Martin Zagatta: Nach den neuen Vorwürfen gegen Bundespräsident Wulff stellen Zeitungen heute die Frage, warum die Staatsanwaltschaft noch immer nicht ermittelt.
Verbunden sind wir jetzt mit Gerhart Rudolf Baum, dem früheren Innenminister und FDP-Politiker, heute als Anwalt tätig, den wir jetzt auch nicht als Politiker oder ehemaligen Politiker unbedingt befragen wollen, sondern als Jurist, als Anwalt. Guten Tag, Herr Baum.
Gerhart Rudolf Baum: Guten Tag.
Zagatta: Herr Baum, sind das nur wir Laien, wir Journalisten, oder stellen Sie sich die Frage eigentlich auch, warum die Staatsanwaltschaften nicht schon längst gegen Wulff ermitteln?
Gerhart Rudolf Baum: Ja das tun sie ja jetzt. Ich habe mit Erleichterung gehört, dass die Staatsanwaltschaft Hannover den Vorgang, den jetzt bekannt gewordenen Vorgang genau prüfen wird. Offenbar ist sie elektrisiert durch die Vertuschungsversuche, denn es ist zwar nicht sehr glaubwürdig, dass dann in bar bezahlt worden ist, aber es wird behauptet und ein Gegenbeweis ist wohl schwierig. Aber wenn dann Vertuschungsversuche gemacht worden sind, hat das eine andere Dimension, und die Staatsanwaltschaft wird jetzt wegen Vorteilsannahme die Sache prüfen – das sagt sie. Natürlich gibt es eine gewisse Scheu, an das Staatsoberhaupt heranzugehen. Insbesondere dann, wenn sich ein solches Verfahren dann verläuft, wenn es also zu keinem Ergebnis führt, ist die Staatsanwaltschaft dann ja sehr leicht das Ziel von Kritik. Also ich habe schon Verständnis, wenn sie da vorsichtig vorgehen, aber sie müssen vorgehen, und alles passt ja in das Bild. Das ist ja nicht das einzige Mal, dass da bar bezahlt wurde, es gab einen anderen Aufenthalt. Diese merkwürdigen Freundschaftsdienste, die Herr Wulff von verschiedenen Personen in Anspruch genommen hat, die sind unerträglich eigentlich und das führt nicht dazu, dass man wirklich das Staatsoberhaupt nicht in Ruhe lassen kann, so gern man das täte.
Zagatta: Herr Baum, bei aller Vorsicht und bei aller Unschuldsvermutung – da ist ja jetzt die Firma, an der ein Unternehmer beteiligt ist, die erhält eine Bürgschaft von fünf Millionen Euro vom Land Niedersachsen, und dann macht dieser Unternehmer Urlaub mit dem Ministerpräsidenten und der zahlt erst einmal dessen Hotelrechnung. Das riecht doch derart nach Korruption. Welche Gründe soll es denn da geben, nicht zu ermitteln?
Baum: Sie ermitteln ja. Das ist der Schein, der böse Schein ist ja schon mal da, und dann muss nachgewiesen werden, dass es hier eine Vorteilsannahme war. Natürlich behauptet Herr Wulff, er habe sich da nicht eingeschaltet in diese Bürgschaft für den Filmunternehmer, aber allein die Tatsache, dass die Entscheidungsträger wussten, das ist ein Freund unseres Ministerpräsidenten, spielt ja eine Rolle. Jeder Beamte, der in eine solche Situation kommen würde, wäre längst in einem Ermittlungsverfahren, das ist schon richtig. Die Zurückhaltung der Staatsanwaltschaft ist doch etwas merkwürdig, aber sie gibt sie ja jetzt auf. Ich wiederhole das: sie will das prüfen und der Oberstaatsanwalt, der zuständige, hat ja auch gesagt, was er prüfen will. Er will vor allen Dingen die Vertuschungsmanöver auch auf den Prüfstand stellen.
Zagatta: Aber prüfen und ein offizielles Ermittlungsverfahren, das sind noch zwei Dinge?
Baum: Das sind zwei Dinge, ja. Das ist auch ein Schritt, den es noch nie gegeben hat – alle haben die Scheu, das zu tun, aber daran geht dann kein Weg vorbei: es muss die Immunität des Bundespräsidenten aufgehoben werden. Ob er sich dann noch im Amt halten kann, ist eine Frage. Ich meine, das Entscheidende ist ja sein Ansehen. Der Bundespräsident ist ein Mann, der wirkt durch Ansehen und Glaubwürdigkeit, und wenn er das nicht mehr hat, kann er sein Amt nicht mehr ausführen.
Zagatta: Müsste die Immunität bei einem Ermittlungsverfahren schon aufgehoben werden? Wie ist das? Direkt dann?
Baum: Ja. Ja, muss aufgehoben werden, und da muss ein Viertel des Bundestages zustimmen. Aber das wird der Bundestag auch machen, das macht er ja bei jedem Amtsträger, wenn ein Minister in Schwierigkeiten gerät, schon bei jeder Verkehrsübertretung macht er das.
Zagatta: Da müsste sich die Staatsanwaltschaft erst einmal an den Bundestag wenden, um das machen zu können?
Baum: Ja, ja. Das wird man jetzt sehen, ob sie das tut. Sie wird jetzt die Fakten sich angucken und dann sehen, ob sie diesen Schritt geht. Im Grunde ist sie ja jetzt in die Öffentlichkeit gegangen, die Staatsanwaltschaft; sie muss meines Erachtens dann auch begründen, wenn sie es nicht tut.
Zagatta: Gehen Sie denn davon aus, dass die Staatsanwaltschaft jetzt, so wie die Vorwürfe sich im Moment darstellen, daran überhaupt noch vorbei kommt?
Baum: Das ist schwer vorzustellen, und die Art, wie der zuständige Oberstaatsanwalt sich öffentlich geäußert hat, bringt doch eine gewisse Entschiedenheit zum Ausdruck, jetzt der Sache auf den Grund zu gehen. Ermittlungsverfahren heißt ja noch nicht Anklage, das muss man auch unterscheiden. Dann wird eben weiter offiziell ermittelt und es kann durchaus sein, dass die Ermittlungen eingestellt werden wie in vielen, vielen Fällen. Das ist dann durchaus auch noch, denn es gilt, wie Sie schon gesagt haben, die Unschuldsvermutung auch für den Bundespräsidenten. Dass er sich hier als Ministerpräsident wirklich falsch verhalten hat, das steht auf einem anderen Blatt. Wir reden jetzt über das Strafrecht.
Zagatta: Könnte er sich dann jetzt politisch als Bundespräsident noch halten, wenn ein solches Ermittlungsverfahren eingeleitet würde? Wäre er dann noch haltbar, oder wäre dann ein Rücktritt unausweichlich?
Baum: Herr Zagatta, wir haben damit keine Erfahrungen. Im Grunde kann ich nur wiederholen, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens setzt sein Ansehen noch stärker herab. Wie will der Mann sein Amt ausüben?
Zagatta: Aber man kann ihn doch jetzt schon Lügner nennen. Dem widerspricht er ja nicht, er geht ja nicht dagegen vor.
Baum: Nein, das tut er nicht.
Zagatta: Er hat ein dickes Fell.
Baum: Er hat ein dickes Fell und ich meine, es ist natürlich irgendwo in der Öffentlichkeit auch der Eindruck entstanden, hier wird der Bundespräsident gejagt, jeden Tag mit einer neuen Information. Aber das jetzt, diese Sache hier in Bezug auf Sylt, hat doch eine andere Qualität, finde ich, und daran kann man jetzt nicht vorbeigehen, auch strafrechtlich nicht vorbeigehen.
Zagatta: Gerhart Rudolf Baum, der frühere Innenminister. Herr Baum, danke für das Gespräch.
Baum: Herr Zagatta, auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Verbunden sind wir jetzt mit Gerhart Rudolf Baum, dem früheren Innenminister und FDP-Politiker, heute als Anwalt tätig, den wir jetzt auch nicht als Politiker oder ehemaligen Politiker unbedingt befragen wollen, sondern als Jurist, als Anwalt. Guten Tag, Herr Baum.
Gerhart Rudolf Baum: Guten Tag.
Zagatta: Herr Baum, sind das nur wir Laien, wir Journalisten, oder stellen Sie sich die Frage eigentlich auch, warum die Staatsanwaltschaften nicht schon längst gegen Wulff ermitteln?
Gerhart Rudolf Baum: Ja das tun sie ja jetzt. Ich habe mit Erleichterung gehört, dass die Staatsanwaltschaft Hannover den Vorgang, den jetzt bekannt gewordenen Vorgang genau prüfen wird. Offenbar ist sie elektrisiert durch die Vertuschungsversuche, denn es ist zwar nicht sehr glaubwürdig, dass dann in bar bezahlt worden ist, aber es wird behauptet und ein Gegenbeweis ist wohl schwierig. Aber wenn dann Vertuschungsversuche gemacht worden sind, hat das eine andere Dimension, und die Staatsanwaltschaft wird jetzt wegen Vorteilsannahme die Sache prüfen – das sagt sie. Natürlich gibt es eine gewisse Scheu, an das Staatsoberhaupt heranzugehen. Insbesondere dann, wenn sich ein solches Verfahren dann verläuft, wenn es also zu keinem Ergebnis führt, ist die Staatsanwaltschaft dann ja sehr leicht das Ziel von Kritik. Also ich habe schon Verständnis, wenn sie da vorsichtig vorgehen, aber sie müssen vorgehen, und alles passt ja in das Bild. Das ist ja nicht das einzige Mal, dass da bar bezahlt wurde, es gab einen anderen Aufenthalt. Diese merkwürdigen Freundschaftsdienste, die Herr Wulff von verschiedenen Personen in Anspruch genommen hat, die sind unerträglich eigentlich und das führt nicht dazu, dass man wirklich das Staatsoberhaupt nicht in Ruhe lassen kann, so gern man das täte.
Zagatta: Herr Baum, bei aller Vorsicht und bei aller Unschuldsvermutung – da ist ja jetzt die Firma, an der ein Unternehmer beteiligt ist, die erhält eine Bürgschaft von fünf Millionen Euro vom Land Niedersachsen, und dann macht dieser Unternehmer Urlaub mit dem Ministerpräsidenten und der zahlt erst einmal dessen Hotelrechnung. Das riecht doch derart nach Korruption. Welche Gründe soll es denn da geben, nicht zu ermitteln?
Baum: Sie ermitteln ja. Das ist der Schein, der böse Schein ist ja schon mal da, und dann muss nachgewiesen werden, dass es hier eine Vorteilsannahme war. Natürlich behauptet Herr Wulff, er habe sich da nicht eingeschaltet in diese Bürgschaft für den Filmunternehmer, aber allein die Tatsache, dass die Entscheidungsträger wussten, das ist ein Freund unseres Ministerpräsidenten, spielt ja eine Rolle. Jeder Beamte, der in eine solche Situation kommen würde, wäre längst in einem Ermittlungsverfahren, das ist schon richtig. Die Zurückhaltung der Staatsanwaltschaft ist doch etwas merkwürdig, aber sie gibt sie ja jetzt auf. Ich wiederhole das: sie will das prüfen und der Oberstaatsanwalt, der zuständige, hat ja auch gesagt, was er prüfen will. Er will vor allen Dingen die Vertuschungsmanöver auch auf den Prüfstand stellen.
Zagatta: Aber prüfen und ein offizielles Ermittlungsverfahren, das sind noch zwei Dinge?
Baum: Das sind zwei Dinge, ja. Das ist auch ein Schritt, den es noch nie gegeben hat – alle haben die Scheu, das zu tun, aber daran geht dann kein Weg vorbei: es muss die Immunität des Bundespräsidenten aufgehoben werden. Ob er sich dann noch im Amt halten kann, ist eine Frage. Ich meine, das Entscheidende ist ja sein Ansehen. Der Bundespräsident ist ein Mann, der wirkt durch Ansehen und Glaubwürdigkeit, und wenn er das nicht mehr hat, kann er sein Amt nicht mehr ausführen.
Zagatta: Müsste die Immunität bei einem Ermittlungsverfahren schon aufgehoben werden? Wie ist das? Direkt dann?
Baum: Ja. Ja, muss aufgehoben werden, und da muss ein Viertel des Bundestages zustimmen. Aber das wird der Bundestag auch machen, das macht er ja bei jedem Amtsträger, wenn ein Minister in Schwierigkeiten gerät, schon bei jeder Verkehrsübertretung macht er das.
Zagatta: Da müsste sich die Staatsanwaltschaft erst einmal an den Bundestag wenden, um das machen zu können?
Baum: Ja, ja. Das wird man jetzt sehen, ob sie das tut. Sie wird jetzt die Fakten sich angucken und dann sehen, ob sie diesen Schritt geht. Im Grunde ist sie ja jetzt in die Öffentlichkeit gegangen, die Staatsanwaltschaft; sie muss meines Erachtens dann auch begründen, wenn sie es nicht tut.
Zagatta: Gehen Sie denn davon aus, dass die Staatsanwaltschaft jetzt, so wie die Vorwürfe sich im Moment darstellen, daran überhaupt noch vorbei kommt?
Baum: Das ist schwer vorzustellen, und die Art, wie der zuständige Oberstaatsanwalt sich öffentlich geäußert hat, bringt doch eine gewisse Entschiedenheit zum Ausdruck, jetzt der Sache auf den Grund zu gehen. Ermittlungsverfahren heißt ja noch nicht Anklage, das muss man auch unterscheiden. Dann wird eben weiter offiziell ermittelt und es kann durchaus sein, dass die Ermittlungen eingestellt werden wie in vielen, vielen Fällen. Das ist dann durchaus auch noch, denn es gilt, wie Sie schon gesagt haben, die Unschuldsvermutung auch für den Bundespräsidenten. Dass er sich hier als Ministerpräsident wirklich falsch verhalten hat, das steht auf einem anderen Blatt. Wir reden jetzt über das Strafrecht.
Zagatta: Könnte er sich dann jetzt politisch als Bundespräsident noch halten, wenn ein solches Ermittlungsverfahren eingeleitet würde? Wäre er dann noch haltbar, oder wäre dann ein Rücktritt unausweichlich?
Baum: Herr Zagatta, wir haben damit keine Erfahrungen. Im Grunde kann ich nur wiederholen, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens setzt sein Ansehen noch stärker herab. Wie will der Mann sein Amt ausüben?
Zagatta: Aber man kann ihn doch jetzt schon Lügner nennen. Dem widerspricht er ja nicht, er geht ja nicht dagegen vor.
Baum: Nein, das tut er nicht.
Zagatta: Er hat ein dickes Fell.
Baum: Er hat ein dickes Fell und ich meine, es ist natürlich irgendwo in der Öffentlichkeit auch der Eindruck entstanden, hier wird der Bundespräsident gejagt, jeden Tag mit einer neuen Information. Aber das jetzt, diese Sache hier in Bezug auf Sylt, hat doch eine andere Qualität, finde ich, und daran kann man jetzt nicht vorbeigehen, auch strafrechtlich nicht vorbeigehen.
Zagatta: Gerhart Rudolf Baum, der frühere Innenminister. Herr Baum, danke für das Gespräch.
Baum: Herr Zagatta, auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.