Engels: Vor 28 Jahren wurden die Zwillingstürme des World Trade Center gebaut, ein Symbol für die unbegrenzten Möglichkeiten dieses mächtigsten Landes der Welt. Seit gestern sind sie Geschichte, zertrümmert im gewaltigsten Terroranschlag, den die Welt bislang gesehen hat. Am Telefon begrüße ich Ludger Volmer, Staatsminister im auswärtigen Amt und Mitglied der Grünen. Guten Morgen Herr Volmer!
Volmer: Guten Morgen.
Engels: Auch heute wird der Sicherheitsrat der Bundesrepublik zusammenkommen. Welche Vorbereitungen sind bereits getroffen gegen mögliche Terroranschläge, welche werden getroffen?
Volmer: Bereits gestern hat der Sicherheitsrat einige Maßnahmen beschlossen. Dabei geht es um die Verbesserung der Flugsicherheit. Es geht aber auch um verstärkte Grenzkontrollen. Sie werden verstehen, wenn ich hier im Moment keine Details mitteilen kann. Wir tun auf jeden Fall alles, um zu verhindern, dass es hier bei uns zu Zuspitzungen kommt. Wir gehen aber auch davon aus, dass keine direkte Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland besteht. Zudem hat das Krisenzentrum des auswärtigen Amtes die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um zu ermitteln, welche Deutschen, wie viele Deutsche in den USA selber betroffen sind und wie diesen geholfen werden kann.
Engels: Das ist das eine. Zum zweiten ist natürlich die Frage, haben Sie selbst nähere Informationen über die Hintergründe? Haben Sie nähere Informationen über den Stand in den USA?
Volmer: Wir wissen im Moment nicht viel mehr als das, was auch in der Öffentlichkeit spekuliert wird. Es gibt Indizien, die in eine bestimmte Richtung weisen. Das sind aber noch keine endgültigen Beweise. Von daher halten wir uns mit Schlussfolgerungen zurück und wir wollen uns auch nicht an diesen Spekulationen beteiligen. Wir versuchen, die Fakten zusammenzustellen, ein Mosaik daraus zu bilden, um unsere Erkenntnisgrundlage zu verbessern. Alle Ermittlungsdienste, alle Nachrichtendienste der westlichen Welt sind dabei, die Hintergründe zu erforschen. Wann es dort zu einem Ergebnis kommt, was wirklich belastbar ist, ist im Moment noch nicht abzusehen.
Engels: In den USA wird ja der saudische Topterrorist Osama bin Laden von den Geheimdiensten als Verantwortlicher genannt. Der hat in einem Interview im Mai gegenüber dem Fernsehsender ABC über einen - so wörtlich - "schwarzen Tag für die USA" gesprochen. Hat man ihn unterschätzt?
Volmer: Ich will noch nicht definitiv davon ausgehen, dass diese These stimmt, aber das ist die wahrscheinlichste. Für diese Version sprechen die meisten Indizien, etwa solche Äußerungen, wie Sie sie zitiert haben. Es gibt auch noch andere. Es gibt auch die Erfahrung mit früheren Anschlägen. Was schwer verständlich ist ist folgendes: Diese Anschläge setzen eine große Organisation voraus. Das kann nicht eine Hand voll Terroristen gemacht haben. Es müssen Leute dabei gewesen sein, die in der Lage sind, Flugzeuge zu fliegen, die in der Lage sind, die gesamte Logistik minutiös zu planen. Dahinter muss auch Intelligenz stecken. Dahinter muss strategische Planung stecken. Von daher möchten wir auch nicht reden über mögliche Schuld von kleinen Palästinensergruppen, so sehr diese auch teilweise in Hass auf Amerika befangen sind. Man muss nach einer größeren Organisation suchen, die in der Lage ist, eine so komplizierte Terroraktion durchzuführen, über Monate zu planen - so lange muss der Vorlauf gewesen sein - und dabei nicht entdeckt zu werden. Das ist die Frage, die sich uns auch stellt: Warum haben die Nachrichtendienste so etwas nicht entdecken können?
Engels: Welche Schritte plant heute das auswärtige Amt?
Volmer: Bereits gestern hat sich Außenminister Fischer mit seinen europäischen Amtskollegen telefonisch kurzgeschlossen. Die europäischen Außenminister werden sich heute treffen, um eine doppelte Botschaft zu beschließen. Die eine ist die unbedingte Solidarität mit den USA. Im Moment ist es wichtig, dass die Europäer signalisieren, in dieser schweren Stunde stehen wir an der Seite Amerikas. Das ist der historische Moment, wo sich das transatlantische Bündnis bewähren muss. Daran lässt die Bundesregierung auch keinen Zweifel. Zum anderen werden die Europäer miteinander abstimmen, wie sie die Strategie, die politische Konzeption anlegen, wenn denn die Täterschaft geklärt werden sollte. Man muss sich mit diesem Problem des Terrorismus sehr, sehr ernsthaft befassen. Dieser Terrorismus ist im Moment in der Lage, das gesamte Weltgeschehen zu bestimmen, möglicherweise 10000 Tote zu produzieren, und damit ist diese Form des Terrorismus das Sicherheitsproblem Nr. 1 auf diesem Globus geworden. Die gesamte sicherheitspolitische Diskussion wird sich neu orientieren müssen, und auch darüber werden die europäischen Außenminister reden.
Engels: Heißt das, dass man auf die Linien der USA einschwenkt, die ja schon seit längerem für einen stärkeren und größeren Rüstungshaushalt sprechen und auch das umstrittene nationale Raketenschild immer mit dem Argument verteidigt haben, sich damit auch gegen Terrorismus schützen zu wollen?
Volmer: Ich will jetzt keine vorschnellen strategisch-militärischen Antworten geben. Man muss erst genau analysieren, wer die Täter waren und mit welcher Art der Bedrohung wir zu tun haben und ob die bisherige militärische Strategie überhaupt geeignet ist, dem zu begegnen. Offensichtlich war sie es nicht und man muss nachdenken über andere Formen und andere Elemente der Sicherheitspolitik. Was das für die Militärapparate bedeutet ist die eine Frage; die andere Frage ist aber auch die, was an nichtmilitärischer Sicherheitspolitik gemacht werden kann, um solche Dinge in Zukunft zu verhindern.
Engels: Ludger Volmer, Staatsminister im auswärtigen Amt. - Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Link: Interview als RealAudio
Volmer: Guten Morgen.
Engels: Auch heute wird der Sicherheitsrat der Bundesrepublik zusammenkommen. Welche Vorbereitungen sind bereits getroffen gegen mögliche Terroranschläge, welche werden getroffen?
Volmer: Bereits gestern hat der Sicherheitsrat einige Maßnahmen beschlossen. Dabei geht es um die Verbesserung der Flugsicherheit. Es geht aber auch um verstärkte Grenzkontrollen. Sie werden verstehen, wenn ich hier im Moment keine Details mitteilen kann. Wir tun auf jeden Fall alles, um zu verhindern, dass es hier bei uns zu Zuspitzungen kommt. Wir gehen aber auch davon aus, dass keine direkte Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland besteht. Zudem hat das Krisenzentrum des auswärtigen Amtes die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um zu ermitteln, welche Deutschen, wie viele Deutsche in den USA selber betroffen sind und wie diesen geholfen werden kann.
Engels: Das ist das eine. Zum zweiten ist natürlich die Frage, haben Sie selbst nähere Informationen über die Hintergründe? Haben Sie nähere Informationen über den Stand in den USA?
Volmer: Wir wissen im Moment nicht viel mehr als das, was auch in der Öffentlichkeit spekuliert wird. Es gibt Indizien, die in eine bestimmte Richtung weisen. Das sind aber noch keine endgültigen Beweise. Von daher halten wir uns mit Schlussfolgerungen zurück und wir wollen uns auch nicht an diesen Spekulationen beteiligen. Wir versuchen, die Fakten zusammenzustellen, ein Mosaik daraus zu bilden, um unsere Erkenntnisgrundlage zu verbessern. Alle Ermittlungsdienste, alle Nachrichtendienste der westlichen Welt sind dabei, die Hintergründe zu erforschen. Wann es dort zu einem Ergebnis kommt, was wirklich belastbar ist, ist im Moment noch nicht abzusehen.
Engels: In den USA wird ja der saudische Topterrorist Osama bin Laden von den Geheimdiensten als Verantwortlicher genannt. Der hat in einem Interview im Mai gegenüber dem Fernsehsender ABC über einen - so wörtlich - "schwarzen Tag für die USA" gesprochen. Hat man ihn unterschätzt?
Volmer: Ich will noch nicht definitiv davon ausgehen, dass diese These stimmt, aber das ist die wahrscheinlichste. Für diese Version sprechen die meisten Indizien, etwa solche Äußerungen, wie Sie sie zitiert haben. Es gibt auch noch andere. Es gibt auch die Erfahrung mit früheren Anschlägen. Was schwer verständlich ist ist folgendes: Diese Anschläge setzen eine große Organisation voraus. Das kann nicht eine Hand voll Terroristen gemacht haben. Es müssen Leute dabei gewesen sein, die in der Lage sind, Flugzeuge zu fliegen, die in der Lage sind, die gesamte Logistik minutiös zu planen. Dahinter muss auch Intelligenz stecken. Dahinter muss strategische Planung stecken. Von daher möchten wir auch nicht reden über mögliche Schuld von kleinen Palästinensergruppen, so sehr diese auch teilweise in Hass auf Amerika befangen sind. Man muss nach einer größeren Organisation suchen, die in der Lage ist, eine so komplizierte Terroraktion durchzuführen, über Monate zu planen - so lange muss der Vorlauf gewesen sein - und dabei nicht entdeckt zu werden. Das ist die Frage, die sich uns auch stellt: Warum haben die Nachrichtendienste so etwas nicht entdecken können?
Engels: Welche Schritte plant heute das auswärtige Amt?
Volmer: Bereits gestern hat sich Außenminister Fischer mit seinen europäischen Amtskollegen telefonisch kurzgeschlossen. Die europäischen Außenminister werden sich heute treffen, um eine doppelte Botschaft zu beschließen. Die eine ist die unbedingte Solidarität mit den USA. Im Moment ist es wichtig, dass die Europäer signalisieren, in dieser schweren Stunde stehen wir an der Seite Amerikas. Das ist der historische Moment, wo sich das transatlantische Bündnis bewähren muss. Daran lässt die Bundesregierung auch keinen Zweifel. Zum anderen werden die Europäer miteinander abstimmen, wie sie die Strategie, die politische Konzeption anlegen, wenn denn die Täterschaft geklärt werden sollte. Man muss sich mit diesem Problem des Terrorismus sehr, sehr ernsthaft befassen. Dieser Terrorismus ist im Moment in der Lage, das gesamte Weltgeschehen zu bestimmen, möglicherweise 10000 Tote zu produzieren, und damit ist diese Form des Terrorismus das Sicherheitsproblem Nr. 1 auf diesem Globus geworden. Die gesamte sicherheitspolitische Diskussion wird sich neu orientieren müssen, und auch darüber werden die europäischen Außenminister reden.
Engels: Heißt das, dass man auf die Linien der USA einschwenkt, die ja schon seit längerem für einen stärkeren und größeren Rüstungshaushalt sprechen und auch das umstrittene nationale Raketenschild immer mit dem Argument verteidigt haben, sich damit auch gegen Terrorismus schützen zu wollen?
Volmer: Ich will jetzt keine vorschnellen strategisch-militärischen Antworten geben. Man muss erst genau analysieren, wer die Täter waren und mit welcher Art der Bedrohung wir zu tun haben und ob die bisherige militärische Strategie überhaupt geeignet ist, dem zu begegnen. Offensichtlich war sie es nicht und man muss nachdenken über andere Formen und andere Elemente der Sicherheitspolitik. Was das für die Militärapparate bedeutet ist die eine Frage; die andere Frage ist aber auch die, was an nichtmilitärischer Sicherheitspolitik gemacht werden kann, um solche Dinge in Zukunft zu verhindern.
Engels: Ludger Volmer, Staatsminister im auswärtigen Amt. - Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Link: Interview als RealAudio