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Wie hoch sind die Hochwasserschäden für die Landwirtschaft?

Heinlein: Besonders dramatisch, wie gehört, die Situation in der sächsischen Stadt Grimma. Dort begrüße ich jetzt am Telefon Wolfgang Vogel vom sächsischen Bauernverband. Ich grüße Sie, guten Tag.

    Vogel: Schönen guten Tag.

    Heinlein: Herr Heinlein, wenn Sie hören: Millionenhilfen aus Berlin - macht Ihnen das Mut?

    Vogel: Ja, das macht zumindest erstmal dahingehend Mut, dass wir nicht alleine gelassen werden. Das ist erstmal viel wert und das war in den letzten Jahren nicht ganz so. Wir haben ja nun eigentlich seit vergangenem Mittwoch langanhaltende Niederschläge. Meine Felder grenzen unmittelbar an die Stadt Grimma an und da haben wir über 200 Liter Wasser und haben eigentlich schon am Wochenende auf die komplizierte Situation für uns als Landwirte aufmerksam gemacht. Und da wussten wir noch nicht, was hier mit dem Hochwasser passiert. Wir hatten uns schon ein bisschen alleine gefühlt aber ich denke schon, dass das jetzt das richtige Signal zur richtigen Zeit ist.

    Heinlein: Das ist ein Vorwurf, der ganz klar an die Landesregierung geht, an die Behörden dort, die die Situation aus Ihrer Sicht nicht genügend eingeschätzt haben?

    Vogel: Ja, das muss ich so formulieren.

    Heinlein: Was hat denn gefehlt an konkreter Hilfe?

    Vogel: Es ging darum, dass durch die langen Niederschläge bei den Bauern in unserer Region die Qualitäten beeinträchtigt wurden: was normalerweise Brotweizen ist, wurde zu Futterweizen und das sind für uns pro Dezitonne Einbußen von drei bis fünf Euro. Wenn Sie davon ausgehen, dass wir noch circa 43 Prozent weniger ernten als im vergangenen Jahr, dann sind das Erlösausfälle für eine ganze Reihe von Betrieben von nahezu 50 Prozent und da gibt es natürlich echte Liquiditätsprobleme, die der eine oder andere noch gar nicht so richtig erkennt.

    Heinlein: Das ist aber eine Forderung, die jetzt im Nachklang kommt. Was hätten den Ministerpräsident Milbradt und seine Behörden im Vorfeld tun können um die Dramatik der Situation ein wenig zu mildern?

    Vogel: Ich denke mal, den Vorwurf an den Ministerpräsidenten möchte ich von der Seite aus gar nicht tun. Ich muss von meiner Seite aus sagen, dass ich mich dahingehend alleinegelassen fühle, dass die staatlichen Ämter bis hin zum Ministerium nicht vor Ort gekommen sind, man sich nicht mit uns als Bauern unterhalten hat, was man tun kann; selbst im Vorfeld zu sagen, dass wir das Getreide zu 17, 18, 19 Prozent trocknen müssen: hier schnell über Hilfen für Trocknungshilfen oder Unterstützung nachzudenken, da kam gar nichts.

    Heinlein: Sie haben es gesagt, Sie sind selber Landwirt in Grimma, wie ist denn die aktuelle Situation vor Ort zur Stunde?

    Vogel: Bei uns im Unternehmen haben wir noch rund 700 Hektar Winterweizen im Feld stehen, das ist für uns an für sich die Haupterwerbs- oder Einnahmequelle. Wir haben lange Jahre Mittelernten von 65 Dezitonnen, von denen ich im Moment weit entfernt bin. Wenn ich Glück habe, ernte ich 40. Die Felder stehen alle unter Wasser, das Getreide liegt zu 90 Prozent im Dreck, wo es kompliziert wird, das Getreide a) zu bergen und b) dadurch, dass der Boden wie gesagt, absolut übernässt ist und übersättigt ist mit Wasser, kommen wir selbst bei schönstem Wetter und viel Wind vor Montag oder Dienstag gar nicht dazu, zu dreschen.

    Heinlein: Ihr Bundesverband, Herr Vogel, hat heute die bundesweiten Schäden durch die Unwetter auf eine Milliarde Euro geschätzt. Angesichts der Zahlen, die Sie gerade genannt haben: wie groß sind denn die Schäden alleine bei Ihnen in Sachsen?

    Vogel: Da sind wir jetzt momentan dabei, gemeinsam mit unserem Ministerium für Landwirtschaft diese Schäden hochzurechnen. Wenn Sie von folgendem ausgehen, kann man eine einfache Rechnung machen: wir haben noch 60 Prozent des Weizens im Felde stehen, bei 60 Dezitonnen, wir haben 172000 Hektar Weizen, 60 Prozent stehen noch draußen, sagen wir rund 120000 Hektar mal sechs Tonnen, dann liegen wir irgendwo bei 720000 Tonnen, die noch geerntet werden müssen und wenn wir das mal fünf Euro nehmen, was wir an Verlusten haben, ergibt sich hier eine Zahl, die irgendwo bei 35 bis 40 Millionen Euro liegt erstmal nur aus dem Weizen heraus.

    Heinlein: Ist die Hilfe, die hier aus Berlin kommt, nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

    Vogel: Zumindest hilft es und man hat erstmal bestimmte Engpässe zu überwinden und dann müssen wir uns einfach hinsetzen, darüber nachdenken und diskutieren, inwieweit bestimmte Steuervorauszahlungen, deswegen begrüße ich auch das, was vorher genannt worden ist, dass hier uns die Finanzämter entgegenkommen sollen und ich hoffe auch, dass sie das machen und bis dahin haben wir darüber nachzudenken und das ist auch eine Forderung, die wir gegenüber der Politik haben, dass die Ausgleichszahlungen, die wir irgendwann im Dezember bekommen, eventuell vorgezogen werden können dass mit einem Wort den Landwirten über diese schlimme Situation hinweggeholfen wird. Das ist das eine. Das zweite, was uns natürlich auch bewegt: wir müssen die Felder ja wieder neu bestellen und wenn irgendwas knapp wird, kann es ja durchaus passieren, das befürchte ich, dass die Weizenpreise fürs Saatgut ins Unermessliche ansteigen werden, dass es von der Seite her auch manch einer überlegen wird, ob er die Felder überhaupt bestellt.

    Heinlein: Frage zum Schluss aus Verbrauchersicht, Herr

    Vogel: muss der Verbraucher nun mit höheren Preisen für Getreideprodukte, also auch für Brot, rechnen?

    Vogel: Ausgeschlossen ist das nicht.

    Heinlein: In Grimma war das Wolfgang Vogel vom sächsischen Bauernverband. Vielen Dank, Herr Vogel, für das Gespräch und ich wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihre Arbeit.

    Vogel: Ja, vielen Dank. Wiederhören.