Dreßler: Guten Morgen!
Remme: "Noch unbestätigt" heißt es zur Aussetzung der Netto-Lohnbindung und Anpassung der Renten in Höhe der Teuerungsrate. Können Sie uns in der Hinsicht weiterhelfen?
Dreßler: Nein, das kann ich auch nicht. Es ist Spekulation. Das Konzept soll am 30. Juni, wie gesagt wurde, vorgelegt werden. Die Bundestagsfraktion kennt die Ergebnisse im Detail noch nicht. Also werden wir uns weiter mit Spekulationen auseinandersetzen müssen oder abwarten bis zum 30. Juni.
Remme: Gestern war Fraktionssitzung. Hans Eichel hat dort die Eckpunkte, die Grundsätze seiner Sparpläne dargelegt. Sie sagen selbst, genaueres weiß man nicht. Ist nicht schon das an sich ein Skandal?
Dreßler: Nein, es ist eine Notwendigkeit, ein 30-Milliarden-Defizit der alten Regierung unter Helmut Kohl jetzt auszugleichen, und wir müssen sorgen, daß wir diese 30 Milliarden decken. Das ist eine Erbschaft, die wir übernommen haben, und diese muß jetzt gelöst werden. Das hat zunächst einmal mit einer Strukturreform der Rentenversicherung gar nichts zu tun. Die spannende Frage ist, was im nächsten Jahr aus den einzelnen Ressorts, also auch aus der Rentenversicherung, in ein solches Konzept einfließt. Was aber eine Strukturreform betrifft? Hier ist der demographische Faktor angesprochen worden. Das ist eine Angelegenheit, die in die Strukturreform-Konzeption hineingeht, aber die nicht zur Deckung des Haushaltes verwendbar ist, weil beides gar nicht zusammengefügt werden kann.
Remme: Herr Dreßler, der Sparzwang wird ja von niemandem bestritten, aber kann es denn so sein, daß diesem Sparzwang praktisch nur dann Geltung verschafft werden kann, wenn die Fraktion so lange wie möglich im Unklaren gelassen wird?
Dreßler: Man muß sich vergegenwärtigen: Wenn der Finanzminister jetzt Details seines Gesamtkonzeptes, was ja über den ganzen Bundeshaushalt geht, der knapp 500 Milliarden Mark beträgt, veröffentlichen würde, dann wären diese einzelnen Punkte sofort am nächsten Tag in der Auseinandersetzung und sie wären wahrscheinlich sogar in ihrer Substanz gefährdet. Insoweit verhält er sich nach meiner Auffassung völlig logisch, indem er sagt, man soll über mein Gesamtkonzept urteilen, man soll sich mit diesem Gesamtkonzept auseinandersetzen und nicht mit einzelnen Punkten. Wir sind angetreten unter der Überschrift "Innovation", also Erneuerung, "und soziale Gerechtigkeit", und ein solches Konzept muß sich dann auch an beiden Dingen messen lassen.
Remme: Etwas mehr werden Sie gestern in der Fraktion ja erfahren haben. Welche Aspekte sind denn für Sie am schwersten zu verdauen?
Dreßler: Es geht einfach darum, ob die Regierung der Auffassung ist, die Rentenkonzeption insgesamt mit den Haushaltsnotwendigkeiten zu verbinden, oder ob sie diese strikt trennt. Wenn sie diese strikt trennt, dann wäre das logisch. Sie haben einen Punkt genannt. Wenn sich durch Kindergelderhöhung der Nettoertrag der Aktiven erhöht und damit automatisch die Renten im Netto wachsen würden, dann sind das zwei verschiedene Dinge, die man auseinanderhalten muß. Für den Fall, daß die Nettoerhöhung auf der Basis der Lohnzuwächse in Deutschland angegriffen würde, also reduziert würde, dann wäre die Nettoformel tangiert und dann würde eine andere Diskussionslage entstehen.
Remme: Verstehen Sie denn den Unmut derjenigen, die sagen, erst versprechen sie uns die Kürzungen der Unionsregierung rückgängig zu machen und dann kürzen sie mehr als die je vor hatten?
Dreßler: Wenn dieses so käme, dann würde ich diese sogar sehr gut verstehen.
Remme: Und ist das Ihrer Ansicht nach noch vermeidbar?
Dreßler: Das ist vermeidbar, indem man diese Dinge, so schwierig es auch sein mag, strikt trennt.
Remme: Glauben Sie daran?
Dreßler: Ich weiß es nicht. Der Glaube hilft mir nicht weiter. Ich muß warten bis zum 30. Juni, wie jeder andere auch, um dann die Details vielleicht ein paar Tage vorher zu erfahren.
Remme: Sie haben Ihre Partei am Wochenende in bezug auf das Schröder-Blair-Papier ermahnt, die konkreten Positionen, die sich hinter den Floskeln verbergen, zu erfragen. Sind Sie in dieser Hinsicht bei der gestrigen Fraktionssitzung schlauer geworden?
Dreßler: Nein. Die Fraktion begann, dieses zu diskutieren. Das wird ein längerer Diskussionsprozeß sein, der nicht nur Monate dauert, sondern ich vermute, der sich durchaus ein bis zwei Jahre hinziehen wird. Wir müssen uns mit diesem Vorschlag der beiden Regierungschefs und Parteivorsitzenden auseinandersetzen, und das wird in einer Volkspartei eine völlig normale Auseinandersetzung sein, wie es sich auch gehört. Ein solcher Diskussionsprozeß hat der SPD noch nie geschadet, und das wird ihr auch diesmal nicht schaden.
Remme: Jetzt sagen einige verärgerte Vertreter Ihrer Partei, ein Konflikt zwischen Reformern und Traditionalisten in der SPD sei vor allem von den Medien falsch konstruiert. Machen Sie sich diesen Vorwurf zu eigen?
Dreßler: Nein, den mache ich mir überhaupt nicht zu eigen. Wenn eine solche Auseinandersetzung in der Partei mit solchen Begriffen geführt wird, dann müssen diejenigen, die diese Begriffe erfunden haben, sich fragen lassen, ob es sinnvoll ist, daß man das auf solche Begriffe wie Traditionalisten und Modernisierer konzentriert. Ich kann bezogen auf diesen Sachverhalt das Wort modern, also zukunftsorientiert, nicht in dem Text unterbringen. Das ist für mich eine Auseinandersetzung um politische Positionen, und diese politischen Positionen muß eine Volkspartei unterschiedlicher Art aushalten. Hier geht es um grundsätzliche Weichenstellungen, wie die Gesellschaftspolitik in den kommenden Jahren sortiert werden soll, und ich bin der Auffassung, die SPD hat ein modernes Konzept. Das Papier geht davon aus, so lese ich es jedenfalls, daß Teile dieses Konzeptes unmodern seien. Diese Auseinandersetzung muß man führen!
Remme: Was stört Sie denn inhaltlich daran?
Dreßler: Das Papier geht nach meiner Auffassung von einem sozialpolitischen Bild in Deutschland aus, welches nicht der Realität entspricht. Es wird an einer Stelle gesagt, wir hätten eine Gesellschaftspolitik betrieben, die Gleichheit im Ergebnis zum Ziel hat. Dieses ist durch nichts belegt. Meiner Auffassung nach ist das Gegenteil der Fall. Ziel der Gesellschaftspolitik war nie, die Gleichheit im Ergebnis sicherzustellen, sondern wir haben uns bemüht, die Gleichheit beim Start einigermaßen zu verbessern, also wenn Sie so wollen gleicher zu machen. Dementsprechend sehen die Ergebnisse der Sozial- und Gesellschaftspolitik in Deutschland auch anders aus, als das Papier es glauben machen will. Rente und Lohnersatzleistungen waren immer leistungsbezogen, also in der Höhe abhängig von individuell geleisteten Beiträgen. Daß in diesem Text das Gegenteil behauptet wird, mag auf die englische Gesellschaftspolitik zutreffen, aber nicht auf die deutsche.
Remme: Wie mehrheitsfähig sind denn die entsprechenden Vorstellungen in Partei und Fraktion?
Dreßler: Das wird man sehen müssen. Ich jedenfalls bin absolut sicher, für mich jedenfalls, wenn ich meine Partei richtig werte, daß sie diese Auffassungen, die in diesem Papier als Analyse stehen und dann mit bestimmten Antworten beantwortet werden, in ihrer Mehrheit nicht teilt.
Remme: Es geht ja auch um die Zukunft des Sozialstaats in diesem Papier. Im Wahlkampf und für den Wahltag hat der Bundeskanzler und Ihre Partei immer wieder beschworen, in Blick auf die Pläne der Unionsregierung, der SPD gehe es um einen Umbau des Sozialstaats, aber nicht um einen Abbau. Wenn jetzt diese 30 Milliarden gekürzt werden und der größte Teil aus dem Sozialetat kommt, ist man dann nicht beim Abbau?
Dreßler: Das kommt darauf an, wie dieser Sparzwang, den wir übernommen haben, sich im Ergebnis der sozialen Ausgewogenheit darstellt. Ich glaube nicht, daß man von einem Abbau sprechen kann, wenn er sozial gerecht zugeht, sondern daß hier, wenn Sie so wollen, die Notwendigkeiten, die durch den Etat vorgegeben sind - wir dürfen keine höhere Neuverschuldung haben, als Investitionen in Deutschland von Staatswegen eingebracht werden -, dann kann ich nicht davon sprechen, daß das ein Abbau sein muß. Man kann auch im Sozialsystem einen Umbau machen, wobei diejenigen, denen etwas genommen wird - das war immer so -, sich logischerweise beschweren werden, daß sie damit nicht einverstanden sind. Aber es kommt ja darauf an, ob das Sozialsystem, ob der Sozialstaat seine Aufgabe letztlich wahrnehmen kann, oder ob er willkürlich kürzt, wie das in den alten Etats, wenn es um Ausgabenbeschränkung geht, immer wieder vorgenommen worden ist.
Remme: Sind Sie noch zufrieden mit Ihrem Bundeskanzler?
Dreßler: Ich bin nicht unzufrieden damit. Das Papier selbst hat mich jedenfalls veranlaßt, in einen Diskussionsprozeß einzutreten, aber das ist in einer Volkspartei, wenn man ihr so lange angehört wie ich, ein völlig normaler Vorgang.
Remme: Rudolf Dreßler war das, Sozialexperte und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD. Ich danke für das Gespräch.
Remme: "Noch unbestätigt" heißt es zur Aussetzung der Netto-Lohnbindung und Anpassung der Renten in Höhe der Teuerungsrate. Können Sie uns in der Hinsicht weiterhelfen?
Dreßler: Nein, das kann ich auch nicht. Es ist Spekulation. Das Konzept soll am 30. Juni, wie gesagt wurde, vorgelegt werden. Die Bundestagsfraktion kennt die Ergebnisse im Detail noch nicht. Also werden wir uns weiter mit Spekulationen auseinandersetzen müssen oder abwarten bis zum 30. Juni.
Remme: Gestern war Fraktionssitzung. Hans Eichel hat dort die Eckpunkte, die Grundsätze seiner Sparpläne dargelegt. Sie sagen selbst, genaueres weiß man nicht. Ist nicht schon das an sich ein Skandal?
Dreßler: Nein, es ist eine Notwendigkeit, ein 30-Milliarden-Defizit der alten Regierung unter Helmut Kohl jetzt auszugleichen, und wir müssen sorgen, daß wir diese 30 Milliarden decken. Das ist eine Erbschaft, die wir übernommen haben, und diese muß jetzt gelöst werden. Das hat zunächst einmal mit einer Strukturreform der Rentenversicherung gar nichts zu tun. Die spannende Frage ist, was im nächsten Jahr aus den einzelnen Ressorts, also auch aus der Rentenversicherung, in ein solches Konzept einfließt. Was aber eine Strukturreform betrifft? Hier ist der demographische Faktor angesprochen worden. Das ist eine Angelegenheit, die in die Strukturreform-Konzeption hineingeht, aber die nicht zur Deckung des Haushaltes verwendbar ist, weil beides gar nicht zusammengefügt werden kann.
Remme: Herr Dreßler, der Sparzwang wird ja von niemandem bestritten, aber kann es denn so sein, daß diesem Sparzwang praktisch nur dann Geltung verschafft werden kann, wenn die Fraktion so lange wie möglich im Unklaren gelassen wird?
Dreßler: Man muß sich vergegenwärtigen: Wenn der Finanzminister jetzt Details seines Gesamtkonzeptes, was ja über den ganzen Bundeshaushalt geht, der knapp 500 Milliarden Mark beträgt, veröffentlichen würde, dann wären diese einzelnen Punkte sofort am nächsten Tag in der Auseinandersetzung und sie wären wahrscheinlich sogar in ihrer Substanz gefährdet. Insoweit verhält er sich nach meiner Auffassung völlig logisch, indem er sagt, man soll über mein Gesamtkonzept urteilen, man soll sich mit diesem Gesamtkonzept auseinandersetzen und nicht mit einzelnen Punkten. Wir sind angetreten unter der Überschrift "Innovation", also Erneuerung, "und soziale Gerechtigkeit", und ein solches Konzept muß sich dann auch an beiden Dingen messen lassen.
Remme: Etwas mehr werden Sie gestern in der Fraktion ja erfahren haben. Welche Aspekte sind denn für Sie am schwersten zu verdauen?
Dreßler: Es geht einfach darum, ob die Regierung der Auffassung ist, die Rentenkonzeption insgesamt mit den Haushaltsnotwendigkeiten zu verbinden, oder ob sie diese strikt trennt. Wenn sie diese strikt trennt, dann wäre das logisch. Sie haben einen Punkt genannt. Wenn sich durch Kindergelderhöhung der Nettoertrag der Aktiven erhöht und damit automatisch die Renten im Netto wachsen würden, dann sind das zwei verschiedene Dinge, die man auseinanderhalten muß. Für den Fall, daß die Nettoerhöhung auf der Basis der Lohnzuwächse in Deutschland angegriffen würde, also reduziert würde, dann wäre die Nettoformel tangiert und dann würde eine andere Diskussionslage entstehen.
Remme: Verstehen Sie denn den Unmut derjenigen, die sagen, erst versprechen sie uns die Kürzungen der Unionsregierung rückgängig zu machen und dann kürzen sie mehr als die je vor hatten?
Dreßler: Wenn dieses so käme, dann würde ich diese sogar sehr gut verstehen.
Remme: Und ist das Ihrer Ansicht nach noch vermeidbar?
Dreßler: Das ist vermeidbar, indem man diese Dinge, so schwierig es auch sein mag, strikt trennt.
Remme: Glauben Sie daran?
Dreßler: Ich weiß es nicht. Der Glaube hilft mir nicht weiter. Ich muß warten bis zum 30. Juni, wie jeder andere auch, um dann die Details vielleicht ein paar Tage vorher zu erfahren.
Remme: Sie haben Ihre Partei am Wochenende in bezug auf das Schröder-Blair-Papier ermahnt, die konkreten Positionen, die sich hinter den Floskeln verbergen, zu erfragen. Sind Sie in dieser Hinsicht bei der gestrigen Fraktionssitzung schlauer geworden?
Dreßler: Nein. Die Fraktion begann, dieses zu diskutieren. Das wird ein längerer Diskussionsprozeß sein, der nicht nur Monate dauert, sondern ich vermute, der sich durchaus ein bis zwei Jahre hinziehen wird. Wir müssen uns mit diesem Vorschlag der beiden Regierungschefs und Parteivorsitzenden auseinandersetzen, und das wird in einer Volkspartei eine völlig normale Auseinandersetzung sein, wie es sich auch gehört. Ein solcher Diskussionsprozeß hat der SPD noch nie geschadet, und das wird ihr auch diesmal nicht schaden.
Remme: Jetzt sagen einige verärgerte Vertreter Ihrer Partei, ein Konflikt zwischen Reformern und Traditionalisten in der SPD sei vor allem von den Medien falsch konstruiert. Machen Sie sich diesen Vorwurf zu eigen?
Dreßler: Nein, den mache ich mir überhaupt nicht zu eigen. Wenn eine solche Auseinandersetzung in der Partei mit solchen Begriffen geführt wird, dann müssen diejenigen, die diese Begriffe erfunden haben, sich fragen lassen, ob es sinnvoll ist, daß man das auf solche Begriffe wie Traditionalisten und Modernisierer konzentriert. Ich kann bezogen auf diesen Sachverhalt das Wort modern, also zukunftsorientiert, nicht in dem Text unterbringen. Das ist für mich eine Auseinandersetzung um politische Positionen, und diese politischen Positionen muß eine Volkspartei unterschiedlicher Art aushalten. Hier geht es um grundsätzliche Weichenstellungen, wie die Gesellschaftspolitik in den kommenden Jahren sortiert werden soll, und ich bin der Auffassung, die SPD hat ein modernes Konzept. Das Papier geht davon aus, so lese ich es jedenfalls, daß Teile dieses Konzeptes unmodern seien. Diese Auseinandersetzung muß man führen!
Remme: Was stört Sie denn inhaltlich daran?
Dreßler: Das Papier geht nach meiner Auffassung von einem sozialpolitischen Bild in Deutschland aus, welches nicht der Realität entspricht. Es wird an einer Stelle gesagt, wir hätten eine Gesellschaftspolitik betrieben, die Gleichheit im Ergebnis zum Ziel hat. Dieses ist durch nichts belegt. Meiner Auffassung nach ist das Gegenteil der Fall. Ziel der Gesellschaftspolitik war nie, die Gleichheit im Ergebnis sicherzustellen, sondern wir haben uns bemüht, die Gleichheit beim Start einigermaßen zu verbessern, also wenn Sie so wollen gleicher zu machen. Dementsprechend sehen die Ergebnisse der Sozial- und Gesellschaftspolitik in Deutschland auch anders aus, als das Papier es glauben machen will. Rente und Lohnersatzleistungen waren immer leistungsbezogen, also in der Höhe abhängig von individuell geleisteten Beiträgen. Daß in diesem Text das Gegenteil behauptet wird, mag auf die englische Gesellschaftspolitik zutreffen, aber nicht auf die deutsche.
Remme: Wie mehrheitsfähig sind denn die entsprechenden Vorstellungen in Partei und Fraktion?
Dreßler: Das wird man sehen müssen. Ich jedenfalls bin absolut sicher, für mich jedenfalls, wenn ich meine Partei richtig werte, daß sie diese Auffassungen, die in diesem Papier als Analyse stehen und dann mit bestimmten Antworten beantwortet werden, in ihrer Mehrheit nicht teilt.
Remme: Es geht ja auch um die Zukunft des Sozialstaats in diesem Papier. Im Wahlkampf und für den Wahltag hat der Bundeskanzler und Ihre Partei immer wieder beschworen, in Blick auf die Pläne der Unionsregierung, der SPD gehe es um einen Umbau des Sozialstaats, aber nicht um einen Abbau. Wenn jetzt diese 30 Milliarden gekürzt werden und der größte Teil aus dem Sozialetat kommt, ist man dann nicht beim Abbau?
Dreßler: Das kommt darauf an, wie dieser Sparzwang, den wir übernommen haben, sich im Ergebnis der sozialen Ausgewogenheit darstellt. Ich glaube nicht, daß man von einem Abbau sprechen kann, wenn er sozial gerecht zugeht, sondern daß hier, wenn Sie so wollen, die Notwendigkeiten, die durch den Etat vorgegeben sind - wir dürfen keine höhere Neuverschuldung haben, als Investitionen in Deutschland von Staatswegen eingebracht werden -, dann kann ich nicht davon sprechen, daß das ein Abbau sein muß. Man kann auch im Sozialsystem einen Umbau machen, wobei diejenigen, denen etwas genommen wird - das war immer so -, sich logischerweise beschweren werden, daß sie damit nicht einverstanden sind. Aber es kommt ja darauf an, ob das Sozialsystem, ob der Sozialstaat seine Aufgabe letztlich wahrnehmen kann, oder ob er willkürlich kürzt, wie das in den alten Etats, wenn es um Ausgabenbeschränkung geht, immer wieder vorgenommen worden ist.
Remme: Sind Sie noch zufrieden mit Ihrem Bundeskanzler?
Dreßler: Ich bin nicht unzufrieden damit. Das Papier selbst hat mich jedenfalls veranlaßt, in einen Diskussionsprozeß einzutreten, aber das ist in einer Volkspartei, wenn man ihr so lange angehört wie ich, ein völlig normaler Vorgang.
Remme: Rudolf Dreßler war das, Sozialexperte und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD. Ich danke für das Gespräch.