einsätze gehen. Bei den Heeresfliegern dauern die Einsätze ungefähr zwei Monate, dann wird ausgetauscht. Die anderen brauchen in der Regel sechs Monate für einen Auslandseinsatz. Es wurde immer gesagt, dass man nach den sechs Monaten zwei Jahre zu Hause sei und nicht in einen neuen Einsatz geschickt werde. Das ist aber bei den meisten Funktionen, die dort gebraucht werden, gar nicht durchzuhalten. Insofern geht es auch an die Substanz von den Soldaten, sowohl psychisch als auch physisch, im Verhältnis zu ihrer Familie und zu ihrem Freundesumfeld. All das ist ein großes Problem für die Bundeswehr in den nächsten Jahren.