Enquete-Kommission
Wie soll die Corona-Aufarbeitung im Bundestag ablaufen?

Während der Pandemie brachten Lockdowns, Maskenpflicht und Zugangsbeschränkungen harte Einschnitte für jeden einzelnen und für ganze Branchen - mit Nachwirkungen, die bis heute andauern. Nach langem politischen Streit nimmt nun eine Enquete-Kommission des Parlaments die Arbeit auf. Wir beantworten hierzu wichtige Fragen.

    In einem leeren Klassenzimmer mit rotem Linoleumboden sind die Stühle auf die Tische gestellt.
    Die Schulschließungen in der Coronazeit gehören zu jenen Schutzmaßnahmen, die heute von vielen Experten als falsch angesehen werden (Archivbild). (picture alliance / SvenSimon / Frank Hoermann)

    Warum kommt jetzt eine große Aufarbeitung?

    In der vorigen Wahlperiode kam eine Auswertung der Schutzmaßnahmen - wie Masken, Tests und Schließungen - auf Bundesebene nicht zustande. Diskutiert wurde auch über einen Bürgerrat, die Ampel-Koalition konnte sich aber nicht einigen. Das neue Bündnis aus Union und SPD vereinbarte dann eine Enquete-Kommission. Der Einsetzung stimmten im Juli im Bundestag auch Grüne und Linke zu. Bei der AfD gab es Nein-Stimmen und Enthaltungen.

    Was ist das Ziel der Untersuchung?

    Im Einsetzungsantrag heißt es, trotz vieler Einzeluntersuchungen, etwa in den Bundesländern, hätten viele Menschen den Eindruck, die Pandemie sei noch nicht ausreichend aufgearbeitet. Eine umfassende, wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung auch des staatlichen und gesellschaftlichen Handelns sei aber unerlässlich, um belastbare Schlussfolgerungen zu ziehen. Leitend solle dabei sein, "dass alle Maßnahmen und Entscheidungen immer nur vor dem Hintergrund des Informationsstands zum betreffenden Zeitpunkt bewertet werden können". 

    Was soll konkret untersucht werden?

    Beleuchtet werden soll eine Reihe von Aspekten: Die Früherkennung mit Pandemieplänen und Vorsorge; das Krisenmanagement mit den Bund-Länder-Runden der Ministerpräsidentenkonferenz, Krisenstäben und der Einbindung wissenschaftlicher Expertise; der rechtliche Rahmen und die parlamentarische Kontrolle; die Maßnahmen gegen die Virus-Ausbreitung mit Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, Ältere und Sterbende; außerdem Impfungen und das Beschaffen von Schutzausrüstung wie Masken und Tests; Hilfen für Firmen und den Arbeitsmarkt sowie die Folgen für Kultur, Tourismus, Ehrenamtler und Vereine.

    Was ist eine Enquete-Kommission?

    Das französische Wort "enquête" bedeutet Untersuchung. Im Bundestag sind Enquete-Kommissionen ein Format für große, komplexe Themen. In der Parlamentsgeschichte gab es schon etliche Enquete-Kommissionen - etwa zur künstlichen Intelligenz oder zu Lehren aus dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Die neue Kommission heißt: "Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse". Die Pandemie habe Bürger, Zivilgesellschaft, Institutionen, Unternehmen, Kunst und Kultur von 2019 bis 2023 mit Herausforderungen "von historischer und seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gekannter Tragweite" konfrontiert, heißt es im Antrag.

    Wie setzt sich die Kommission zusammen?

    Neben 14 Abgeordneten sollen dem Gremium 14 Sachverständige angehören. Die Union schickt fünf Abgeordnete, AfD und SPD entsenden je drei, die Grünen zwei, die Linke stellt einen Abgeordneten. Bei den Experten soll auf eine Beteiligung der Länder und Kommunen und eine ausgewogene Vertretung von Wissenschaftsdisziplinen und Gesellschaftsbereichen geachtet werden.

    Wie sieht die Arbeitsweise aus?

    Die Kommission tritt zunächst nicht-öffentlich zusammen. Prinzipiell soll sie auch öffentliche Anhörungen von Experten, Interessenvertretern und Betroffenen abhalten und Gutachten einholen können. Perspektiven und Erfahrungen von Bürgern könnten "insbesondere durch öffentliche Formate einbezogen werden", heißt es im Antrag. Auch eine "altersgerechte Befragung" von Kindern und Jugendlichen ist möglich. Die "laufende Erkenntnisgewinnung" und die Ergebnisse sollen der Öffentlichkeit in geeigneter Form zugänglich gemacht werden - unter Berücksichtigung besonders schutzbedürftiger Informationen.

    Wann kommt der Abschlussbericht?

    Die Kommission soll dem Bundestag bis zum 30. Juni 2027 einen umfassenden Abschlussbericht mit Erkenntnissen und Handlungsempfehlungen vorlegen. Es kann auch Zwischenberichte zu abgeschlossenen Aspekten geben, was eine frühere parlamentarische und politische Befassung ermöglichen soll. Mitglieder der Kommission können Sondervoten abgeben. Protokolle der Sitzungen, in denen das Gremium nichtöffentlich getagt hat, werden mit dem Abschlussbericht veröffentlicht.

    Warum gibt es keinen Untersuchungsausschuss?

    Grüne und Linke tragen die Enquete-Kommission mit, auch wenn sie zusätzlich einen Untersuchungsausschuss zu umstrittenen Maskenkäufen des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) am Beginn der Pandemie fordern. Die beiden Oppositionsfraktionen haben dafür allein jedoch nicht genügend Stimmen; vergeblich hatten sie die schwarz-rote Koalition zur Unterstützung aufgerufen. Die AfD forderte einen Untersuchungsausschuss für eine "schonungslose" Aufarbeitung der gesamten Corona-Zeit. Grüne und Linke indes lehnen ein gemeinsames Vorgehen mit der AfD strikt ab.
    (mit Material von dpa)
    Diese Nachricht wurde am 08.09.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.