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Wie sicher sind deutsche Touristen im Ausland?

    Durak: Wann müssen Terrorwarnungen ernst genommen werden? Welche Kriterien legen denn die jeweils ermittelnden Beamten an, insbesondere nach dem 11. September? Hätte also bei viel Glück dieser Anschlag auf die jüdische Synagoge in Djerba verhindert werden können? Eckart Werthebach ist nun für uns am Telefon. Ich habe es schon gesagt: Er hat Erfahrungen in solchen Dingen, war Präsident des Verfassungsschutzes. Guten Tag, Herr Werthebach.

    Werthebach: Guten Tag, Frau Durak.

    Durak: Dieser Brief vom Dezember - hätten Sie unter Umständen auch Probleme gehabt, ihn ernst zu nehmen?

    Werthebach: Zunächst einmal: Diesen Brief kann man nur analysieren. Da muss man die Glaubwürdigkeit desjenigen prüfen, der diese Meldung abgibt. Häufig ist das ein Anonymus, also einer, den ich nicht kenne. Dann muss man die Glaubhaftigkeit der Aussagen prüfen. Ich kann Ihnen zusammenfassend sagen: Dieses Schreiben hat ganz offensichtlich aus damaliger Sicht das Bundeskriminalamt richtig bewertet. Jedenfalls kann ich ihm keinen Fehler vorwerfen, denn die Frage ist doch: Was mache ich mit solchen Informationen, die übrigens beinahe täglich bei den Sicherheitsbehörden eingehen, die häufig sehr abstrakt sind, nicht erkennen lassen: Gegen wen ist ein Anschlag geplant? Wo soll der Anschlag stattfinden? All dies weiß ich nicht und wenn ich dann immer wieder den Sicherheitsapparat voll auf hohen Touren drehe und es geschieht dann nichts, und eines Tages kommen nicht nur abstrakte Warnmeldungen, sondern konkrete, dann würden die nicht mit der notwendigen Sorgfalt behandelt. Also, ich fasse zusammen: Diese Warnmeldung von Dezember, die dann Anfang Januar vom BKA gewürdigt worden ist, ist aus damaliger Sicht sicherlich richtig behandelt worden. Hinterher sind wir ja alle klüger.

    Durak: Herr Werthebach, was machen Sie dann also, Sie, die ermittelnden Beamten, mit diesen Informationen? Sie haben eben selbst die Frage gestellt. Denn die Öffentlichkeit der Bürger hat gewiss Verständnis dafür, dass man nicht jedem Trittbrettfahrer hinterherläuft, aber sie haben gewiss auch Verständnis dafür, dass die Menschen sich sorgen.

    Werthebach: Die Informationspolitik - das gilt jetzt nicht nur für die Bundesregierung, sondern auch für die tunesische Regierung - ist in solchen Situationen, wenn Anschläge passiert sind, ganz besonders wichtig. Denn Wiederholungsfälle liegen auf der Hand. Jedenfalls sind sie möglich. Da reicht es nicht aus, dass man irgendwelche vagen Vermutungen oder unsubstanzierte Verdachtsannahmen in die Welt setzt, sondern hier hat die Bundesregierung oder ausländische Regierung, auch und gerade für die Touristen vor Ort, eine echte Beratungspflicht. Ich kann nur sagen, bei den Auseinandersetzungen, die zur Zeit im Nahen Osten, in Palästina stattfinden, oder bei den Selbstmordattentaten, die in Israel stattfinden, ist immer wieder zu befürchten, dass es Reaktionen von fanatisierten Einzeltätern oder gar von terroristischen Gruppierungen gibt, und zwar dann auch in anderen Regionen dieser Welt, und möglicherweise auch in Deutschland.

    Durak: Und das heißt für Touristen?

    Werthebach: Das heißt für Touristen, dass ich ihnen raten würde, wenn sie nach Nordafrika reisen, wenn sie nach Ägypten oder in den Nahen Osten reisen, sich auf keinen Fall zu Ansammlungen bewegen oder gehen sollten, wo sehr viele Touristen sind, also zu besonderen Sehenswürdigkeiten.

    Durak: Dann müssten sie aber auch ihr Hotel verlassen.

    Werthebach: Ja, sie müssen ihr Hotel verlassen, aber sie können sich in der Stadt oder in der Region bewegen. Wenn sie dann aber zu besonderen Sehenswürdigkeiten gehen, wo sehr viele Touristen bekanntermaßen zusammenkommen, dann ist das ein Platz oder eine Gegend, wo die Gefahr, das Terroristen hier zu Sprengmitteln greifen, sehr viel größer als sonst.

    Durak: Wenn der Tourist aber all seine Sinne beisammen hat, dann müsste er aber eigentlich zu Hause bleiben, denn was soll er nur im Hotel bleiben, wenn es denn überhaupt geschützt ist? Wenn er im Ausland ist, will er ja Land und Leute auch kennenlernen.

    Werthebach: Ich glaube auch, dass die Warnmeldung, die jetzt das Auswärtige Amt herausgegeben hat, besondere Aufmerksamkeit bei Reisen in Tunesien nicht sehr viel weitertragen. Ich kann zwar auch verstehen, dass das wirtschaftliche Folgen hat und dass auch der ausländische Staat - in dem Fall Tunesien - sehr hohes Interesse daran hat, dass die Warnungen nicht überzeichnet werden. Aber andererseits muss man den Deutschen, die jetzt als Touristen in diese Gegenden fahren, sagen: Ich kann nicht ausschließen, dass es zu solchen Gewalttaten kommt. Wenn Du meinst, Du müsstest dorthin fahren, meide Ansammlungen von Menschen, insbesondere von solchen Menschen, die als Touristen erkennbar sind.

    Durak: Herr Werthebach, zurück noch einmal zu den Ermittlungen: Die Rasterfahndung hat ja möglicherweise zu einem Teilerfolg geführt. Wie sind Sie denn zufrieden mit der Rasterfahndung im Anti-Terror-Kampf?

    Werthebach: Ich habe von Anfang an gesagt, dass die Rasterfahndung gegen hier sich aufhaltende Terroristen, die von uns als islamistische Fundamentalisten eingestuft werden das einzige Hilfsmittel ist, was wir zur Zeit haben. Und ich bin mit einer Reihe von Gerichtsentscheidungen sehr unzufrieden gewesen, die zur Aussage hatten, es gäbe keine konkrete Gefahr, dass Anschläge in Deutschland stattfänden und deswegen sei die Rasterfahndung nicht zulässig. Ich sage noch einmal: Dann müssen die gesetzlichen Regelungen so gefasst werden, dass die Rasterfahndung möglich ist. Die Rasterfahndung hat in mehrfacher Hinsicht Erfolg. Zum einen führt sie natürlich zu Verdrängungen: Diejenigen, die sich hier als Schläfer oder potenzielle Terroristen aufhalten, müssen befürchten, durch die Rasterfahndung entdeckt und enttarnt zu werden, also werden sie Deutschland verlassen. Und zum zweiten ermöglicht das Kontaktumfeld von bekannten Terroristen - sei es nun in Hamburg, sei es im Frankfurter Raum oder sei es auch im Düsseldorfer oder Kölner Raum - diejenigen, die mit solchen zusammengearbeitet habe, zu enttarnen, sie zu warnen, sie zu beobachten oder auch zu observieren. Und das ist ja offensichtlich hier auch erfolgreich geschehen, also unsere Sicherheitsbehörden tun dieses, was man zur Zeit tun kann.

    Durak: Dankeschön, Eckart Werthebach, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

    Link: Interview als RealAudio