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Wie stehen die Grünen zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan unter UN-Mandat?

Engels: Fast genau ein Monat ist es her, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder im Bundestag die Vertrauensfrage stellte und gewann. So brachte er die schwankende Rot-Grüne Bundestagsmehrheit wieder auf Linie. Es ging damals um die Bereitstellung von Bundeswehrsoldaten für einen möglichen Einsatz in der von den USA geführten Antiterror-Koalition. Nun könnte bald auf die Parlamentarier erneut eine ähnliche Entscheidung zukommen. Diesmal geht es um einen Einsatz von Soldaten in Afghanistan unter UN-Mandat. Bundeskanzler Schröder hat zwar gestern Abend gesagt, eine Entscheidung darüber werde möglicherweise nicht mehr in dieser Woche fallen, aber dass die Truppe kommen soll, daran besteht wohl kein Zweifel mehr. Doch noch wird in Afghanistan gekämpft, und deshalb äußerten sich am Wochenende erneut Zweifel aus der Grünen-Fraktion, die einer solchen möglichen Entsendung zweifelnd gegenüberstehen. Am Telefon ist nun die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt. Frau Göring-Eckardt, kommt da die nächste Belastungsprobe auf die Grünen zu?

    Göring-Eckardt: Nein, das sehe ich nicht so. Wir haben uns auf dem Parteitag in Rostock eindeutig entschieden, auch über einen Einsatz, wie er uns jetzt möglicherweise bevorsteht. Und die Zweifel, die geäußert worden sind, bezogen sich auf die Kriegshandlungen, die nach wie vor durch die Antiterror-Koalition in Afghanistan stattfinden. Aber auf der anderen Seite muss man klar sagen, dieser Einsatz, der UN-Einsatz zur Absicherung der Übergangsregierung, ist für alle in der Fraktion auch ein wünschenswerter Einsatz, weil er das absichert, was wir uns als Neubeginn in Afghanistan gemeinsam gewünscht haben. Im Übrigen hätten wir vor wenigen Wochen nicht zu hoffen gewagt, dass es so schnell zu diesem Schritt kommen könnte.

    Engels: Die Kritiker in Ihrer Fraktion - vorne weg Christian Ströbele - sagen ja, es müssen alle Kämpfe in Afghanistan beendet sein, bevor die Truppen unter UN-Mandat nach Afghanistan gehen. Ist das denn realistisch?

    Göring-Eckardt: Ich denke, das wichtige Datum ist natürlich der 22. Dezember, wo die Übergangsregierung dort ihre Arbeit beginnen wird. Und wir werden in der Fraktion natürlich darüber zu diskutieren haben, wie wir beides beurteilen, einerseits die Kampfhandlungen der Antiterror-Koalition, andrerseits den Einsatz der Übergangsregierung. Ich gehe persönlich davon aus, dass wir eine breite Mehrheit innerhalb der Grünen-Fraktion für diesen Einsatz bekommen werden.

    Engels: Eine breite Mehrheit, aber wird es wieder diese Abweichler, diese acht geben?

    Göring-Eckardt: Ich werde nicht über Zahlen spekulieren, aber ich gehe - wie gesagt - davon aus, dass ein sehr großer Teil der Fraktion für diesen Einsatz stimmen wird, und dass es auch mehr sein werden, als sich im Zusammenhang mit der Vertrauensfrage für einen Einsatz der Antiterror-Koalition ausgesprochen haben.

    Engels: Das hängt ja offenbar auch damit zusammen, wie das UN-Mandat ausgestaltet wird. Soll man dort beinhalten, dass die Truppe das Recht auf Selbstverteidigung hat oder noch eine weitergehende Möglichkeit zur Ausübung von Gewalt?

    Göring-Eckardt: Das ist etwas, was auf UN-Ebene verhandelt werden muss. Für unsere Beschlüsse, die wir in der Partei gefasst haben, ist selbstverständlich beides möglich. Und hier muss darüber geredet werden, was sinnvoll ist, und - ich will es nochmals betonen - für die Grünen ist dieser Einsatz ein sehr wünschenswerter Einsatz, weil er den Neuanfang in Afghanistan begleiten soll, und deswegen gehe ich davon aus, dass wir eine sehr große Zustimmung in der Fraktion haben werden.

    Engels: Sollte denn die Truppe schnell entsandt werden, sobald der UN-Sicherheitsrat entschieden hat, oder eher später, um dann mehr Sicherheit für die Soldaten zu haben?

    Göring-Eckardt: Auch das ist natürlich nicht eine einseitig deutsche Entscheidung, sondern es muss auf der Ebene der UN, auf der europäischen Ebene besprochen werden. Ich denke, wir müssen das tun, was notwendig ist und auch zu dem Zeitpunkt, wo es notwendig ist. Natürlich muss die Sicherheit der Soldaten gewährleistet sein, aber ich gehe davon aus, dass hierfür selbstverständlich alles getan wird.

    Engels: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Göring-Eckardt.

    Link: Interview als RealAudio