Durak: Ich will das eine Stichwort aufgreifen, Globalisierung mit menschlichem Gesicht, und mit Ihnen über einen Aspekt jetzt sprechen: Wirtschaft, Unternehmen und Ökologie. Wirtschaft und Unternehmen müssen weltweit kontrollieren, inwieweit sie die vereinbarten Umweltschutzregelungen einhalten, was mit ihnen neu zu vereinbaren wäre. Sie haben da auch als Umweltminister in Deutschland so Ihre Erfahrungen. Dies ist aber auch eine Forderung in diesem Gipfel. Inwieweit ist es möglich, sich auf solche Regelungen zu verständigen?
Töpfer: Solche Regelungen sind ja im breiten Maße auch schon erarbeitet worden, für die Konventionen und Protokolle rechtskräftig umgesetzt worden, durch die nationale Parlamente ratifiziert worden. Wo es vieles fehlt, sind zwei Dinge: Auf der einen Seite, dass diese Gesetze in den einzelnen Ländern auch wirklich umgesetzt werden können, dass sie nicht Papiertiger werden. Dafür haben wir zum Beispiel vor dem Gipfel eine Konferenz mit hohen Richtern gemacht, mehr als 120 solche Richter waren da. Es geht darum, dass wir die Rechtssicherheit für den Bürger, die garantiert ist, überall durchsetzen. Und auf der anderen Seite fehlen bei vielen Menschen eben die Voraussetzungen, die Ressourcen dafür. Wir müssen immer wieder darauf aufmerksam machen, dass wir die Durchsetzung solcher Regeln nicht in erster Linie in der Bundesrepublik Deutschland oder in anderen entwickelten Zonen brauchen, sondern wir brauchen sie bei denen, wo die Ressourcen dafür nicht da sind. Also gibt es drei Dinge zu tun: Einmal diese Regelungen zwischen Staaten zu vereinbaren, durchzusetzen, zweitens, sie in Parlamenten zu ratifizieren und einzuhalten, und drittens, die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die für diese Einhaltung erforderlich sind. Die steht eben ganz oben auf der Tagesordnung dieser Konferenz, die vielleicht im einzelnen Ergebnis nicht so spektakuläre wie die eine oder andere ist, die aber in der Summe der einzelnen Vereinbarungen, dem Hinführen zum konkreten Handeln eine außerordentlich wichtige Konferenz ist.
Durak: Das heißt, Sie sehen die Problemzone nicht so sehr bei den großen globalen Konzernen - es heißt 51 der 100 größten Wirtschaften der Welt sind ja Unternehmen -, die nach eigenen Interessen agieren und in ihren Staaten regieren, sondern in den Staaten der nicht so entwickelten Welt?
Töpfer: Nein, die Probleme liegen in aller erster Linie auch bei uns selber. Dies ist kein Gipfel nur für die unterentwickelten Länder. Es ist ein Gipfel der Partnerschaft, wie wir es immer wieder unterstreichen, und der Glaubwürdigkeit. Und natürlich gehört auch dazu die Privatwirtschaft. Natürlich gehört dazu, dass über die Einhaltung solcher vereinbarten Regelungen und weit darüber hinaus auch dort, wo ethische Grundsätze insgesamt, Grundsätze sozialen Verhaltens und umweltgerechten Verhaltens gefragt sind, diese eingehalten werden. Deswegen machen wir hier eine sehr breite Arbeit, eine Initiative, die wir selbst entwickelt haben, und die weiterläuft über die Global Reporting Initiative, dass also Unternehmen sich verpflichten, auch ihre grüne Bilanz vorzustellen und prüfen zu lassen. Viele wollen das jetzt rechtlich abgesichert haben. Sie wollen global eine Konvention haben, um diese Transparenz von Unternehmen sicherzustellen. Ich glaube, wir haben gut daran getan, dass wir dies zunächst so weit entwickelt haben, dass sich immer mehr Unternehmen daran beteiligen, und dass eine kritische Medienlandschaft dazu beiträgt, diese Berichte wirklich zu analysieren und zu sehen: ist das irgendwie nur ein Green Washing, ist es nur so etwas wie ein Umweltmäntelchen, das darüber gelegt wird, oder ist es nur eine soziale Tünche, und die tatsächlichen Gegebenheiten sind gar nicht so? Also die Einhaltung solcher Dinge, und gerade eine Transparenz zu gewährleisten, ist sehr gut. Wir brauchen also alle im Boot. Wir brauchen die Regierungen der hochentwickelten Länder, indem sie etwa in ihren Handelsregelungen mit der Frage der Subventionen wirklich mal ernst machen, indem sie auf der anderen Seite die Entwicklungsländer auch und gerade in der Verlässlichkeit ihres Regierungsverhaltens so weiterentwickeln, dass sie attraktiv werden und bleiben für Privatinvestitionen, aber auch für die Investitionen aus den öffentlichen Haushalten heraus. Und wir brauchen die private Wirtschaft und die Zivilgesellschaft, die diese Umsetzung mitträgt, und die aus diesem gesamten Bereich eben diese Globalisierung mit menschlichem Gesicht ermöglicht.
Durak: Wir haben ja gestern in Johannesburg die Diskussion um Agrarsubventionen gehabt. Da sieht es ja auch so aus, als wenn die entwickelte Welt keineswegs der weniger entwickelten Welt entgegenkommen will.
Töpfer: Ich sage auch hier: Wir sollten die Urteile am Ende und nicht am Anfang einer solchen Konferenz abgeben. Kein Mensch kann erwarten, dass man von einem Tag auf den anderen solche lang eingespielten Subventionssysteme völlig in Frage stellt. Das muss ein Prozess sein. Dieser ist auch schon über die Welthandelsorganisation eingeleitet, und er muss weitergetragen werden. Er muss schneller laufen, als es jetzt vorgesehen ist, nicht nur für die Entwicklungsländer, sondern auch im Sinne der breiten Natur- und Umwelterhaltung bei uns selbst. Also auch hier sind die Verhandlungen natürlich nicht leicht. Natürlich kann man nicht von einem solchen Gipfel erwarten, dass man in einem Gipfelsturm all die Probleme nimmt und dann oben stolz die Fahne des Besteigens des Gipfels hisst. So einfach sind die Dinge in einer Welt mit über 190 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen nicht. Da gibt es gewaltige Unterschiede der Interessen. Da gibt es auch die Notwendigkeit, Interessen auf einem Nenner zu harmonisieren, der vielleicht nicht jedem hinreichend erscheint, der das von einem anderen Standpunkt aus betrachtet, der aber in der Summe die Interessen so weiter führt, dass sie zumindest in die richtige Richtung gehen. Diese Hoffnung jedenfalls habe ich nach wie vor, auch am dritten Tag dieser Konferenz.
Durak: Für wie groß halten Sie den Einfluss der riesigen, der großen weltweit agierenden Konzerne auf die Regierungen in der entwickelten und in der weniger entwickelten Welt?
Töpfer: Schauen Sie, gestern Abend hat ein großes deutsches Automobilunternehmen hier eine Veranstaltung durchgeführt. Ich habe dort auch als Gast mitgesprochen und gesagt, dass es natürlich außerordentlich wichtig ist, dass wir solche Unternehmen mit dabei haben, denn sie schaffen mit ihren Investitionen auch in den Entwicklungsländern Arbeit, auch sie bringen Umwelt- und Sozialstandards mit, wenn sie - was in diesem Unternehmen ganz eindeutig der Fall ist - eben Transparenz und auch die Verantwortung mittragen, um so etwas zu ermöglichen. Ich glaube, wir brauchen die großen Unternehmen auch hier, denn ob wir mit ihnen sprechen oder nicht, ob wir sie einbinden oder nicht, ob sie Einfluss haben oder nicht, sie sind auf jeden Fall die bedeutend und tragen Entwicklungen in der Welt mit. Aber man darf auch nicht vergessen, dass die vielen kleinen Unternehmen in der Welt, die vielleicht auch im informellen Sektor in den Entwicklungsländern tätig sind, unglaublich wichtig sind für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Also man sollte mit der Fokussierung auf die großen Konzerne, die weiß Gott wichtig ist, nicht vergessen, dass es darüber hinaus ganz andere Einflussmaßnahmen auch für die Arbeitsplatzschaffung bei uns und in der Welt insgesamt gibt.
Durak: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio